In vielen Sozialkaufhäusern oder auf Flohmärkten kann man oft nur bar bezahlen - da wird günstiges Einkaufen nach Ansicht von Migrationsberatern schwierig.
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Wo wird die Bezahlkarte künftig akzeptiert?

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Experten kritisieren Bezahlkarte: "Chaos und mehr Aufwand"

Experten kritisieren Bezahlkarte: "Chaos und mehr Aufwand"

Über die Bezahlkarte für Asylbewerber wird derzeit viel diskutiert. Geflüchtete sollen weniger Bargeld bekommen und keine Überweisungen mehr tätigen können. Nach Ansicht von Flüchtlingsorganisationen wird die Karte zu "Chaos und mehr Aufwand" führen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Die Bezahlkarte für Flüchtlinge soll ab dem Sommer in ganz Bayern eingeführt werden und nach dem Willen von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) "härter" sein als in anderen Bundesländern. "Wir stoppen Online-Shopping, Glücksspiel und Überweisungen ins Ausland. Bargeld gibt es nur noch als kleines Taschengeld bis 50 Euro", sagte Söder vor Kurzem.

Nach Angaben von Flüchtlingsorganisationen, Migrationsberatern und Freiwilligen, die Asylsuchende im Alltag unterstützen, wird die neue Regelung zu zahlreichen Problemen führen. Das bayerische Innenministerium weist die Kritik dagegen als "nicht nachvollziehbar" zurück.

"Es geistern Gerüchte rum"

Noch sind viele Details unklar. "Es ist tatsächlich eine relativ große Blackbox", sagt Johanna Böhm vom Bayerischen Flüchtlingsrat auf BR24-Anfrage. "Es geistern Gerüchte rum, es geistern so Halbaussagen aus dem bayerischen Innenministerium herum."

Wie es dann genau aussehen soll, sei bisher nicht beantwortet: "Welche Supermärkte sind dabei? Welche Supermärkte sind nicht dabei? Beläuft sich dieser Bargeldbetrag wirklich auf 50 Euro? Oder sind es am Ende doch mehr? Wird die Karte wirklich auf den jeweiligen Postleitzahlen-Bereich des Wohnorts eingeschränkt oder kann es doch erweitert werden? Ist der öffentliche Nahverkehr dabei?"

"Wie bezahle ich die Brezel in der Schule?"

Mit Organisationen wie dem Bayerischen Flüchtlingsrat sei im Vorfeld nicht gesprochen worden, sagt Böhm. Auch Simon Oschwald, Fachbereichsleiter Migration von der Diakonie Augsburg, weiß bisher nicht viel. Das, was er wisse, habe er aus der Presse, erzählt er. Die meisten seiner Klienten hätten noch gar nichts von der anstehenden Neuerung mitbekommen.

Oschwald erwartet allerdings zahlreiche Probleme im Alltag. Keine Überweisungen mehr, nur 50 Euro Bargeld – Flüchtlinge stünden dann vor Fragen wie: "Wie bezahle ich die Brezel in der Schule? Wie den Anwalt? Wie einen Abo-Vertrag für den ÖPNV? Kann ich im Internet einkaufen? Auf dem Flohmarkt oder in Lebensmittelgeschäften die landestypische Lebensmittel kaufen?", zählt Oschwald auf. "Das sind ganz viele Kleinigkeiten, die eine große Belastung für die Menschen darstellen werden."

Wie zahlen in Billigläden oder beim Bäcker auf dem Land?

Georg Schrenk ist seit zehn Jahren in Dillingen in der Flüchtlingsarbeit tätig und Vorsitzender der Unterstützergruppe Asyl Migration. Er erzählt: "Das Kartengerät ist garantiert nicht im Rote-Kreuz-Laden, das ist nicht in den Billigläden, nicht bei der Tafel, es ist nicht im Land draußen bei den Bäckereien und in den Bussen ist das auch nicht." Und wenn Flüchtlinge "zum Beispiel aus Bissingen und sonstwo hier im Landkreis, wo es keinen Bahnanschluss gibt, kommen, da kostet eine Busfahrt nach Dillingen sechs Euro und mehr für eine Einzelfahrkarte. Sie können sich ausrechnen, wie schnell 50 Euro Bargeld weg ist."

Flüchtlingsrat kritisiert Argument der Pull-Faktoren: "Nicht nachweisbar"

Einer der Gründe, warum die Karte eingeführt werden soll, ist, dass sogenannte Pull-Faktoren, also mögliche Anreize, um nach Deutschland zu kommen, wegfallen würden. "Das Argument, dass Pull-Faktoren überhaupt eine relevante Größe spielen in der Entscheidung, zu fliehen oder nicht zu fliehen, das ist ja migrationswissenschaftlich absolut nicht nachweisbar und gilt als völlig überholt", kritisiert Böhm. "Und deswegen wundert es uns schon sehr, dass dieses Argument der Pull-Faktoren immer wieder herbeigezogen wird, wenn es darum geht, zu erklären, warum denn die Fluchtzahlen so hoch sind. Menschen fliehen, weil in ihrem Land zum Beispiel Bürgerkrieg herrscht oder die Situation lebensbedrohlich ist."

Kaum Geld für Überweisungen ins Heimatland übrig

Außerdem führen Befürworter der Bezahlkarte an, dass Zahlungen ins Ausland unterbunden werden sollen. Auch das spielt nach Einschätzung von Asylberatern keine große Rolle. Oschwald: "Das nehmen wir in der Beratung nicht wahr, dass das ein großes Thema ist. Ich halte auch die Höhe der Sozialleistungen nicht für so hoch, dass jetzt wirklich was übrigbliebe, dass man viel Geld zurückschicken könnte." Erst wenn Menschen arbeiten dürften und Geld verdienten, nähmen Überweisungen zu.

Zwar überweisen nach Angaben von Migrationsberatern Asylsuchende ab und an Geld in ihre Heimatländer - zum Beispiel, wenn Familien in großer Armut leben oder Familienmitglieder krank seien und dringend Medikamente kaufen müssten, die Beträge seien aber eher gering. Georg Schrenk erzählt: "Mir hat vor Kurzem ein Afghane gesagt, dass er jeden Monat 50 Euro an seine Mutter schickt, damit sie in Afghanistan überleben kann. Wenn dort die Flüchtlinge nichts mehr hinschicken, wird die Not vor Ort größer." Auch das Argument, dass mit der Bezahlkarte die Schlepperkriminalität bekämpft werden soll, halten Experten für nicht haltbar. "Dieses migrationspolitische Argument, dass Rücküberweisungen an Schleuser getätigt werden, scheint mir deutlich übertrieben", sagt Oschwald von der Diakonie.

"Politische Debatte auf Kosten von vulnerablen Menschen"

Viele Asylbewerber wissen noch gar nicht, dass sie künftig nur noch mit der Karte einkaufen können und kaum mehr Bargeld haben werden. Viele wollten sich aus Angst, dass sich ein Interview negativ auf ihr Verfahren auswirken könnte, nicht äußern.

Dafür äußern sich inzwischen anerkannte Asylbewerber wie eine 35-jährige Arzthelferin aus dem Landkreis Erding. Sie hatte früher den hellblauen Kommunalpass, der ähnlich wie die Bezahlkarte funktionierte. "Es ist schlimm, wenn man kein Geld in der Hand hat", erinnert sie sich und nennt Probleme beim Bus oder beim Friseur. Der in Syrien geborene Amjad Abu Huwaij, der inzwischen Ehrenamtliche beim Münchner Flüchtlingsrat koordiniert, übt Kritik an der Politik: "Ich finde die Bezahlkarte ist eine politische Debatte auf Kosten von vulnerablen Menschen."

Bayerisches Innenministerium: Kritik "nicht nachvollziehbar"

Das bayerische Innenministerium weist die Kritik zurück: Die Akzeptanz von MasterCard sei sehr hoch. Es handle sich um eine normale Debitkarte, die an praktisch jedem Kartenlesegerät akzeptiert werde. In Geschäften, in denen die Karte nicht akzeptiert werde, könne mit Bargeld bezahlt werden, heißt es. Zudem könnten mit der bayerischen Bezahlkarte "selbstverständlich auch Rechtsanwälte bezahlt werden, auch in Raten (etwa über eine Freischaltung zur Überweisung)". Details dazu wurden nicht genannt.

In Bezug auf die Schlepperkriminalität heißt es: Den Schleusern müsse das Handwerk gelegt werden. "Da kommt es nicht auf die genaue Summe an, die an Schleuser überwiesen wird, jeder Euro ist ein Euro zu viel."

Weltbank-Ökonom: Geflüchtete überweisen nicht viel ins Ausland

Der Weltbank-Chefökonom Dilip Ratha geht davon aus, dass Flüchtlinge nur in geringem Maß Geld in ihre Herkunftsländer schicken. Schätzungen der Bundesbank zufolge geht besonders viel Geld in Länder, aus denen die meisten Arbeitsmigranten in Deutschland stammen, etwa die Türkei, Rumänien, Polen und die Ukraine. 75 Prozent der Überweisungen erfolgten innerhalb Europas.

Wie die Schätzungen ergaben, flossen im Jahr 2023 insgesamt rund 6,8 Milliarden Euro als Rücküberweisungen ins Ausland. Der Anteil an Überweisungen in Asylherkunftsländer wie Syrien, Afghanistan oder Irak mache dabei einen Anteil von zwölf Prozent aus, wobei nicht unterschieden werden kann, ob das Geld von Flüchtlingen stammt, die Sozialleistungen beziehen oder selbst längst in Deutschland arbeiten. Die Behauptung, Geflüchtete würden einen bedeutsamen Teil ihrer Sozialleistungen ins Ausland überweisen, diente zuletzt auch als Argument, um die neue Bezahlkarte einzuführen.

"Man bringt ein funktionierendes System durcheinander"

Für Migrationsberater Oschwald ist klar: "Man bringt ein funktionierendes System durcheinander. Also was ist einfacher als ein Girokonto und so weiter Geld auszuzahlen? Ich sehe auch nicht, dass das der Verwaltung wirklich etwas bringt." Und auch der Bayerische Flüchtlingsrat findet: "Für uns bietet die Bezahlkarte keine Lösung, sondern führt perspektivisch zu Chaos und mehr Aufwand", sagt Böhm. "Sie ist rechtlich absolut bedenklich und schließt Menschen nur noch mehr von der Teilhabe der Gesellschaft aus."

Bedenken beim Datenschutz

Rechtlich bedenklich findet Böhm zum Beispiel den Datenschutz, denn noch sei unklar, wer den Guthabenstand auf der Karte sehen könne, oder auch, ob einsehbar sei, wann und wo eingekauft wurde. "Da es so viele rechtlich sehr diskussionswürdige Punkte gibt, schauen sich natürlich Menschenrechtsorganisationen das ganz genau an", sagt Böhm. "Und da gibt es im Moment schon Gespräche und den Fokus darauf, sich zu überlegen, was an den Bezahlkarten tatsächlich rechtlich problematisch ist, und wo sollten die Gerichte in Bayern, aber auch bundesweit, noch einmal ganz genau hinschauen."

Das Innenministerium erwartet kein Chaos: "Alle Leistungsbehörden werden vorher in der Anwendung des (leicht handhabbaren) Bezahlkartensystems geschult", teilt das Innenministerium mit.

Mit Informationen von epd

Im Audio: Was man über die Bezahlkarte bisher weiß

Symbolbild Bezahlkarte
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