Die CSU hat ihr Wahlprogramm präsentiert. CDU und CSU kommen in Umfragen nicht richtig vom Fleck - trotz Ampel-Schwäche. Will die Union neben lautstarker Kritik an der Bundesregierung jetzt wieder mehr auf sachlichen Merkelstil setzen?
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Die CSU hat ihr Wahlprogramm präsentiert. Will die Union jetzt wieder mehr auf sachlichen Merkelstil setzen?

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CSU im Landtagswahlkampf: Mehr Merkel wagen?

Die CSU hat ihr Wahlprogramm präsentiert. In Umfragen kommen beide Unionsparteien trotz Ampel-Schwäche nicht vom Fleck. Das BR-Politikmagazin Kontrovers analysiert, ob die CSU neben scharfer Kritik am Bund wieder mehr auf sachlichen Stil setzen will.

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Mehr Ehre geht im Freistaat Bayern nicht. Am Mittwoch bekam Angela Merkel in der Münchner Residenz den Bayerischen Verdienstorden verliehen – überreicht von Markus Söder. Die langjährige CDU-Kanzlerin, geehrt vom CSU-Ministerpräsidenten. Sie freue sich über den Verdienstorden, sagte Merkel, wobei sie nicht verschwieg, dass das Verhältnis von Bayern zur Bundesregierung und auch das zwischen CDU und CSU "nie ganz spannungsfrei" gewesen sei. "Langweilig war es selten", sagte Merkel.

Nein, langweilig war Merkel vermutlich nicht, als ihr der damalige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer 2015 auf dem CSU-Parteitag eine Standpauke auf offener Bühne hielt und vehement eine Obergrenze für Geflüchtete forderte, was die Kanzlerin ablehnte. Und wahrscheinlich war auch das Frühstück in Wolfratshausen im Januar 2002 nicht langweilig, bei dem Merkel mit dem damaligen CSU-Chef Edmund Stoiber um die Kanzlerkandidatur der Union rang - an dessen Ende der bayerische Ministerpräsident den Vortritt bekam.

Söder poltert gegen die Ampel - oder muss man besser sagen polterte?

Langweilig ist auch eher keines der Attribute, die einem bei Markus Söders zuerst in den Sinn kommen. Gerade was Kritik am politischen Gegner angeht, gab sich Söder zuletzt alles andere als Merkel-like. Der Ampel-Regierung in Berlin warf er vor, nach dem "Stromchaos" nun den "Heizhammer" auszupacken. Er fragte sich selbst öffentlich, warum man bei einem Prozent Veganer "krampfhaft versucht 99 Prozent umzuerziehen". Oder noch umfassender: "Ein Teil der politischen Klasse redet so einen Unsinn und Schafscheiß."

Poltern gegen die Ampel im Allgemeinen, gegen die Grünen im Speziellen und besonders oft und gern gegen "Wokeness" - das ist Söders Wahlkampf. Oder zumindest war er das bis Anfang dieser Woche. Da präsentierte die CSU nämlich ihr Wahlprogramm, beziehungsweise "Regierungsprogramm", wie sie es selbst nennt. Und darin ist ein "Kulturkampf" gegen linksgrüne Wokeness auf einmal kein großes Thema mehr. "Meine Aufgabe als Ministerpräsident ist es auch, das Land zusammenzuhalten und die Demokratie, in dieser wackligen und nervös aufgeregten Zeit", sagte Söder.

"Wer kopiert, der verliert" - Söder gibt sich geläutert

Der CSU-Chef klang ruhig, fast schon milde - ein neuer Markus Söder? Es wäre zumindest nicht das erste Mal, dass sich der Ministerpräsident in seiner politischen Laufbahn neu erfindet. Womöglich hat die veränderte Tonalität auch mit der Demo am 10. Juni in Erding zu tun. Dort wurde Söder trotz seiner scharfen Kritik an der Ampel und deren Heizungsplänen lautstark ausgebuht. Seinen Stellvertreter Hubert Aiwanger (Freie Wähler) bejubelte die Menge hingegen für die Aussage, dass jetzt der Punkt erreicht sei, "wo endlich die schweigende große Mehrheit dieses Landes sich die Demokratie wieder zurückholen muss".

Bei dieser Tonlage winkt Söder ab. Nach einem wochenlangen Überbietungswettbewerb mit Aiwanger bei Wahlkampfauftritten, gibt sich Söder nun geläutert. "Wichtig ist, sich nicht anzubieten", sagte Söder. "Wer kopiert, der verliert." Und weiter in Richtung seines Koalitionspartners: "Wenn die Freien Wähler den Platz der Mitte verändern wollen, wenn Sie sich in eine neue Richtung aufmachen, dann ist es ihre Entscheidung."

Die Schwesterpartei CDU streitet offen über Kurs und Stil

Es hat über eine Woche gedauert, bis sich Markus Söder zu den Ereignissen in Erding äußerte. Für Politikwissenschaftler Stefan Wurster waren die Anfeindungen gegen den Ministerpräsidenten mit Blick auf die Zusammensetzung des Publikums nicht gänzlich überraschend: "Man hätte das schon erahnen können." Söder habe nochmal ein klares Zeichen gegen die Bundesregierung setzen wollen: "Ob sich das dann aber für ihn und für die CSU tatsächlich ausgezahlt hat, ist zumindest umstritten", sagte Wurster dem BR-Politikmagazin Kontrovers.

Die lauten Angriffe gegen die Ampel haben laut Umfragen wenig gebracht. Die CSU verharrt bei rund 40 Prozent, einen großen Sprung nach vorne gab es nicht. Und auch die Schwesterpartei CDU kommt nicht wirklich voran. Sie streitet deshalb seit ihrem Grundsatzkonvent am vergangenen Wochenende offen über Kurs und Stil - vor allem Parteichef Friedrich Merz und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst. Letzterer findet Kritik am Heizungsgesetz richtig, mahnt aber auch, man müsse in der "Wortwahl bürgerlich bleiben". Merz hingegen will Probleme adressieren "mit Formulierungen, die nicht jedem gefallen". Das sei nicht gleich rechts, rassistisch oder AfD-Sprech.

CSU-Basis unschlüssig über beste Wortwahl

Kritik an der derzeit unbeliebten Bundesregierung wird sicher auch die CSU weiter anbringen - die Frage ist, in welchem Umfang und in welcher Tonlage. CSU-Generalsekretär Martin Huber sieht die Schuld für das derzeitige Hoch der AfD vor allem in Berlin: "Eine Ampel, die meilenweit an der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbeiregiert, muss sich auch überlegen, welchen Teil der Verantwortung sie trägt", sagt Huber auf dem Sommerfest der CSU-Basis in Burgkirchen in dieser Woche.

Aber wie scharf darf das CSU-Vokabular bei den Angriffen auf die Ampel ausfallen, ohne AfD-Parolen salonfähig zu machen? Die Basis macht sich durchaus Gedanken. "Natürlich fördern wir den Protest, wenn wir draufhauen", sagt ein Anwesender. Aber: "Sollen wir einfach so tun, als ob alles passt? Ich sage nein. "Eine Parteifreundin findet, vielleicht sei ein “bisschen ruhiges Fahrwasser auch nicht verkehrt". Sie könne sich beides vorstellen. Ganz sicher sind sie sich nicht in Burgkirchen. Was ist besser: Harte Kante oder staatstragende Mäßigung?

Seine Wahlkampfstrategie 2018 bezeichnet Söder heute als Fehler

Politikwissenschaftler Stefan Wurster hält die aktuelle Debatte aus Sicht der Union für entscheidend: "In der Forschung zeigt sich ganz deutlich, dass konservative Parteien, die zu stark nach rechts rücken, in den letzten Jahren daraus keine Vorteile gezogen haben." Söder hat das am eigenen Leib erfahren. Dass er bei der Landtagswahl 2018 mit Wörtern wie "Asyltourismus" versucht hatte, Stimmen von der AfD zu gewinnen, bezeichnet er seit längerem als Fehler.

Möglicherweise hat sich Söder nach Erding wieder einer verstärkt sachlichen Konfrontation verschrieben. Die Frau, der er am Mittwoch den Bayerischen Verdienstordner verlieh, hat damit immerhin vier Bundestagswahlen gewonnen. Ob Söder in diesem Wahlkampf aber noch zum ruhigen Stil einer Angela Merkel findet? "In der Ruhe liegt die Kraft", sagte Söder bei seiner Laudatio auf die frühere Kanzlerin. Er selbst arbeite immer noch an diesem Konzept, sei da aber weiter wie früher. Und in die lobenden Worte für die Kanzlerin, mischen sich auch ein paar kritische Untertöne bei Söder. Denn auch im Verhältnis zur ehemaligen Kanzlerin gilt es für die Union jetzt, das richtige Maß zu finden.

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