Ein Mann wandert auf einem Weg in den Bergen.
Bildrechte: BR/Julia Müller

Im Allgäu sollen Besucher umweltfreundlichen und respektvoll in den Bergen unterwegs sein.

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Besucherlenkung im Allgäu: Aufklären statt Verbieten

Mit "Mein Freiraum. Dein Lebensraum" sollen Outdoor-Fans im Allgäu umweltverträglich durch die Natur gelotst werden. Die Kampagne zur Besucherlenkung gibt es seit zwei Jahren. Sie setzt auf Aufklären statt Verbieten. Wie das bisher gelingt.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Wanderer und Mountainbiker abseits der offiziellen Wege, Skitourengeher in Schongebieten - der sensible Naturraum mit seinen seltenen Pflanzen und Tieren in den Allgäuer Bergen kann Schaden nehmen durch unvernüftige Freizeitsportler. Um dies zu verhindern und den Bergtourismus in geordnete Bahnen zu lenken, gibt es im Oberallgäu ein eigenes Konzept - und eine erste Rückmeldung, wie das Projekt in der Bevölkerung ankommt.

Aufklärung statt Verbote

Das Projekt "Mein Freiraum. Dein Lebensraum – Verantwortungsvoll in der Natur unterwegs" versucht es nicht mit Betretungsverboten und abgesperrten Wegen, sondern mit Aufklärung: An viel frequentierten Wegen wurden und werden zum Beispiel Informationstafeln aufgestellt. Diese sollen Outdoor-Sportler und Besucher für den Umgang mit der Natur sensibilisieren oder Tipps geben, wie sie sich verhalten können, damit sie die Lebensräume von seltenen Tier- und Pflanzenarten nicht stören. Mit der "Besucherlenkung 2.0" verfolgen die Oberallgäuer neben der klassischen Strategie aber auch eine digitale: Auf der Internetseite der Kampagne bekommen Hundehalter, Mountainbiker oder Wanderer Tipps, wie und wo sie sich umweltverträglich in den Allgäuer Bergen aufhalten können.

Großes Interesse an Podiumsdiskussion zum Thema

Eine Podiumsdiskussion im Immenstädter Schloss hat das rege Interesse der Bevölkerung an dem Thema gezeigt. Die Abendveranstaltung war mit rund 100 Personen gut besucht. Fast jeder Bereich, der im Allgäu mit Menschen zu tun hat, die die Natur erleben oder genießen wollen, präsentierte sich.

Auf dem Podium saßen Vertreter des Landratsamtes, des Naturparks Nagelfluhkette, des Alpenvereins, der Hotellerie, der Alpwirtschaft und der Sportler sowie Menschen, die sich und das Allgäu in den sozialen Medien präsentieren. Im Publikum saßen zudem Beschäftigte aus der Tourismusbranche, Vertreter von Forst und Jagd, Bürgermeister, Naturschützer und Sportler spezieller Branchen wie Mountainbiker oder Skitourengeher. Es ging also um viele unterschiedliche Interessen.

Arbeiten auf Augenhöhe

Sie alle sollen im Rahmen von "Mein Freiraum. Dein Lebensraum" berücksichtigt und wenn möglich zufriedengestellt werden. Daran arbeiten laut Landrätin Indra Baier-Müller (Freie Wähler) seit zwei Jahren drei verschiedene Arbeitsgruppen. "Wir verfolgen den partnerschaftlichen Ansatz, wir arbeiten auf Augenhöhe zusammen und suchen gemeinsam nach Lösungen." Schon allein, dass das gelingt, wertet die Landrätin als Erfolg.

Herausforderung Online-Portale

Gleichwohl gebe es Herausforderungen: die Kontrolle von Tourenplattformen im Internet zum Beispiel. Jeder kann dort seine Routen öffentlich abspeichern, viele nutzen die Angebote als App dann auch unterwegs. Im Rahmen der "Besucherlenkung 2.0" haben es sich die Verantwortlichen zur Aufgabe gemacht, die veröffentlichten Routen zu überprüfen: Je nach eigener Kondition und Können werden einerseits die Touren unterschiedlich bewertet, andererseits führen sie unter Umständen auch durch schützenswerte Lebensräume, die zumindest zeitweise gemieden werden sollen. "Um das künftig zu verhindern, stehen wir in engem Austausch mit den Verantwortlichen dieser Plattformen", so die Landrätin.

Haftungsfrage beschäftigt Grundstückseigentümer

Ein wichtiges Thema, das von Seiten der Alpwirtschaft angesprochen wurde, war die Haftungsfrage. Laut Christian Brutscher, Vorsitzender des Alpwirtschaftlichen Vereins im Allgäu, haben viele Grundstückseigentümer Angst, in die Haftung genommen zu werden, wenn auf ihrem Grundstück ein Unfall passiert. "Da müssen wir uns gemeinsam an einen Tisch setzen und Lösungen finden", sagt er.

Lösungen, um das Verhalten zu steuern

Die Diskussion zeigte aber auch, wie viele Wege es bereits gibt, das Verhalten der Menschen in den Bergen zu lenken, ohne Verbote auszusprechen: Hoteliers schlagen ihren Gästen umweltverträgliche Routen vor; Fotografen posten Bilder ihrer Touren in den Sozialen Medien und bilden gleichzeitig ihren eigenen respektvollen Umgang mit der Natur ab. Als Vertreter waren Fotograf Basti Heckl und der Nordische Kombinierer Johannes Rydzek eingeladen, die oft gemeinsam vor allem in den Oberstdorfer Bergen unterwegs sind. Beide haben auf der Plattform Instagram viel Reichweite und verzichten zum Beispiel auf Geotagging, also auf das Verorten ihrer Routen. Damit wollen sie Nachahmer vermeiden und verhindern, dass noch selten besuchte Orte durch ihre Werbung zu "Hotspots" werden.

Nur wenige "schwarze Schafe"

Die vor allem einheimischen Zuhörer der Podiumsdiskussion waren sich einig, dass ihre Heimat ein "großer Schatz" ist, der bewahrt werden muss - und dass es oft nur einzelne "schwarze Schafe" sind, die über das Ziel hinausschießen und ganze Sportarten in Verruf brächten, wenn auch oft aus Unwissenheit. Zum Beispiel sei vielen nicht klar, warum es wichtig ist, Weidegatter wieder zu schließen. Die Besucherlenkung und ihre Aufklärung trage einen Teil dazu bei, das die Allgäuer Heimat erhalten bleibe. Allerdings dürfe nicht vergessen werden, dass es zwischen Besuchern, die nur Wochen oder tageweise aus anderen Regionen ins Allgäu kämen, und Einheimischen, die hier aufgewachsen sind und Bergsport von der Pike auf gelernt hätten, einen Unterschied gebe. "Ich brauche keine Kindergartentante am Berg; ich weiß, was ich tue", meinte ein passionierter Skitourengeher.

Andere Regionen übernehmen Allgäuer Modell

Nach derzeitigem Plan läuft das Gemeinschaftsprojekt bis Ende 2024. Bis dahin reichen die 500.000 Euro an Fördermitteln, die es vom Freistaat Bayern gegeben hat, sowie die mehr als 50.000 Euro, mit denen der Landkreis Oberallgäu das Projekt finanziell unterstützt. Gerne würden die Verantwortlichen die Initiative weiterführen. Inzwischen gibt es bereits Anfragen aus anderen Gemeinden und Regionen, die das Projekt übernehmen wollen. Die Initiatoren haben "Mein Freiraum. Dein Lebensraum" deshalb inzwischen sogar markenrechtlich schützen lassen.

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