Nach dem Verbot des Fußballverbands UEFA, die Münchner Arena heute Abend beim EM-Spiel Deutschland gegen Ungarn regenbogenfarben zu beleuchten, soll stattdessen an vielen anderen Stellen in der Stadt ein buntes Zeichen für Vielfalt und Toleranz gesetzt werden. Für den Bayerischen Landtag gilt das nicht: Im Ältestenrat gab es am Vormittag nicht die Zustimmung aller Fraktionen, das Parlament von außen entsprechend zu beleuchten oder Regenbogen-Flaggen zu hissen.
In der Debatte im Ältestenrat äußerten sich die Vertreter von CSU und AfD ablehnend - eine formale Abstimmung gab es nicht. Konkret ging es um einen Antrag der SPD, die gefordert hatte, das Landtagsgebäude in München von außen mit den Regenbogenfarben zu beleuchten. Auch eine Regenbogen-Beflaggung sei vorstellbar, betonten die Sozialdemokraten dabei.
Mehring stichelt gegen "vermeintlich neue CSU"
Besonders die ablehnende Haltung der CSU stößt bei den Befürwortern der Aktion auf Kritik. Für den Koalitionspartner, die Freien Wähler, teilt der parlamentarische Geschäftsführer Fabian Mehring mit: "Damit verstreicht auch die Chance ungenutzt, Ungarns zweifelhaftem Machthaber zu zeigen, was eine vermeintlich 'neue CSU' vom heutigen Gebaren ihres früheren Ehrengastes hält."
Mehring kritisiert, dass die UEFA "ihrer Zeit knapp ein Jahrhundert hinterherhinkt und dringend ihr Verhältnis zu Korruption, Grund- und Menschenrechten klären muss". Bayern sei dagegen ein "moderner und weltoffener Freistaat". Das heute Abend auch am Landtagsgebäude zu dokumentieren wäre laut ihm "ein kraftvolles Statement aus der Herzkammer unserer Demokratie in alle Welt gewesen, das ich mir sehr gut hätte vorstellen können".
- Zum Artikel "Regenbogen-Aktionen: So trotzt München der UEFA-Entscheidung"
Aigner: "Flagge in den sozialen Medien"
Landtagspräsidentin Ilse Aigner, selbst bei den Christsozialen, äußert sich auf BR-Anfrage nicht konkret zur Haltung der CSU-Fraktion. Sie betont aber, dass der Regenbogen für Toleranz und gelebte Vielfalt stehe. "Toleranz ist ein Pfeiler der Demokratie - dafür stehe ich als Landtagspräsidentin ein. Wenn die UEFA heute die Illumination der Arena verbietet, zeige ich eben Flagge in den sozialen Medien!"
Söder: "Signal für eine moderne Demokratie"
Am Dienstag hatte auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) verständnislos auf das Verbot der UEFA regiert. "Ich finde es enttäuschend und eigentlich auch nicht angemessen", sagte Söder dem BR. Die UEFA-Entscheidung bezeichnete er als "Zurückziehen, als Ängstlichkeit" vor einer klaren Haltung. Europa stehe für Freiheit und gegen Diskriminierung. "Die Regenbogenfarbe gerade in diesem Zusammenhang ist ein Signal für Freiheit und für eine moderne Demokratie", betonte der CSU-Chef.
Die Landtags-SPD hatte ihren Antrag auch mit den Worten Söders begründet. Die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Simone Strohmayr, betonte am Dienstagabend, der Ministerpräsident habe die Entscheidung der UEFA kritisiert. Da die UEFA vor der "menschenfeindlichen Politik Viktor Orbáns" eingeknickt sei, müsse nun der Landtag ein deutliches Signal setzen. Nach der Debatte im Ältestenrat sagt SPD-Fraktionschef Florian von Brunn: Mit der Ablehnung werde das Bedauern von Ministerpräsident Söder über die Entscheidung der UEFA unglaubwürdig.
Regenbogenfahne an der Staatskanzlei
Söder kündigte am Abend allerdings via Twitter an, dass an der Staatskanzlei eine Regenbogenfahne gehisst werde. Auch trägt er als Zuschauer beim EM-Spiel eine bunte Maske.
Kreuzer: "Aus unserer Sicht nicht zu leisten"
CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer erklärt auf BR-Anfrage auf den Landtag, er habe keinen Präzedenzfall schaffen wollen. "Denn der Landtag würde in der Folge mit Sicherheit regelmäßig gebeten werden, für viele berechtigte Anliegen Flagge oder Farbe zu zeigen", sagt Kreuzer. "Hier für jeden Einzelfall eine Abwägung zu treffen und einen Konsens zu finden, ist aus unserer Sicht nicht zu leisten." Im Stadion wäre die Illumination laut dem CSU-Politiker "eine einmalige Sache" gewesen.
Aus der AfD-Fraktion heißt es, der Landtag sei "weder dafür geeignet noch dafür zuständig, Botschaften von Lobbygruppen nach außen zu tragen oder gar von diesen politisch vereinnahmt zu werden". Das teilt der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Christoph Maier, auf BR-Anfrage mit. Der Landtag biete innerhalb der dafür vorgesehenen Institutionen ausreichende Möglichkeiten für breite gesellschaftliche Debatten.
Auch Grüne und FDP enttäuscht über Regenbogen-Entscheidung
Enttäuscht zeigt sich derweil auch die Grünen-Fraktion. Laut Jürgen Mistol, parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen, hätte eine Beflaggung des Landtags ein Zeichen für einen toleranten Umgang miteinander setzen können.
Auch die Landtags-FDP war dafür, am Landtag mit den Regenbogenfarben ein Statement zu setzen. Über die ablehnende Haltung der CSU sei er enttäuscht, betont Matthias Fischbach, parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion, auf BR-Anfrage. Er spricht von einer "Gratis-Mut-Mentalität" Söders, wenn die CSU ihre Regenbogen-Forderung für das Stadion dann für den Landtag nicht umsetzen wolle. Die Christsozialen hätten ihre Orbán-Vergangenheit wohl doch nicht ganz abgelegt, erklärt der FDP-Politiker.
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