Weil er die Eltern seiner Freundin im Schlaf erstochen hat, muss ein 19-jähriger Mann aus dem Landkreis Bayreuth für 13 Jahre und sechs Monate ins Gefängnis. Seine Freundin, die 17-jährige Tochter des getöteten Arztehepaars aus Mistelbach bei Bayreuth, erhielt eine Gefängnisstrafe von neuneinhalb Jahren. Dieses Urteil hat das Landgericht Bayreuth am Montagmittag verkündet und folgte damit den Anträgen der Staatsanwaltschaft, die aufgrund der massiven Messerstiche durch den 19-Jährigen eine besondere Schwere der Schuld als erwiesen sah.
Doppelmord an Ärztepaar: "Gehirn und Reflexe ausgehebelt"
Der junge Mann hatte ein umfangreiches Geständnis abgelegt ."Er bereut die Tat zutiefst", betont sein Verteidiger nach der Urteilsverkündung. Ausgangspunkt sei die "unheilvolle Beziehung" des jungen Manns zu der Tochter des Ehepaars gewesen. "Sie hat sein Gehirn und seine Reflexe ausgehebelt", so Verteidiger Hilmar Lampert. Der Verteidiger der Tochter äußerte sich nicht.
Das Gericht widersprach in der eineinhalbstündigen Urteilsbegründung ausführlich der Darstellung des Verteidigers der Tochter: Er hatte Freispruch für die Jugendliche gefordert, weil ihr keine Beteiligung an der Tat nachgewiesen werden könne. Doch das Gericht sah es nach zwölf Verhandlungstagen als erwiesen an, dass die Tochter die Initiatorin des Doppelmords gewesen sei.
Richterin: Ohne Tochter keine Tat
"Ohne sie hätte es die Tat nicht gegeben", so die Vorsitzende Richterin. Sie habe schon Monate vorher immer wieder gegenüber Freunden erklärt, dass sie ihre Eltern so hasse, dass sie sie töten wolle. Den endgültigen Tatplan habe sie dann Anfang Januar 2022 gemeinsam mit ihrem Freund, der mit in dem Familienhaus lebte, gefasst und ihm unter anderem die Sturmmaske und die Stirnlampe gegeben, mit der er sich nachts in das Zimmer der schlafenden Eltern geschlichen hatte.
Die Urteilsverkündung fand am Montag unter großem Interesse der Öffentlichkeit statt, zahlreiche Zuschauerinnen und Zuschauer standen bereits Stunden vor Beginn vor dem Gerichtssaal an. Der Platz reichte nicht aus. Zuschauer und Medien waren bei dem Prozess, in dem 33 Zeuginnen und Zeugen sowie vier Sachverständige gehört wurden, bereits kurz nach dem Auftakt im Oktober 2022 ausgeschlossen worden. So sollten die beiden jungen Angeklagten möglichst frei und unbefangen aussagen können, erklärte die Richterin heute.
"Noch nie so viele Tränen wie in diesem Prozess"
Der Doppelmord an dem Elternpaar aus Mistelbach sei bis heute eine unfassbare Tat, erklärte die Juristin mehrfach. Die Verhandlungstage seien eine "hohe emotionale Belastung" gewesen, die viele Beteiligte an ihre Grenzen gebracht hätte. "In diesem Saal des Bayreuther Gerichts sind noch nie so viele Tränen geflossen wie in diesem Prozess", erklärte sie wörtlich. Im Gerichtsaal saßen auch erwachsene Angehörige der getöteten Eltern als Nebenkläger.
Die Richterin zeichnete heute ein schonungsloses Bild der Tochter. Ihr Verhalten während des Prozesses sei eigensüchtig und manipulativ gewesen und sie habe keine Empathie für ihre drei minderjährigen Geschwistern gezeigt, die durch sie zu Vollwaisen wurden. Das Mordmotiv sei der "anlasslose, übertriebene Hass" der pubertierenden Tochter gewesen.
Mutter wollte wegen Tochter Selbstverteidigung erlernen
Die älteste von vier Kindern des Ärzteehepaars, die eine Hochbegabtenklasse besucht habe, hätte seit Sommer 2021 fast täglich Konflikte mit ihren Eltern gehabt, habe die Schule geschwänzt und trotz Zugeständnissen von ihren Eltern alle Vorgaben ignoriert. Die Eltern hätten auch das Jugendamt um Hilfe gebeten, die Mutter habe aus Angst vor ihrer Tochter einen Selbstverteidigungskurs belegen wollen.
Die Vorwürfe der Tochter, die Eltern hätten sie massiv geschlagen und zu hohe schulische Leistungen erwartet, haben sich im Prozess nicht bestätigt, betonte die Richterin.
16-Jährige soll vor Mord im Internet recherchiert haben
Während der Freund sich bereits wenige Stunden nach der Tat im Januar 2022 nach einer kurzen Flucht der Polizei stellte, bestritt die Tochter ihre Tatbeteiligung. Doch von ihr sei die Initiative ausgegangen, betonte die Richterin. Sie habe ihren Freund dazu gebracht, dass dieser nachts mit einem Messer brutal erst den schlafenden Vater und dann die Mutter niederstach und sie habe den Geschwistern, die durch die panischen Schreie der Mutter wach geworden waren, die Telefone abgenommen, damit sie keinen Notruf absetzen konnten.
Wenige Stunden vor der Ermordung ihrer Eltern habe sie im Internet recherchiert, ob man auch als 16-Jährige allein im Elternhaus leben könne, wenn die Eltern verstorben seien, erklärte die Richterin.
Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig – die Verteidiger der beiden Angeklagten können innerhalb von einer Woche Revision einlegen.
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