Dorothea Grünfeld war 1941 gerade einmal acht Jahre alt. Mit ihren Eltern Max und Irma und ihrem zwei Jahre jüngeren Bruder Norbert lebte das Mädchen in Würzburg. Wie alle anderen erhielt auch die Familie Grünfeld 1941 ein Merkblatt der Gestapo bezüglich der "Evakuierung": Am 27. November 1941 sollten sie samt Gepäck zum Güterbahnhof kommen. Die Familie zählte zu den 202 Menschen, die heute vor 83 Jahren von Würzburg aus deportiert wurden. Nur wenige überlebten. Recherchiert hat Dorotheas Schicksal der Würzburger Verein "Denkort Deportationen".
Kosten für Deportation zahlten die Jüdinnen und Juden
In dem Merkblatt wurde der Familie außerdem mitgeteilt, dass ihr gesamtes Vermögen beschlagnahmt ist und sie eine Aufstellung ihres Vermögens anzugeben hatten. Sie mussten sich mit Marschverpflegung ausrüsten, die für mindestens drei Wochen ausreichend sein sollte. Die Transportkosten von 60 Reichsmark mussten sie selbst zahlen.
"Das waren Menschen, mit denen die Würzburger zusammengelebt haben. Nachbarn, Kollegen, die Menschen, wo ich eingekauft habe", erzählt Angelika Wagner von der Gemeinschaft Sant'Egidio. Sie organisiert in Zusammenarbeit mit der Israelitischen Kultusgemeinde die jährliche Gedenkveranstaltung am Würzburger Hauptbahnhof.
Nationalsozialisten verschleppten mehr als 2.000 Menschen
Die achtjährige Dorothea wurde zusammen mit ihrer Mutter und den Geschwistern ihrer Mutter ins Lager Riga-Jungfernhof deportiert. Das liegt im heutigen Lettland. Sie starb wie ihre Mutter vermutlich im Winter 1941 an den Folgen von Hunger und extremer Kälte oder wurde ein Opfer der Massenerschießungen im Wald von Bikernieki am 26. März 1942. Von den 202 Menschen, die am 27. November 1941 deportiert wurden, überlebten nur 16. Insgesamt verschleppten die Nationalsozialisten 2.069 Jüdinnen und Juden aus ganz Unterfranken. Nur 63 von ihnen überlebten.
Gedenkveranstaltung erinnert an Opfer
Heute vor 83 Jahren wurde die erste größere Gruppe Jüdinnen und Juden aus Unterfranken deportiert. Der Schweigemarsch durch Würzburg ist an diesem 27. November fest in der Erinnerungskultur der Stadt verankert. Angelika Wagner von Sant Egidio hat aber auch andere Ideen, um an die Opfer zu erinnern: Die David-Schuster-Realschule in Würzburg entwickelt zur Zeit eine App zu den Stolpersteinen. "Und auf einmal beschäftigen die Jugendlichen sich mit den Geschichten der Opfer. Auf einmal werden das Personen, Menschen mit Familien – das ist ganz entscheidend."
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