Corona hat seinen Schrecken in weiten Teilen verloren: Dieses Jahr besorgt Sars-CoV-2 die Infektiologen vor dem größten Volksfest der Welt nicht mehr, als alle übrigen Erkältungskrankheiten. Obwohl die Corona-Kurve in Bayern auf niedrigem Niveau wieder leicht ansteigt, sehen Fachleute in der Entwicklung aktuell keinen Grund zur Beunruhigung. So sieht etwa der Leiter der Infektiologie des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München, Christoph Spinner, keine Notwendigkeit mehr, Sars-CoV-2 noch besonders herauszuheben.
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Und auch Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie des Schwabinger Klinikums, der Anfang 2020 die ersten Corona-Patienten in Deutschland behandelt hatte, sagt: "Das Infektionsgeschehen kann durch die Wiesn etwas angeheizt werden." Es sei aber anders als in den ersten beiden Pandemie-Jahren absolut vertretbar, das Volksfest wie früher zu feiern. "Die Wiesn wird nicht dazu führen, dass die Intensivstationen volllaufen."
"Wiesn-Grippe" ein bekanntes Phänomen
Jedoch bleibt die Wiesn mit ihrer bierseligen Enge voller Festzelte, zu der vom 16. September bis 3. Oktober rund sechs Millionen Gäste aus aller Welt erwartet werden, auch ein Hotspot für leicht übertragbare Erkältungskrankheiten und Krankheitskeime. Schon vor der Pandemie grassierte alljährlich kurz nach dem Anstich in München die sogenannte "Wiesn-Grippe", die zum Oktoberfest gehört wie die Maß Bier und das Hendl.
Impfung für Risikogruppen empfohlen - nicht nur gegen Corona
Obwohl Infektiologe Wendtner, in der Pandemie einer der Vorsichtigsten in der Diskussion um Corona-Schutzmaßnahmen, diesem Herbst und Winter erstmals einigermaßen entspannt entgegensieht, rät er dennoch – unabhängig von der Wiesn zur Impfung. Risikopatienten, Älteren und Gesundheitspersonal empfiehlt er, sich gegen Corona impfen zu lassen, ebenso gegen Grippe und unter Umständen auch gegen das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV).
Sowohl die Grippe als auch die RSV-Saison waren 2022 verhältnismäßig früh gestartet, im September und Oktober – genau zur Wiesn-Zeit. Mit einer Impf-Vorsorge für die Wiesn könnte es zeitlich aber knapp werden.
Für den Wiesn-Start kommt der Corona-Impfstoff zu spät
Der Grippe-Impfstoff soll bis Monatsmitte ausgeliefert werden. Die neuen Corona-Vakzine könnten laut Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ab 18. September in den Praxen sein - zwei Tage nach dem Oktoberfest-Start. Und bis nach einer Impfung ein wirksamer Schutz eintritt, vergeht mindestens eine Woche. "Wenn ich könnte, würde ich mich noch vor dem Oktoberfest gegen Influenza und Corona impfen lassen. Aber für einen Impfschutz rechtzeitig zur Wiesn wird es nicht reichen", sagt Spinner.
RS-Virus betrifft nicht nur Kleinkinder
Auch eine Rolle neben der Wiesn-Grippe könnte das RS-Virus spielen: Die Atemwegserkrankung ist im vergangenen Winter nach einer Krankheitswelle bei Kindern in den Fokus gerückt. Es trifft, so die Ärzte, aber keineswegs nur Kleinkinder, sondern auch Erwachsene. "Es ist sehr wahrscheinlich, dass RSV auch auf dem Oktoberfest eine Rolle spielen wird", sagt Spinner.
Wendtner warnt, das RS-Virus könne auch bei Erwachsenen schwere Verläufe auslösen. Die Zahl der Todesfälle aus den USA sei 2022 überraschend hoch gewesen. Zwei RSV-Impfstoffe sind inzwischen zugelassen – aber nur einer davon, "Arexvy", ist in deutschen Apotheken verfügbar. Die Ständige Impfkommission (Stiko) hat zudem noch keine Empfehlung ausgesprochen.
Hohe Corona-Inzidenzen nach der Wiesn 2022
In München und in drei der vier direkt angrenzenden Landkreisen lag wenige Tage nach dem Ende des Oktoberfestes im vergangenen Jahr die Sieben-Tagen-Inzidenz über 1.000. Die Stadt hatte eineinhalb Wochen nach dem Fest mit 1.481,3 eine der höchsten Inzidenzen in Bayern; Kliniken klagten wegen der steigenden Patientenzahlen und Personalausfällen über Probleme. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sagte damals, es habe für Corona-Auflagen keine rechtlichen Möglichkeiten gegeben - und es sei klar gewesen, dass die Infektionszahlen deutlich steigen würden.
Wiesn-Sanitätsstation: Gehen von Normalbetrieb aus
"Wir sind vorbereitet - auf alles, was passieren kann", sagt Michel Belcijan von der Wiesn-Sanitätsstation der Aicher-Ambulanz. Dazu gehörten auch Infektionskrankheiten. Desinfektion und Mundschutz stünden bereit. Aber: "Wir gehen dieses Jahr von einem Normalbetrieb aus." Die Wiesn-Ärzte wie auch umliegende Kliniken müssen seit jeher vor allem Alkoholräusche und Verletzungen durch Schlägereien oder Maßkrug-Scherben behandeln.
Die Affenpocken, die 2022 auch vor dem Oktoberfest Sorgen ausgelöst hatten, sind derzeit kein Thema. "Weltweit werden kaum mehr Fälle beobachtet. Offenbar ist es gelungen, die Infektionsketten zu unterbrechen", sagt Spinner. Das Virus sei schwerer übertragbar als Atemwegsinfektionen und erfordere direkten Kontakt mit Infizierten.
Die meisten Infektionen traten nach sexuellen Kontakten auf. Weil man sich auf der Wiesn, enthemmt durch die eine oder andere Maß Bier, leicht einmal näher kommt, waren im Vorjahr hier Infektionen befürchtet worden. Dies bewahrheitete sich jedoch nicht.
Mit Informationen von dpa.
Dieser Artikel ist erstmals am 11.09.2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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