Eine Blühwiese, ein Spielplatz, eine Kegelbahn oder eine Pump-Track-Anlage für Mountainbiker: Das sind Projekte in Bayern, die mit einem sogenannten Bürgerbudget realisiert wurden. Dabei bestimmen die Bürger selbst über eine bestimmte Summe aus dem Haushalt. Immer mehr Städte denken Bürgerbeteiligung neu, um der Politikverdrossenheit entgegenzuwirken. Die Summe reicht dabei in Bayern von 10.000 Euro bis zu einer Million.
Wasserschaden machte Kegelbahn unbrauchbar
Leblos baumeln die Holzkegel im Keller, der grüne Boden der Anlage wartet auf die Kugel, in der Holzverkleidung an der Wand klaffen Löcher. "Gut Holz" steht noch an der Tafel, an der die Kegelbrüder früher "Alle Neune" oder den "Kranz" notierten.
Kegeln war eine beliebte Beschäftigung in Unterschleißheim im Landkreis München. Doch seit einem Wasserschaden im Keller des Rathauses 2013 ist die Anlage unbrauchbar. So verstaubten die Pokale, die vom Erfolg der Unterschleißheimer zeugen.
Gewinner beim Online-Voting
Bis ein Bürger letztes Jahr die Sanierung der Kegelbahn als Projekt für das Bürgerbudget vorgeschlagen hat – und beim Online-Voting, das die Stadt dafür einrichtet, die meisten Stimmen bekam. In Unterschleißheim stellt die Stadt alle zwei Jahre 200.000 Euro für das Bürgerbudget zur Verfügung.
Da die Sanierung aber 300.000 Euro kostet, gab es ein kleines Problem. Die Stadt verständigte sich schließlich darauf, dass beim nächsten Mal nur noch 100.000 Euro im Topf sind. Zudem wird im Rathaus gerade der Brandschutz erneuert, die Sanierung findet in diesem Zusammenhang statt.
Bürgerbudget verändert Priorisierung
Die umfassende Sanierung der Kegelbahn sei in den letzten 13 Jahren nicht priorisiert worden, sagt Bürgermeister Christoph Böck (SPD). Durch das Bürgerbudget habe der Stadtrat nun auch gesehen, dass es ein Interesse gibt, die Bahn wieder herzurichten: "Das ist ja das Hauptziel letztendlich von unserem Bürgerbudget: Dass wir wollen, dass Bürgerinnen und Bürger sich aktiv beteiligen, Ideen einbringen, Vorschläge einbringen, und diese auch bewerten." Der Stadtrat muss die Ausgabe aber dennoch beschließen und in Auftrag geben, der Bürger entscheidet also wofür.
Vorbild für die Nachbargemeinde
In Unterschleißheim gibt es das Modell seit zehn Jahren, es hat sich etabliert. Die Liste der Projekte, die damit finanziert wurden, reicht von der Fahrradpumpe für alle über den Abenteuerspielplatz bis hin zur Foodsharing-Station. Ein Beispiel, das Schule macht. Denn im Nachbarort Garching wollten Bürger das auch einführen und baten in einer Bürgerversammlung den Stadtrat, das Modell einzuführen. Der Stadtrat stimmte zu und nun wird das erste Projekt realisiert.
Der 14-jährige Marcel wollte einen Parcours für Mountainbike-Fahrer, damit sich die Jugendlichen mit dem Fahrrad nicht langweilen. Er kenne das aus Unterföhring, sagt Marcel: "Ich war voll überrascht, dass ich gewonnen habe."
Viel Aufwand und auch Kritik
Der ganze Prozess sei allerdings aufwändig, so das Fazit von Garchings Bürgermeister Dietmar Gruchmann. Dabei verweist er auf die Vorbereitung und Prüfung der Vorschläge. Dennoch begrüßt Gruchmann das Pilotprojekt für direkte Demokratie. Die Verwaltung hat dafür eine Halbtags-Stelle geschaffen. Außerdem wurde die Satzung verändert: Ausgaben über 50.000 Euro brauchen eine Abstimmungsbeteiligung von einem Prozent. Zudem hat der Stadtrat in Garching ein Vetorecht.
Modell aus Brasilien mit Beispielen aus Bayern
Die Idee kommt übrigens aus der brasilianischen Stadt Porto Alegre und sollte damals auch Korruption und Misswirtschaft verhindern. In manchen Gemeinden heißt es Bürgerhaushalt und erfreut sich zunehmender Beliebtheit:
Amberg hat letztes Jahr die "Innenstadtmillion" vergeben. München plant aktuell die Durchführung einer solcher Million. Das schwäbische Gersthofen sammelt gerade Ideen für 2025. In Ingolstadt wird eine Million Euro im Bürgerhaushalt direkt an die Bezirksausschüsse verteilt für lokale Projekte. Und in Poing bei München kann man bis Ende März seine Ideen sich für ein Bürgerbudget in Höhe von 10.000 Euro bewerben.
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