Hubert Fischer kennt die Bürokratie. Bevor er Bürgermeister im schwäbischen Krumbach (Landkreis Günzburg) wurde, arbeitete er fast 20 Jahre in einer Behörde. Fischer (Junge Wähler Offene Liste) ist überzeugt, dass alles seine Richtigkeit haben soll. Doch womit er und seine Mitarbeiter sich tagtäglich beschäftigen, sei "nur noch schwer zu bewältigen". Der Bürgermeister stört sich an Förderanträgen, die seine Verwaltung belasten. Manche davon 20 Seiten lang, dazu kommen 80 Seiten an Ausfüllhinweisen.
"Betteln" für die Pflichtaufgaben
Fischer sagt, er hätte dafür noch Verständnis, wenn es sich um Investitionen handelte, die eine Gemeinde tätigen, aber auch lassen könnte - etwa, einen Park zu bauen. Doch dem Rathaus bleibe nichts anderes übrig, als Anträge auch für Pflichtaufgaben zu stellen. Also für Investitionen, die per Gesetz vorgeschrieben werden, wie die Einrichtung von Kindertagesstätten. "In meinen Augen kann man nicht sagen - das müsst ihr tun, schaut mal, wo ihr das Geld herbekommt, bettelt es zusammen", kritisiert der Bürgermeister.
Kommunen knapp bei Kasse
Viele Städte hätten derzeit mit genehmigungsfähigen Haushalten zu kämpfen, betont Markus Pannermayr (CSU), Oberbürgermeister von Straubing und Vorsitzender des Bayerischen Städtetags. Sie seien daher auf die Zuschüsse angewiesen. "Ich denke, dass jede Gemeinde möglicherweise Dutzende dieser Förderprogramme gleichzeitig bearbeitet. Wir sind mit dem Freistaat im Gespräch, dass es einfacher wird, an diese Gelder zu kommen. Aber auch, dass es eine gewisse Verlässlichkeit gibt", sagt Pannermayr. Nicht selten endet mit der Legislaturperiode einer Regierung zugleich ein entsprechendes Förderprogramm.
Bleibt alles anders
Auch Hubert Fischer in Krumbach hatte diese Erfahrung gemacht. "Für unser Schulzentrum haben wir dreimal die Heizungsmethode ändern müssen, weil der Gesetzgeber wieder neue Regeln geschaffen hat", so der Bürgermeister. Große Projekte hätten einen zeitlichen Vorlauf, samt Bürgerentscheiden und Einsprüchen. Daher sollte eine Förderung noch gelten, wenn alles bezahlt werden muss, findet Fischer. Gerade in Zeiten, in denen viele Kommunen ohnehin neue Kredite aufnehmen müssen.
900 Millionen mehr für Kommunen
Bayerns Finanzministerium sieht das Problem bei der Bundesregierung. Sie habe in den vergangenen Jahren immer mehr Aufgaben an die Kommunen übertragen und für zusätzliche Bürokratie gesorgt. "Wer anschafft, muss auch zahlen. Der Freistaat ist nicht in der Lage, alle vom Bund verursachten Mehrausgaben oder fehlende Einnahmen mit bayerischem Geld zu ersetzen", so Staatsminister Albert Füracker (CSU). Im Haushalt habe man dieses Jahr 900 Millionen Euro mehr als im Vorjahr für die Kommunen vorgesehen. Der Bund hingegen verweist auf die Länder. Es sei es ihre Aufgabe, den Kommunen eine "auskömmliche Finanzausstattung zu gewähren", heißt es aus dem Finanzministerium in Berlin. Ein Pressesprecher betont zudem, dass die Länder bei Finanzhilfen vom Bund meist selbst das Verfahren für die Förderung festlegen könnten.
Anstrengendes Nullsummenspiel
Bürgermeister Fischer in Krumbach stellt sich die Frage, ob Aufwand und Nutzen noch in einem entsprechenden Verhältnis stehen. Als Beispiel nennt er den Bau des Schulsportzentrums, das nur zum Teil förderfähig war. "Es sind 19 Prozent an Zuschüssen, aber wir müssen auch 19 Prozent an Mehrwertsteuer zahlen. Schlussendlich haben wir also per Saldo gar keine Steuergelder bekommen", so Fischer. Markus Pannermayr vom Städtetag hofft, dass den Kommunen mehr Vertrauen entgegengebracht wird und sie grundsätzlich besser mit Steuergeldern ausgestattet werden. "Wenn die Kommunen nicht mehr leisten können, erleben wir noch mal eine Destabilisierung unserer Gesellschaft. Wir sollten ein Interesse haben, das zu verhindern."
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