Das Deutsche Herzzentrum war vor 50 Jahren die erste Ein-Organ-Klinik Europas. Prof. Markus Krane, Chef der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie, erklärt die Idee dahinter: für ein Organ alles unter einem Dach zu haben. Ein äußerst effizientes Konzept bis heute.
Deutsches Herzzentrum München: Spezialisierung und enge Zusammenarbeit
Im Deutschen Herzzentrum München, einem Zentrum mit internationalem Ruf, arbeiten Chirurgen und Kardiologen schon immer eng zusammen. Das ermöglicht Innovationen und sorgt für beeindruckende Leistungszahlen: Pro Jahr finden mehr als 3.100 Herzoperationen bei Erwachsenen und Kindern statt, 5.000 kardiologische Interventionen, dazu achthundert Katheteruntersuchungen bei Kindern, rund 1.000 Implantationen von Herzschrittmachern und Defibrillatoren und mehr als 2.100 elektrophysiologische Behandlungen von Herzrhythmusstörungen. Außerdem versorgen die Ambulanzen jährlich knapp 20.000 Erwachsene und Kinder.
Zu wenig Herz-OPs: Tod auf der Warteliste
Herz-Kreislauf-Erkrankungen waren bereits Ende der 1960er-Jahre in Deutschland Todesursache Nummer eins. Die Situation für Patienten aber war prekär: In Bayern waren Herz-OPs am offenen Herzen Anfang der 1970er-Jahre nur in den Universitätskliniken Erlangen und München möglich, insgesamt gerade einmal 1.300 Eingriffe pro Jahr. Immer wieder verstarben Patienten, weil sie nicht rechtzeitig operiert werden konnten.
Das änderte sich mit der Eröffnung des neuen Herzzentrums in München. 1974 begannen 80 Ärzte, 43 medizinisch-technische Assistenten, 170 Pflegekräfte, ein Mediziningenieur, ein Informatiker und zwei Kindergärtnerinnen in einem ehemaligen Militärlazarett und einem neueren Bau mit großzügigen OP-Sälen ihre Arbeit. Heute arbeiten im 1996 eröffneten Neubau insgesamt 1.400 Beschäftigte, darunter 250 Ärztinnen und Ärzte und mehr als 600 Pflegekräfte.
Erfolge der Herzmedizin: Weniger Todesfälle, bessere Prävention
Das Deutsche Herzzentrum München ist federführend eingebunden in viele internationale Forschungsprojekte und hat maßgeblichen Anteil an wichtigen Entwicklungen wie zum Beispiel schonendere und effizientere OP-Techniken, neuartige 3D-Bildgebungs- und Laboranalyseverfahren und Forschung, die zu einem besseren Verständnis vieler Herzerkrankungen führte.
Behandlungs- und Präventionskonzepte der Herzmedizin haben sich in den letzten Jahrzehnten dadurch grundlegend gewandelt. Mit großen Erfolgen: Lag die Sterblichkeit bei akutem Herzinfarkt Anfang der 1970er-Jahre noch bei über 40 Prozent, ist sie heute auf zwei bis drei Prozent gesunken. Inzwischen wurden, so Prof. Heribert Schunkert, Direktor der Klinik für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, auch genetisch bedingte Herzinfarktrisiken gefunden. In Zukunft können durch ein Screening im Kindesalter Risikopatienten identifiziert und präventiv behandelt werden. Auch Menschen mit angeborenen Herzfehlern profitieren von den Entwicklungen.
Kinderherz-Chirurgie: Noch junges Fachgebiet
OPs mit Herz-Lungen-Maschine bei Neugeborenen und Kleinkindern waren vor wenigen Jahrzehnten noch unmöglich. Das Fachgebiet der Kinderherzchirurgie gibt es erst seit Beginn der 90er-Jahre. Mehr als 240 angeborene Herzfehler sind heute bekannt und alle können heute operiert werden, erklärt Prof. Jürgen Hörer, Direktor der Klinik für Chirurgie angeborener Herzfehler und Kinderherzchirurgie.
Das Team der Kinderherzchirurgen ist an zwei Zentren tätig: im Deutschen Herzzentrum München und dem Klinikum der Universität München. Mehr als 90 Prozent aller mit Herzfehler geborenen Kinder überleben und erreichen das Erwachsenenalter, viele erlernen einen Beruf und gründen Familien. Entscheidend tragen dazu die bisher über 20.000 Neugeborenen-Noteinsätze des Deutschen Herzzentrums mit der Berufsfeuerwehr München bei.
Kardiologie: Mehr Interventionen, weniger Herz-OPs
Herzmedizin ohne Herzkathetertechnik ist heute undenkbar. Der Siegeszug der Stents begann in den 90er-Jahren. Selbst Herzklappen können damit in sogenannten hybriden Operationen implantiert werden, wie bei der minimalinvasiven Transkatheter-Aortenklappen-Implantation, kurz TAVI.
Die elektrophysiologische Ablations-Kathetertherapie von Herzrhythmusstörungen wird seit kurzem durch Künstliche Intelligenz noch effektiver. In der Kinderkardiologie seien, so Prof. Peter Ewert, Direktor der Klinik für Kinderkardiologie und angeborene Herzfehler, Kathetereingriffe ein besonders faszinierendes Therapiefeld. Viele Interventionen werden ambulant durchgeführt und ersparen kleinen Patienten aufwändige Operationen.
Herausforderung: Mehr Patienten und die alternde Gesellschaft
Im Deutschen Herzzentrum ist der demografische Wandel deutlich spürbar: Zahl und Alter der Patienten steigen. In der Klinik für Herzchirurgie werden heute viele über 80-jährige, oft mehrfach vorerkrankte Patienten, operiert.
Die Sicherheit leidet dabei aber nicht, erklärt Prof. Markus Krane. Denn immer mehr werde minimalinvasiv, wenn möglich katheterbasiert und körperschonender operiert. Trotzdem steigen die Wartezeiten geplanter Operationen in den letzten Jahren wieder an, denn die Klinikkapazitäten sind begrenzt. Mehr OP-Säle und die entsprechende Infrastruktur, so Markus Krane weiter, könnten doppelt so viele Operationen ermöglichen.
- Zum Artikel: "Operation oder Stent - Was hilft bei einem Herzinfarkt?"
Im Video (Archiv): Patient wartet monatelang auf Spenderherz
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