Chemiebücher und dahinter Jugendliche mit Corona-Schutzmasken: Schulen waren in dieser Legislatur besonders stark von der Pandemie betroffen.
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Chemiebücher und dahinter Jugendliche mit Corona-Schutzmasken: Schulen waren in dieser Legislatur besonders stark von der Pandemie betroffen.

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Was aus den Koalitionsversprechen bei Kita und Schule wurde

Was aus den Koalitionsversprechen bei Kita und Schule wurde

CSU und Freie Wähler haben für mehr Kinderbetreuung und mehr Lehrer in Bayern gesorgt, aber reicht das? Beim Unterrichtsausfall wurde das Ziel verfehlt – wohl auch wegen der Corona-Pandemie. Teil 2 der BR24-Serie über die Bilanz der Staatsregierung.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Nach fünf Jahren bayerischer Staatsregierung von CSU und Freien Wählern ist es Zeit für eine Bilanz: Welche Punkte auf der To-Do-Liste wurden abgehakt, welche bleiben offen?

BR24 hat den Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern nach konkreten, gut messbaren Vorhaben durchsucht und sowohl gehaltene als auch nicht gehaltene Versprechen herausgearbeitet. Dazu sei gesagt, dass diese Legislatur auch von unvorhersehbaren Krisen wie Corona und Krieg geprägt war – für manches Versprechen haben sich die Vorzeichen geändert.

Herausgekommen ist eine fünfteilige BR24-Serie, deren Folgen jeweils ein Themenfeld beleuchten. Teil zwei dreht sich um einen Bereich, der durch Pandemie und ukrainischen Geflüchtete besonders gefordert war: Kinderbetreuung, Schule und Bildung.

Versprechen 1: Mehr Betreuung für unter 6-Jährige

Die Koalition hatte versprochen, das Angebot an Kinderbetreuung auszubauen – und dabei ihre eigene Zielmarke weit übertroffen: "Wir schaffen 42.000 neue Betreuungsplätze bis 2023 für Kinder von null bis sechs Jahren", steht auf Seite 14 des Vertrags zwischen CSU und Freien Wählern. Zwar schafft der Freistaat selbst keine Betreuungsplätze, wie das Sozialministerium auf Anfrage mitteilt, sondern unterstützt die zuständigen Kommunen finanziell – das aber offenbar umfangreicher als zu Beginn der Legislatur geplant. Laut Ministerium hat die Staatsregierung seit 2018 rund 73.500 zusätzlich Plätze im U6-Bereich gefördert. Das sind 75 Prozent mehr als veranschlagt. Ihr Versprechen haben die Koalitionäre damit mehr als gehalten.

Und trotzdem fehlen in Bayern laut einer Bertelsmann-Studie aus dem vergangenen Jahr aktuell rund 62.000 Kita-Plätze, besonders bei Kindern unter drei Jahren lägen Angebot und Nachfrage weit auseinander. Bayerns Familien- und Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) hat angekündigt, dass es bis Ende des Jahrzehnts weitere 50.000 Betreuungsplätze für unter Sechsjährige geben soll, inklusive ausreichend Personal.

Versprechen 2: Hortplätze für Grundschulkinder

Ab 2026 gilt ein bundesweiter Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Erstklässler, ab 2029 dann für alle Grundschulkinder. Zusammen mit dem Bund setze man diesen Rechtsanspruch um, schrieb die Koalition und versprach: "Wir schaffen 10.000 Hortplätze." Laut Sozialministerium schafft der Freistaat auch hier die Plätze nicht selbst, sondern fördert Kommunen. "Mit dem bayerischen Hortprogramm wurden bisher 9.000 Plätze auf den Weg gebracht", teilt das Ministerium mit. Hier wurde die eigene Zielvorgabe also nicht erreicht.

💬 Mitdiskutieren lohnt sich: Die folgende Passage hat die Redaktion aufgrund der Kommentare von "Neinhorn" und anderen im Rahmen des BR24 Projekts "Dein Argument" ergänzt:

Auf BR24-Nachfrage führt das Sozialministerium genauer aus: "Über das Bayerische Hortprogramm wurden Fördermittel zur Schaffung der rund 9.000 Plätze bewilligt. Diese Hortplätze sind entweder bereits fertig gestellt oder befinden sich aktuell noch im Bau." Alle Investitionen seien bis spätestens 30. Juni 2024 vollständig abzuschließen. 💬

Horte bieten eine Möglichkeit der Ganztagsbetreuung, neben Mittagsbetreuung sowie dem schulischen offenen und gebundenen Ganztag – um den Rechtsanspruch zu erfüllen, müssen laut einer aktuellen Studie in allen drei Bereichen zusammen bayernweit in den nächsten Jahren rund 130.000 Betreuungsplätze im Grundschulalter geschaffen werden. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat angekündigt, dass die bis 2028 kommen sollen.

Versprechen 3: Ausweitung kostenfreier Kinderbetreuung

CSU und Freie Wähler hatten sich vorgenommen, Bayerns Eltern zu entlasten und die kostenfreie Kinderbetreuung auszuweiten: "Wir stellen künftig alle drei Kindergartenjahre beitragsfrei, indem wir in gleicher Weise auch für das erste und zweite Kindergartenjahr monatlich 100 Euro pro Kind gewähren."

Im April 2019 hat die Koalition dieses Versprechen eingelöst – unabhängig vom Einkommen der Eltern. Bis dahin gab es das Geld nur im dritten Kindergartenjahr. "Aufgrund dieses staatlichen Beitragszuschusses wird der Besuch einer Kindertageseinrichtung für viele Eltern kostenfrei bzw. der Elternbeitrag deutlich reduziert", schreibt das Sozialministerium. Für die Höhe der Elternbeiträge sind einzig die Träger verantwortlich. Zuletzt gab es Berichte, dass in mehreren Orten in Bayern Einrichtungen ihre Beiträge inflationsbedingt stark erhöht haben. Insofern ist unklar, für wie viele Familien die Beiträge trotz gehaltenem Versprechen der Staatsregierung tatsächlich ganz entfallen.

Versprechen 4: Mehr Lehrerinnen und Lehrer

Im Bereich der schulischen Bildung beansprucht die Koalition für sich und den Freistaat "Spitzenniveau". Um dieses "weiter auszubauen, wollen wir 5.000 Lehrerinnen und Lehrer mit qualifizierter Ausbildung bis 2023 neu einstellen". Dieses Versprechen hat die Koalition gehalten: Seit dem Schuljahr 2019/20 wurden jährlich mindestens 1.065 Lehrerplanstellen in Vollzeit geschaffen – insgesamt 5.780. "Das sind über zehn Prozent mehr als die 5.000 im Koalitionsvertrag vorgesehenen zusätzlichen Stellen", teilt das Kultusministerium von Ressortchef Michael Piazolo (Freie Wähler) mit.

Laut dem Ministerium wurden die versprochenen Planstellen nicht nur geschaffen, sondern auch tatsächlich alle besetzt. In den vergangenen Monaten versuchte die Staatsregierung auf nicht unumstrittene Weise, Lehrkräfte mit Prämien und höherer Besoldung aus anderen Bundesländern abzuwerben.

Trotz der neu geschaffenen Stellen klagt der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) über weitere 4.000 fehlende Lehrkräfte. Im Mai sagte Piazolo im Gespräch mit BR24live, dass unter anderem die Aufgaben für die Betreuung von Geflüchteten größer geworden seien. Dennoch: "Es gab noch nie so viele Lehrkräfte wie jetzt", so der Kultusminister.

Versprechen 5: Unterrichtsausfall vermeiden und kleinere Klassen

In ihrem Koalitionsvertrag schrieben CSU und Freie Wähler, sie wollen stärkere individuelle Förderung erreichen. Ziel sei es unter anderem, "Unterrichtsausfall zu vermeiden" und "kleinere Klassen zu erreichen". Laut Statistiken sind beide Vorhaben nicht bzw. nur teilweise gelungen – was jeweils auch mit äußeren Umständen zusammenhängt. Im Schuljahr 2017/18 fielen über alle Schularten hinweg 1,6 Prozent aller Unterrichtsstunden ersatzlos aus, im Schuljahr 2022/23 waren es 2,0 Prozent.

In der Statistik weist das Kultusministerium darauf hin, dass die "außergewöhnlichen Bedingungen des Schulbetriebs seit dem Schuljahr 2020/21 zu berücksichtigen" seien. Gemeint sind damit die Folgen der Corona-Pandemie. Besonders drastisch ist der Anstieg ausgefallener Stunden beispielsweise in Förderzentren (von 0,7 auf 1,5 Prozent) sowie in Fach- und Berufsoberschulen (von 2,6 auf 5 Prozent). Deutlich besser sieht die Lage hingegen an Grundschulen (von 1,1 auf 0,9 Prozent) und Realschulen (von 1,1 auf 1,2 Prozent) aus.

Bei den Klassenstärken gibt es schulartübergreifend zwischen 2017/18 und 2021/22 wenig Veränderungen. An Grundschulen stieg die Zahl der Schüler pro Klasse minimal von 21,1 auf 21,2 an. In Förderzentren (von 11,7 auf 11,4) und an Realschulen (25,7 auf 25,2) nahmen die Klassenstärken leicht ab. Das ist insofern bemerkenswert, als gerade im Grundschulbereich die Schülerzahl im Laufe der Legislatur gestiegen war. Im vergangenen Jahr nahmen Bayerns Schulen mehr als 30.000 geflüchtete Kinder und Jugendliche aus der Ukraine auf, von denen rund 30 Prozent im Schuljahr 2022/23 den Regelschulbetrieb besuchten. Zahlen zu den Auswirkungen auf die Klassenstärken im vergangenen Jahr liegen noch nicht vor.

Folgende Teile zur Bilanz der Staatsregierung sind zudem bereits auf BR24 erschienen:

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