Nach dem drastischen Einbruch der gesellschaftlichen Grundstimmung im Freistaat auf ein Allzeittief im vergangenen Oktober, blicken die Bayern zum Jahresbeginn 2023 wieder optimistischer in die Zukunft. Mit 47 Prozent der Wählerinnen und Wähler sehen angesichts der Verhältnisse in Bayern wieder mehr Menschen Anlass zur Zuversicht als zur Beunruhigung (45 Prozent). Der erste Schock über den Totalangriff Russlands auf die Ukraine und die damit verbundenen Folgen scheint überwunden.
Die Themenagenda für die Landtagswahl hat der Krieg trotzdem einmal komplett durcheinandergewirbelt. Mit einem satten Plus von 25 Punkten im Vergleich zu vor zwei Jahren ist die Energiepolitik für die Menschen in Bayern das wichtigste Problem im Wahljahr, gefolgt vom Thema Zuwanderung mit einem ebenfalls deutlichen Plus von 11 Punkten.
Landtagswahl: Völlig andere Ausgangslage als 2018
Auf Platz drei der wichtigsten Probleme in Bayern landet der Umwelt- und Klimaschutz. Die Bedeutung dieses Themas für die Menschen hat sich im Vergleich zum Januar 2021 allerdings nicht verändert. Deutlich weniger wichtig werden die Probleme im Bereich Schule und Bildung wahrgenommen – minus 8 Punkte. Im Wahljahr 2018 war dieser Themenkomplex noch der zweitwichtigste für die Bürgerinnen und Bürger im Freistaat.
Neu in den Top 5 der wichtigsten Probleme in Bayern findet sich das Thema Inflation/steigende Preise – von 0 auf 11 Prozent. Thematisch ist damit die Ausgangslage 2023 also eine völlig andere als vor den letzten Landtagswahlen. Vor dem Hintergrund dieser Zahlen werden sich die Landtagsfraktionen auf ihren derzeitigen Winterklausuren noch einmal den ein oder anderen Gedanken machen müssen, welches Thema sie wirklich in den Mittelpunkt des Wahlkampfes stellen werden.
13 Prozent: AfD erzielt Rekordwert
Für die AfD ist diese Frage schnell beantwortet. Die Ereignisse in der Silvesternacht in Berlin waren Wasser auf die Mühlen der Partei. Und Ihr kommt es gelegen, dass das Thema Zuwanderung wieder weit oben auf der Problem-Agenda der Menschen steht. Ist es doch das Thema, bei dem immerhin 13 Prozent der AfD die größte Kompetenz im Freistaat zumessen.
Damit liegt die AfD in diesem Politikfeld gleichauf mit den Grünen und sogar knapp vor der SPD und bewegt sich ein Stück weit raus aus der Nische einer reinen Protestpartei. Und so verwundert es nicht, dass die Partei mit 13 Prozent ihren bislang besten Wert in einem BR24 BayernTrend erzielt.
Grüne treten auf der Stelle
Dagegen kommen die Grünen in Bayern aktuell nicht wirklich vom Fleck. Sie verharren mit 18 Prozent auf dem Niveau der Landtagswahl 2018 und müssen bei ihrem Leib-und-Magen-Thema Umwelt- und Klimaschutz schwere Einbußen hinnehmen. Dort schreiben nur noch 39 Prozent den Grünen die größte Kompetenz zu. 2019 waren es noch 61 Prozent.
Die schmerzhaften Kompromisse, die die Grünen in Regierungsverantwortung eingehen mussten – Stichwort AKW-Laufzeiten, Stichwort Kohleausstieg – haben offenbar auch in Bayern ihre Spuren hinterlassen. Außerdem hat der Krieg in der Ukraine das Thema Umwelt- und Klimaschutz in der öffentlichen Wahrnehmung nach hinten gedrängt. Und es kommt hinzu, dass die Spitzenkandidaten der Grünen, Katharina Schulze und Ludwig Hartmann, weiterhin rund der Hälfte der bayerischen Bürgerinnen und Bürger unbekannt sind. Alles in allem also keine optimalen Startbedingungen für die Grünen in diesem Wahljahr.
Aufwärtstrend der CSU setzt sich fort
Für die CSU setzt sich dagegen ein leichter Aufwärtstrend fort – 38 Prozent, das ist sicher noch nicht das Wunschergebnis von Markus Söder für den 8. Oktober. Doch sowohl bei der Regierungszufriedenheit als auch bei seinen persönlichen Zustimmungswerten kann der Ministerpräsident Zuwächse verbuchen und sich wieder in die bundesweite Spitzengruppe der Regierungschefs einreihen. Alles in allem sind es beruhigende Zahlen für die CSU zum Start ins Wahljahr, die auf der anderen Seite aber auch nicht so gut sind, dass sie Anlass bieten, sich siegessicher zurückzulehnen.
Sorgen bereiten muss der CSU, dass auch sie in fast allen Kompetenzfeldern Einbußen hinnehmen muss. Zum Beispiel im wichtigen Feld der Wirtschaftspolitik. Hier schreiben nur noch 51 Prozent der Befragten die größte Kompetenz den Christsozialen zu. Zum Vergleich: Vor fünf Jahren, zum Start ins Wahljahr 2018, waren es noch 69 Prozent. Der CSU fehlt an dieser wichtigen Stelle einfach ein bekanntes Gesicht das Wirtschaftskompetenz verkörpert, so wie es einst zum Beispiel Otto Wiesheu war.
- Zum Artikel: Leichtes Plus für CSU und AfD im BR24 BayernTrend
Freie Wähler behaupten sich in der Regierung
Eine Lücke, in die die Freien Wähler erfolgreich stoßen. Sie stellen mit Hubert Aiwanger den Wirtschaftsminister, der in diesem BayernTrend bei der Politikerzufriedenheit deutlich hinzugewinnt – plus sechs Punkte. Aiwanger ist das Zugpferd der Freien Wähler, die ansonsten bei den Kompetenzwerten keine großen Spuren im BayernTrend hinterlassen.
Auch die Tatsache, dass nur die Hälfte der Freien-Wähler-Anhänger mit der Arbeit der eigenen Staatsregierung zufrieden sind, schadet der Partei nicht wirklich. Sie behauptet sich mit 10 Prozent wacker in der Regierungskoalition mit der CSU. Das Schicksal der FDP scheint den Freien Wählern erspart zu bleiben. 2013 marginalisierte die CSU ihren damaligen kleinen Koalitionspartner, und die Liberalen flogen hochkant aus dem Landtag.
FDP wäre raus aus dem Landtag
Dies könnte der FDP auch in diesem Jahr drohen, wenngleich sich die Liberalen in diesem BayernTrend wieder leicht in Richtung Fünf-Prozent-Hürde bewegen. Es wird ein Zitterwahljahr für Martin Hagen und seine FDP. So richtig zieht der Liberalismus aktuell offenbar nicht. In Krisenzeiten wünschen sich die Menschen nicht mehr Eigenverantwortung, sondern mehr Staat. Das macht es den Liberalen schwer. Aus Berlin kommt auch nicht gerade Rückenwind, und in Bayern tummelt sich mit den Freien Wählern eine bürgerliche Alternative im gleichen politischen Lager.
Etwas Hoffnung liefert da, dass die Zahl der Menschen in Bayern, die mit der Oppositionsarbeit der Liberalen zufrieden sind, wächst. Dasselbe gilt für die SPD, ist allerdings nur ein schwacher Trost. Denn in Wählerstimmen lässt sich das für die Sozialdemokraten bisher nicht ummünzen.
Bayern-SPD wieder auf Platz 5
Nach ihrem Zwischenhoch genau vor einem Jahr, als der Kanzler-Scholz-Effekt die bayerische SPD auf 14 Prozent hievte, landen die Genossen im Freistaat bei diesem BayernTrend wieder auf einem deprimierenden fünften Platz. Zwar können die Sozialdemokraten in einigen Politikfeldern Kompetenzzuwächse für sich verbuchen, beim für sie so wichtigen Thema soziale Gerechtigkeit liegen sie aber weiterhin hinter der CSU. Der Abstand zu den Christsozialen vergrößert sich hier sogar noch von einem auf fünf Punkte.
Dass zum Start ins Wahljahr nach Vorwürfen jetzt auch noch der Generalsekretär und damit der wichtigste Wahlkampfmanager der BayernSPD, Arif Tasdelen, zurücktreten ist, macht die Ausgangslage 2023 für die Genossen nicht einfacher.
Zusammenhalt als Zukunftsaufgabe
Insgesamt ist zu Beginn des Wahljahres also wenig Bewegung in der politischen Stimmung in Bayern. Sucht man nach Gründen hierfür, dann liefert der BR24 BayernTrend folgende Antworten: 65 Prozent der Wählerinnen und Wählern sind der Meinung, dass es in Bayern gerecht zugeht. Zum Vergleich: Deutschlandweit sind nur 36 Prozent der Meinung, dass es hierzulande gerecht zu geht. Und auch die Tatsache, dass 70 Prozent der Befragten finden, dass Bayern sehr gut oder gut aus der Corona-Pandemie herausgekommen ist, dürfte dafür sorgen, dass in Bayern keine Wechselstimmung aufkommt.
Alle zufrieden also im Freistaat? Nicht ganz. Der BR24 BayernTrend zeigt auch, dass die vergangenen Jahre Bayern verändert haben: Mehr als jeder zweite Befragte findet, dass sich der gesellschaftliche Zusammenhalt in den vergangenen Jahren verschlechtert hat (54 Prozent). Dies zum Positiven zu verändern und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bayern wieder zu stärken, ist eine Aufgabe, die eine neue Staatsregierung nach der Landtagswahl am 8. Oktober dringend angehen muss – ganz egal, wer diese Regierung dann stellt.
- Zum Artikel: Mehrheit würde wegen Klimawandel Lebensstil ändern
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