Darf man Waffen an die Ukraine liefern und somit den Krieg in die Länge ziehen? Oder sollte man auf Waffenlieferungen verzichten, was ein schnelles Ende des Krieges - aber auch der Ukraine bedeuten würde? Die evangelische Kirche debattiert seit Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar 2022 kontrovers über ihre Haltung zu Krieg und Frieden.
Während die eine Seite Waffenlieferungen an die Ukraine aus pazifistischen Gründen komplett ablehnt, halten andere die militärische Unterstützung für ethisch geboten. Diese Positionen zeigen sich auch auf dem Evangelischen Kirchentag, der noch bis Sonntag in Nürnberg stattfindet.
BR24live hat vom Evangelischen Kirchentag aus Nürnberg berichtet (Video oben eingebettet). Reporter vor Ort sprachen mit Gästen über das Thema Krieg und Frieden und holten die Stimmung dazu ein.
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Bundespräsident Steinmeier: "Es ist auch Zeit für Waffen"
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat bei der Eröffnung des Evangelischen Kirchentages am Mittwoch die Unterstützung der Ukraine mit Waffen verteidigt. "Auch ich hätte mir nicht vorstellen können, dass ich einmal sagen würde: Neben all den anderen Anstrengungen, es ist auch Zeit für Waffen", sagte er.
Die Bilder und Nachrichten aus der Ukraine seien unerträglich. "Aber wir dürfen nicht so tun, als gäbe es einfache Lösungen", warnte der Bundespräsident. "Wenn Russland seine Soldaten zurückzieht, dann ist der Krieg zu Ende. Wenn die Ukraine ihre Verteidigung einstellt, dann ist das das Ende der Ukraine", fügte er unter dem Applaus der 20.000 Besucher der Eröffnungsfeier auf dem Nürnberger Hauptmarkt hinzu.
Das Thema Krieg und Frieden ist neben der Klimakrise eines der zentralen Themen des Christentreffens. Zahlreiche Veranstaltungen und Podien beschäftigen sich damit. Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, hatte bereits im Vorfeld kontroverse Diskussionen zum Ukraine-Krieg angekündigt. "Wir geben unterschiedlichen Sichtweisen Raum, die alle dasselbe Ziel teilen, nämlich, dass dieser Krieg möglichst schnell ein Ende findet", sagte Kurschus im Interview der "Süddeutschen Zeitung".
Ranghöchster Soldat der Bundeswehr erstmals auf Podium vertreten
Dementsprechend wird auch der Bundeswehr ihr Platz beim Kirchentag eingeräumt. So wird der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Carsten Breuer, am Freitagnachmittag als Gast auf dem Podium "Welchen Frieden wollen wir? Grenzverschiebungen in der Friedensethik" sprechen.
"Es gibt auch unter den Soldaten viele überzeugte Christinnen und Christen, die ihren Dienst in der Armee als Friedensdienst verstehen", erklärte Kurschus. Die Diskussion über den Krieg verlange vor allem gegenseitigen Respekt, so die EKD-Chefin, "und diesen halte ich für eine Stärke von Kirchentagen: Da lassen Menschen andere Meinungen gelten, hören einander zu und tragen Kontroversen offen aus."
Nicht alle Protestanten sind begeistert, dass mit Breuer erstmals der ranghöchste Soldat in Deutschland auf ein Podium eingeladen ist. Hans-Günther Schramm, Mitbegründer des "Nürnberger Evangelischen Forums für Frieden" (NEFF) ist befremdet, wie er dem BR erzählt, vor allem weil "Kirchen-Promis" wie Theologin Margot Käßmann, die gegen Waffenlieferungen sind, nicht beim Kirchentag dabei sind.
Käßmann: Meinungsvielfalt fehlt
In einem Interview vor dem Kirchentag für die Dokumentation "Waffen für den Frieden? Die Evangelische Kirche und der Ukraine-Krieg", die am Sonntag in der ARD gesendet wird, sagte Käßmann dem BR, sie habe grundsätzlich den Eindruck, dass "überall im Land und auch in der Kirche, in den Spitzen, in den Eliten" die einhellige Meinung verbreitet werde, es gehe nicht anders "als jetzt Milliarden an Waffen an die Ukraine" zu geben.
An der Gemeindebasis wie auch im Alltag erlebe sie das anders, so Käßmann: "Das Menschen dann fast schon die Stimme senken, wenn sie sagen, ich finde das alles sehr problematisch und den Eindruck haben, dass ihre Meinung nicht mehr in den öffentlich-rechtlichen Medien beispielsweise auch gespiegelt wird. Und das halte ich in der Demokratie wirklich für problematisch."
Seit Hannover 1983 sind die Kirchentage fester Bestandteil der Friedensbewegung. Dort gingen seinerzeit 70.000 meist junge Menschen, unter ihren auch Hans-Günther Schramm, auf die Straße. Auch jetzt ist der 83-jähriger Nürnberger beim Kirchentag mit seinen Freunden dabei. Aber sie gestalten nicht das offizielle Programm mit, hier bekamen sie eine Absage mit ihren Vorschlägen. Deswegen organisieren sie für Samstag eine eigene Demo mit Kundgebung.
Sabine Pfeffer steht am Stand der 'Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen' am Kirchentag. Sie merkt, dass sich die Meinung zur Friedensbewegung in den vergangenen Jahren verändert hat. "Die Reaktion ist tatsächlich ganz oft: 'Vor zwei Jahren hätten wir bei Ihnen noch mitgemacht. Aber jetzt, seit dem Ukraine-Krieg, ist das alles ganz anders. Und wir haben uns vom Pazifismus distanziert'", erzählt sie BR24. Es gebe viel Gegenwind, Menschen die sagten, die Pazifisten seien das "Übel der Welt und nicht mehr die Kriegstreiber".
Bedford-Strohm: "Nicht an militärische Logik gewöhnen"
Der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm warnt ebenfalls davor, sich "an die militärische Logik" zu gewöhnen. Jede Möglichkeit für Gespräche über ein Ende des Krieges in der Ukraine müsse genutzt werden, sagte Bedford-Strohm im Deutschlandfunk.
Dabei müsse die Zivilgesellschaft mit am Ball sein. Vielleicht könne dann aus der Gesellschaft heraus ein Impuls entstehen, "dass die Propagandamaschine Russlands durchbrochen wird, andere Informationen dort ankommen und wir vielleicht quer zu den politischen Prozessen zu einer Beendigung der Gewalt kommen". Bedford-Strohm betonte: "Klar ist, dass Völkerrechtsbruch nicht erfolgreich sein darf."
Mit Informationen von epd und KNA
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