Die bayerische Staatsregierung verlängert den Lockdown bis zum 7. März, hat aber auch ein paar Lockerungen beschlossen. Bei der Opposition sorgt der aktuelle Kurs der Koalition für Kritik.
- Regierungserklärung Söder und Landtagsdebatte, BR24Live am Freitag ab 12.55 Uhr
FDP verbucht Lockerung bei Ausgangssperre für sich
"Die Beschlüsse sind insgesamt enttäuschend: Die Staatsregierung bleibt eine echte Öffnungsperspektive schuldig", sagte Bayerns FDP-Fraktionschef Martin Hagen zu den Corona-Beschlüssen. Gastronomie, Hotellerie und Kultur hingen weiter in der Luft. Hagen kritisierte die wechselnden Zielsetzungen bei den Inzidenzwerten. "Der Inzidenzwert von 50, der immer als Ziel des Lockdowns genannt wurde, spielt plötzlich keine Rolle mehr – stattdessen wird eine Öffnung des Handels jetzt an einen Wert von 35 geknüpft." Es brauche endlich einen verbindlichen Stufenplan aus dem Lockdown heraus.
Die Lockerung bei der landesweiten nächtlichen Ausgangssperre, die ab Montag gilt, verbucht Hagen als Erfolg für die FDP. "Nachdem die FDP eine Klage angedroht hatte, schafft Bayern die landesweite Ausgangssperre ab", so Hagen.
SPD kritisiert fehlende Perspektiven für Kultur und Handel
Auch der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Horst Arnold, wird mit den neuen Beschlüssen nicht warm. "Wir werden hier mit Allgemeinplätzen vertröstet, zu viele Fragen bleiben offen. Es fehlen Perspektiven für die Kultur, den Einzelhandel und die Hochschulen sowie Universitäten", sagte Arnold. Die teilweisen Öffnungen von Schulen begrüßt Arnold, allerdings stünden die vorgesehenen Selbsttests der Lehrkräfte und der Schüler über 15 Jahren auf rechtlich wackligen Beinen.
Weil der Distanzunterricht vielerorts mittlerweile gut funktioniere, findet die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Simone Strohmayr, dass die Schulen selbst entscheiden sollten, ob sie ihre Abschlussklassen in Wechsel- oder Distanzunterricht beschulen. Dass die Grundschulen nun wieder aufmachen, findet Strohmayr richtig. Denn bei den Jüngeren funktioniere das digitale Lernen nicht.
Die Lockerungen bei der nächtlichen Ausgangssperre sieht Fraktionschef Arnold positiv: "Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, wir hätten uns gewünscht, dass sie ganz fällt und nicht nur bei einer Sieben-Tages-Inzidenz unter 100."
Grüne kritisieren fehlende Datengrundlage als "Blindflug"
Die Co-Vorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag, Katharina Schulze, wirft der Staatsregierung im Interview mit der radioWelt von Bayern 2 vor, immer noch nicht über eine ausreichende Daten-Grundlage für ihre Corona-Politik zu verfügen: "Bei 83 Prozent der Ansteckungen wissen wir nicht, wo diese Ansteckungen stattgefunden haben."
Schulze wies darauf hin, dass Bayern in Sachen Sequenzierung von Corona-Proben im Hintertreffen sei. Schulze sagte: "Es werden laut dem Gesundheitsminister, wenn es gut läuft, bald 700 Proben in der Woche sequenziert. Baden Württemberg sequenziert jetzt schon jede Probe - Da sieht man doch schon, dass die Söder-Regierung ziemlich im Blindflug unterwegs ist." Für eine gute Pandemie-Bekämpfung, so Schulze, brauche man die Zahlen. Das sei ein "Management-Fehler" der Söder-Regierung, dass sie diese Grundlagen bisher noch nicht geschaffen habe.
Der Verlängerung des Lockdowns stimmen die Bayerischen Grünen zu. Schulze wörtlich: "Je konsequenter wir jetzt sind, desto nachhaltiger wird unser Erfolg sein. Schulze sprach allerdings auch von teilweise etwas willkürlich erscheinenden Entscheidungen. Sie plädierte für einen bundeseinheitlichen Perspektivenplan, der auf Evidenz basiere und "Perspektiven, aber eben auch Transparenz schafft". Dann hätte man eine Grundlage – wissenschaftsbasiert und gesetzlich festgelegt.
AfD: Corona-Mutationen als "Horror-Szenario" stilisiert
Die Vorsitzende der AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag, Katrin Ebner-Steiner, warf dem bayerischen Ministerpräsidenten Selbstgefälligkeit vor, sie sagte: "Der Lockdown und die tröpfchenweise Zuteilung von vormals verfassungsmäßigen Freiheiten scheinen Söder als Regierungsstil zu gefallen."
Den Menschen würde kein Ende des Lockdowns "weder mit Worten noch mit strategischen Vorgaben in Aussicht gestellt". Stattdessen würden den Bürgerinnen und Bürgern minimale Zugeständnisse als Lockerungen verkauft. Corona-Mutationen würden als "potenzielles Zukunfts-Horror-Szenario" aufgebaut.
- Die Gefahr der Corona-Mutationen: Ein Rechenmodell
Landesschülersprecher sieht Wechselunterricht kritisch
Und wie sehen die Reaktionen außerhalb der Landtags-Opposition aus? Landesschülersprecher Moritz Meusel äußerte sich dem BR gegenüber unzufrieden. Er ist der Meinung, dass der Distanzunterricht besser funktioniere, als der Wechselunterricht. Dieser sei aus seiner Sicht die schlechteste Option. "Weil man eben ein unnötiges Risiko hat, und weil man schulisch eben auch nicht das schafft, was man im Distanzunterricht schafft."
Simone Fleischmann, Präsidentin vom Bayerischen Lehrer- und Lehrerverband, mahnte, die Klassen der Mittelstufe nicht zu vergessen. "Vielleicht müssen wir uns doch über ein freiwilliges individuelles Förderjahr unterhalten. Denn es wird einzelne Schülerinnen und Schüler geben, die werden nicht mit dem zurecht kommen, was wir ihnen bis Juli bieten können." Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) wollte noch keinen Termin nennen, zu dem die anderen Jahrgangsstufen wieder zurück an die Schulen kommen.
Söder mit Regierungserklärung am Freitag
Am Freitag wird sich erneut der Bayerische Landtag im Rahmen einer Sondersitzung mit den Corona-Beschlüssen befassen. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hält dazu eine Regierungserklärung, im Anschluss folgt die Landtagsdebatte. BR24 überträgt im Livestream ab 12.55 Uhr.
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