Hände mit einem Geldbeutel und einer Bezahlkarte für Asylbewerber darin.
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Seit Juni bekommen Asylbewerber in Bayern eine Bezahlkarte statt Bargeld. Damit können sie nur 50 Euro abheben. Zu wenig, sagen Kritiker.

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Bezahlkarte für Asylbewerber: Reichen 50 Euro Bargeld im Monat?

Seit Juni gibt es in ganz Bayern die Bezahlkarte für Asylbewerber. Damit können sie für 460 Euro pro Monat einkaufen, aber nur 50 Euro davon in bar abheben. Menschenrechtsexperten kritisieren, Einkaufen werde so zur Herausforderung.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Ein Drogeriemarkt in der Nürnberger Innenstadt: Hier kauft Amina Kosmetikprodukte, Duschgel und ähnliches. Zahlen kann sie mit ihrer Bezahlkarte. An ihrem Wohnort im Nürnberger Land ist das aber schon schwieriger. "In den meisten Dorfläden kann man nicht mit Karte zahlen", erzählt die 21-jährige. Oder nur mit einer normalen Bankkarte. Die Bezahlkarte – eine Mastercard – werde hingegen seltener akzeptiert. Einkaufen werde so zur Herausforderung.

Manchmal funktioniere die Karte ohne ersichtlichen Grund auch gar nicht. "Wir waren einmal mit der Familie für den Haushalt einkaufen und die Karte wurde nicht akzeptiert", erinnert sie sich. "Dann mussten wir alles zurücktun. Ich habe mich richtig geschämt."

Bargeld reicht kaum für Existenzminimum

Asylbewerber erhalten mit der Bezahlkarte in der Regel insgesamt 460 Euro im Monat. Davon können sie 50 Euro in bar abheben, das übrige Geld kann nur für Kartenzahlungen verwendet werden. Bei Kindern unter 14 Jahren, die keine eigene Karte erhalten, erhöht sich das Bargeldabhebelimit der Familie um jeweils 50 €. Das niedrige Bargeldbudget stellt Amina und ihre Familie dennoch vor Herausforderungen. "Es reicht nicht für eine Familie, die kleine Kinder hat", kritisiert sie. Man brauche Bargeld für Schulmaterialien, die Schulcafeteria, Ausflüge oder Bustickets.

Das Nürnberger Menschenrechtszentrum hat die bayerische Bezahlkarte analysiert und sieht die Grenze ebenfalls kritisch. "Bargeld ist immer noch das vorherrschende Zahlungsmittel", erklärt Menschenrechtsexperte Felix Krauß. Daher seien Asylbewerber oft darauf angewiesen. Zudem kauften sie vieles gebraucht, weil es günstiger sei – auf Flohmärkten oder auf Kleinanzeigen-Portalen. Auch dort könne man nur selten mit Karte zahlen. Das Existenzminimum zu sichern, sei so schwer.

Gerichtsurteile zur Bezahlkarte

Das bayerische Innenministerium sieht das anders. Ein Sprecher erklärte Ende Juli auf BR-Anfrage, 50 Euro im Monat seien ausreichend, die Bezahlkarte werde breit akzeptiert.

Unterdessen hat das Sozialgericht Nürnberg einer staatenlosen Asylbewerberin recht gegeben, die gegen die Einführung der Bezahlkarte vorgegangen war. Entgegen anderslautenden Medienberichten hat das Gericht dabei aber die Bezahlkarte an sich nicht infrage gestellt. "Die Entscheidungen treffen keinerlei Aussagen zur Zulässigkeit der Einführung einer Bezahlkarte", sagte die Sprecherin des Sozialgerichts Nürnberg, Uta Rauschert, dem Bayerischen Rundfunk.

Nach BR-Informationen hatte die Stadt Schwabach die Einführung der Bezahlkarte nicht mit einem Bescheid geregelt, sondern als reines Informationsschreiben. Das ist allein wegen der Form unzulässig, unabhängig vom Inhalt, so die Entscheidung des Sozialgerichts Nürnberg. Das Gericht gab der 49-jährigen Geflüchteten in diesem Fall also recht und wies die Stadt Schwabach wegen des Formfehlers an, der Frau die 460 Euro wieder auf ihr normales Bankkonto zu überweisen.

Von anderen Kommunen im Zuständigkeitsbereich des Sozialgerichts Nürnberg seien aber keine anderen derartigen Verfahren bekannt, betonte die Sprecherin.

Umstrittene Daten zu Auslandsüberweisungen

Als Grund für die niedrige Bargeldbegrenzung gibt das Innenministerium in München an, man wolle Schlepperkriminalität bekämpfen und verhindern, dass Asylbewerber zu viel Geld in ihre Herkunftsländer schicken. "Es gibt aber keine Daten, die das belegen", kritisiert Krauß. "Und ich kann mir nicht vorstellen, dass Geflüchtete mit dem wenigen Geld, das sie zur Verfügung haben, große Summen ins Ausland überweisen können."

Das Innenministerium verweist hier auf BR-Anfrage auf Schätzungen der Weltbank, nach denen 2022 insgesamt 17 Milliarden Euro aus Deutschland ins Ausland zurücküberwiesen worden seien. Man könne aus den Daten zwar keine Rückschlüsse auf Staatsangehörigkeit und Aufenthaltsstatus ziehen. Aber, so der Sprecher: "Es liegt auf der Hand, dass die Höhe der Sozialleistungen einen wichtigen Einfluss auf Migrationsströme ausübt." Weltbank-Chefökonom Dilip Ratha ging Anfang des Jahres allerdings noch davon aus, dass Flüchtlinge nur in geringem Maß Geld in ihre Herkunftsländer schicken.

Ist die Bargeldgrenze grundsätzlich rechtswidrig?

Felix Krauß und seine Kollegen fordern von der Politik, die Karte so zu gestalten, dass so viel Bargeld wie benötigt abgehoben werden kann. So könne man je nach Situation selbst entscheiden, ob mit Bargeld oder Karte bezahlt werden soll.

Auch sie halten die Beschränkung auf 50 Euro nicht nur für einen massiven Eingriff in die Lebensführung der Betroffenen, sondern für rechtswidrig. Mit der bundesweiten Einführung der Bezahlkarte habe der Gesetzgeber vorgegeben, dass individuelle Bedürfnisse und örtlich Gegebenheiten bei der Bargeldobergrenze berücksichtigt werden müssten, so Krauß. Und tatsächlich findet sich eine entsprechende Passage in den Anmerkungen zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes vom 10. April 2024. In der Praxis fände aber keine Einzelfallprüfung statt, kritisiert Krauß.

Bürokratie erschwert Ausnahmegenehmigungen

In Notsituationen ist es jetzt schon möglich, die Grenze von 50 Euro Bargeld anzuheben. Krauß reicht das nicht: "Das ist erstens Auslegungssache der Behörde und zweitens mit einem hohen Verwaltungsaufwand verbunden."

Auch die sogenannte Whitelist für bestimmte Transaktionen wie Anwaltskosten oder das Deutschlandticket, für die eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden kann, sieht er kritisch: "Auch das ist ein sehr bürokratischer Akt, der länger dauern kann. Man ist darauf angewiesen, dass der Antrag auch angenommen wird. Und wenn er abgelehnt wird oder es zu lange dauert, kann es zu einer Verschuldung kommen."

Ähnliches gelte für den Radius, in dem die Karte genutzt werden kann. Auch hier können Ausnahmen genehmigt werden, wenn der nächste Supermarkt im eigenen Landkreis etwa zu weit weg ist. Das stelle mobilitätseingeschränkte Personen wie Menschen mit Behinderungen oder Schwangere aber vor Probleme, bis der Antrag bearbeitet sei.

Aufdruck "Bezahl Karte": Sorge vor Diskriminierung

Auch Amina hat die Erfahrung gemacht, dass Anträge nicht genehmigt wurden. Sie ist froh, dass sie ihre Bezahlkarte in den nächsten Tagen abgeben kann. Nach über zehn Jahren in Deutschland hat sie nun eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis bekommen. Dann muss sie sich auch keine Sorgen mehr machen, an der Karte erkannt zu werden. Den Aufdruck "Bezahl Karte" versucht sie beim Einkaufen stets zu verdecken. "Man weiß nicht, was das Gegenüber denkt." Sie möchte nicht riskieren, sich eine unangenehme Situation zu bringen, wenn man sie als Geflüchtete erkennt.

Bald kann sie alles von ihrem eigenen Konto bezahlen. Sie wünscht sich, dass die Bezahlkarte noch einmal überarbeitet wird – damit andere Asylbewerber es in Zukunft leichter haben.

Der Artikel wurde am Donnerstag um 16:30 aktualisiert. Ergänzt wurde, dass Eltern für minderjährige Kinder mehr Bargeld abheben können.

Kundin kauft mit Bezahlkarte ein.
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Seit Juni gibt es in Bayern die Bezahlkarte für Asylbewerber. Damit können sie für 460 Euro pro Monat einkaufen, aber nur 50 Euro abheben.

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