06.08.2019, Bayern, Gundremmingen: Castor-Behälter stehen in dem Brennelemente-Zwischenlager im schwäbischen Gundremmingen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) muss sich ein weiteres Mal mit der Sicherheit des Atommülllagers befassen. Am Donnerstag (7.12.2023) verhandeln die Münchner Richter Klagen von Grundstückseigentümern aus der Umgebung des Kernkraftwerks im schwäbischen Landkreis Günzburg. (zu dpa: «Erneut Klage gegen Atommüll-Zwischenlager in Gundremmingen») Foto: Christopher Mick/BGZ/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit der aktuellen Berichterstattung und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits +++ dpa-Bildfunk +++
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Das Brennelemente-Zwischenlager Gundremmingen.

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Bürgermeister fordern finanziellen Ausgleich für Atommülllager

Wohin mit dem radioaktiven Atommüll? Die Suche nach einem neuen Endlager gestaltet sich mehr als schwierig. Zwischenlager müssen also länger in Betrieb bleiben. Dafür fordern die betroffenen Gemeinden jetzt hohe Ausgleichszahlungen.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Mainfranken am .

Weithin sichtbar ragen die Kühltürme des KKW Grafenrheinfeld in die Landschaft. Noch – denn Mitte August werden sie von der Bildfläche verschwinden. Was nach der Sprengung der Kühltürme weiterhin stehen bleibt, ist das Zwischenlager für den hochradioaktiven Atommüll des Kernkraftwerks. Nach 33 Betriebsjahren wurde das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld im Landkreis Schweinfurt im Juni 2015 abgeschaltet. Und eigentlich sollen bis 2035 nicht nur die Kühltürme, sondern alle Kernkraftwerks-Gebäude verschwunden sein. Doch das Atommüll-Zwischenlager mit 54 Castoren wird mangels Endlager noch deutlich länger in Betrieb bleiben müssen als ursprünglich geplant. Dafür will sich die Gemeinde nun vom Bund entschädigen lassen – mit bis zu 1,3 Millionen Euro pro Jahr.

1,3 Millionen Euro Entschädigung für nicht nutzbare Flächen

Dieser Forderung schließen sich Bürgermeister und Kommunalvertreter ehemaliger deutscher KKW-Standortgemeinden mit Atommüll-Zwischenlagern an. Sie fordern im Vorfeld ihrer Jahrestagung in Grafenrheinfeld in zwei Wochen vom Bund je Kommune zwischen 800.000 und 1,3 Millionen Euro pro Jahr – so viel zahlt der Bund jährlich an die Zwischenlagergemeinden Ahaus und Gorleben.

Sie pochen nicht nur darauf, weil der Atommüll deutlich länger als ursprünglich geplant vor Ort liegen wird. Ein weiterer Grund ist, dass die Standortgemeinden die Bereiche ehemaliger Kernkraftwerke nach dem Rückbau nicht mehr oder nur bedingt als normale Gewerbeflächen nutzen können. "Wir sind in unserer Entwicklung eingeschränkt. Wertvolle Gewerbeflächen stehen für lange Zeit nicht zur Verfügung", sagt Grafenrheinfelds Bürgermeister Christian Keller auf Anfrage des BR.

Grafenrheinfelds Bürgermeister: "Wir fühlen uns wie de facto-Endlager"

Keller und seine Amtskollegen sind sich einig – sie glauben nicht, dass die Endlagersuche für die nächsten zwei bis drei Generationen zu realisieren ist. Vielmehr sei mittlerweile bekannt, dass der ursprüngliche Zeitplan, bis 2050 einen geeigneten Standort für ein Endlager zu finden, nicht gehalten wird: "Ein Endlager ist in weite Ferne gerückt. Die gesamtgesellschaftlichen Lasten der Lagerung kerntechnischer Abfälle werden bis dahin durch die Standortkommunen geschultert. Nach menschlichen zeitlichen Maßstäben fühlen wir uns wie de facto-Endlager", so Keller. Niemand der jetzt Lebenden werde erleben, dass die Zwischenlager geräumt werden.

Das Atommüll-Zwischenlager am ehemaligen KKW Grafenrheinfeld hat eine Betriebsgenehmigung bis 2046. Kritiker gehen davon aus, dass ein deutsches Atommüllendlager nicht vor 2100 betriebsbereit ist und die Menschen im Umfeld der Atommüll-Zwischenlager noch Jahrzehnte mit dem Atommüll vor Ort leben müssen. Die Standortkommunen würden sich nicht weg ducken vor der gewaltigen Aufgabe, sondern sich verantwortungsvoll einbringen, heißt es aus dem Grafenrheinfelder Rathaus. Dafür erwarte man im Gegenzug, dass der Bund die Gemeinden mit dieser Aufgabe nicht allein lässt. Der Umgang mit diesen Gemeinden würde von möglichen künftigen Endlagerstandorten sehr genau beobachtet, merkt Bürgermeister Keller an.

Flächen verursachen Kosten statt Einnahmen

Josef Klaus, Bürgermeister der Gemeinde Niederaichbach im Landkreis Landshut - Standort des abgeschalteten KKW Isar 2 - ist zugleich Präsident der Arbeitsgemeinschaft der Standortgemeinden kerntechnischer Anlagen in Deutschland, kurz ASKETA. Er hält die geforderten Summen pro Kommune und Jahr für "angemessen". Schließlich könnten die Kommunen die mit den Zwischenlagern verbundenen Flächen nicht anderweitig nutzen. Das seien de facto Gewerbeflächen, die nichts einbringen, sondern Kosten verursachten. "Dafür brauchen die Kommunen, in denen die Zwischenlager liegen, eine Kompensation", so Klaus. Vor dem Hintergrund, dass Gorleben und Ahaus mit den Zwischenlagern vor Ort Entschädigungen bekommen, sagte Klaus zuletzt gegenüber dem BR: "Warum werden die anderen Kommunen anders behandelt? Die Meiler werden zurück gebaut, aber die Zwischenlager existieren weiter und niemand weiß, wie lange."

Das KKW Grafenrheinfeld mit Zwischenlager.
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Das KKW Grafenrheinfeld mit Zwischenlager.

Entscheidung für Endlager nicht vor 2046

Die ASKETA vertritt 25 Kommunen mit kerntechnischen Anlagen. Darunter eben auch das Atommüll-Zwischenlager Isar bei Niederaichbach in Niederbayern mit 152 genehmigten Behälterstellplätzen. 88 Castorbehälter stehen hier. Im Zwischenlager Gundremmingen stehen bislang 127 Castorbehälter. 192 Stellplätze sind genehmigt. Das Atommüllzwischenlager Grafenrheinfeld hat 88 genehmigte Stellplätze, hier stehen 54 Castorbehälter. Hier sollen keine weiteren dazukommen. Zwischen 2046 und 2068 soll laut dem "Bundesamt für die Sicherheit und der nuklearen Entsorgung" eine Entscheidung für ein Endlager fallen. Ursprünglich wollte der Bundestag einen Endlagerstandort bis 2031 festlegen.

Bund prüft Endlagerstandorte auch in Nord- und Ostbayern

Laut einer Sprecherin der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) sollen im letzten Halbjahr 2027 etwa zehn mögliche Standortregionen aus bislang zu prüfenden rund 90 Teilgebieten benannt werden. Danach soll dort zunächst eine überirdische Prüfung stattfinden. Daran soll sich eine seismische 3D-Prüfung anschließen, bei der Experten unter die Erdoberfläche "blicken" wollen. Ein künftiges Endlager für hochradioaktive Abfälle soll laut der Sprecherin in mindestens 300 Metern unter der Erdoberfläche liegen. Mögliche Teilgebiete liegen mit "kristallinem Wirtsgestein" auch in weiten Teilen Nord- und Ostbayerns.

Bundesweit gelten zum jetzigen Zeitpunkt 54 Prozent der Flächen mit Ton, Salz oder kristallinem Gestein als geeignet. Danach muss unter anderem das Endlager erst gebaut und der Inhalt der Castoren in endlagergeeignete Behältnisse umgeladen werden. Ein künftiges Endlager soll die Voraussetzung erfüllen, dass Radioaktivität für eine Million Jahre nicht nach außen dringen kann. Auf die Frage, bis wann die BGE-Sprecherin mit einem betriebsbereiten Endlager in Deutschland rechne, sagte sie, dass ihre Gesellschaft "zunächst nur bis 2027 denke".

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