Es ist Eiszeit im "Volkacher Dschungel": Die legendäre Musikkneipe, die Älteren an der Mainschleife noch als "Saustall" oder "Neue Heimat" bekannt ist, hat sich seit den 1990er Jahren kaum verändert. Thorsten Wozniak, heute Bürgermeister und CSU-Mitglied im wenige Kilometer entfernten Gerolzhofen, hat hier oft gespielt: mit seiner Rockband "A Felony", aber eben auch mit der Schüler-Punkband "EIS". Diese hatte er einst mit Freunden gegründet. Da war er 13 Jahre alt. Bis 1994 spielte "EIS" (laut Wozniak eine Abkürzung für "Elend in Süddeutschland") rund 50 Konzerte.
30 Jahre später kam die Idee auf, die Band für eine Geburtstagsfeier wieder auferstehen zu lassen. Die Feier fiel aus, aber die Musiker hatten beim Proben so viel Spaß, dass sie aus einigen alten und vielen neuen Liedern ein ganzes Album produzierten. "Dunkle Tiefen" wurde nun im Volkacher Dschungel erstmals öffentlich gespielt.
Schwarzes Hemd statt Nietenarmband
Auf der Bühne trug der 47-jährige Thorsten Wozniak keinen angeklebten Irokesenschnitt oder ein Nietenarmband, sondern ein schwarzes Hemd mit ebenso schwarzer Krawatte. Einzige Auffälligkeit: der dicke, schwarze Lidstrich unterm Auge und eine baumelnde Geldbeutel-Kette an der Hüfte. "Früher wäre es schön gewesen, wir hätten ein bisschen mehr Zeit und Mühe in die Texte verwendet. Und es gibt auch Zeilen, die konnte und will ich so nicht mehr singen. Die waren halt aus der Feder eines 13- oder 14-Jährigen", sagte Wozniak.
Zeitkritik und politische Texte
Auf einige neue Songs ist er aber sichtlich stolz. "Menschen verrecken in der Not, Kinder sterben Soldatentod, Trash-TV zum Abendspaß, in Deutschland wieder Judenhass", heißt es etwa zu Beginn von "Heile Welt". Es gehe aber auch um alltägliche Dinge, sagte Wozniak: "Dass wir manchmal auch im Hamsterrad feststecken, dass man sich Dinge nicht traut, die man gerne machen würde. Es geht auch um innere Zerrissenheit."
CSU und Punk – wie passt das zusammen?
Eine Frage bleibt: Wie passt die eigene Punkeinstellung zur Karriere eines hauptamtlichen Bürgermeisters, dazu noch in der christlich-konservativen CSU? Eine einfache Antwort könne er darauf nicht geben, so Wozniak. Natürlich seien er und die anderen Bandmitglieder inzwischen die klassischen Spießbürger mit Familie, Einfamilienhaus und Auto. "Aber es geht ja um die Haltung, um Toleranz und Meinungsfreiheit. Man kann ja auch das eigene Leben kritisieren. Wichtig ist, dass man versucht, manche Dinge zu verändern", erklärte der Bürgermeister.
Nach mehr als einer Stunde gab der komplett durchgeschwitzte "EIS"-Frontmann das Mikro ab. "Ihr wart das geilste Publikum seit Jahrzehnten", sagte er. Nun hat der Punk erstmal Feierabend, eine Fortsetzung ist aber nicht ausgeschlossen.
Dieser Artikel ist erstmals am 18. Dezember 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!