"Ich habe an meine Privatadresse ein Briefkuvert ohne Absender bekommen, es war ein bisschen dicker. Solche Briefe mache ich grundsätzlich vorsichtig auf", sagt Hubert Endhardt. Er sitzt für die Grünen im Kreistag des Landkreises Ostallgäu. Im Brief befand sich ein kleines AfD-Werbegeschenk mit Fruchtgummis in Flugzeugform. Die Aufschrift auf dem Tütchen: "Zeit für den Flieger. Zeit für Deutschland."
Grünen-Kreisrat: "Einschüchterungsversuch"
Sonst befand sich in dem Kuvert nichts. Und genau deswegen empfindet Endhardt den Brief als Bedrohung und Einschüchterungsversuch. "Ich bin seit 35 Jahren im Kreistag aktiv und engagiere mich auch in der Flüchtlingsarbeit, habe die Demo 'Füssen ist bunt' organisiert. Ich exponiere mich also in der Öffentlichkeit gegen rechte Denke." Der Brief sei für ihn die Botschaft: "Wir wissen, wo du wohnst. Wir brauchen dich hier nicht", sagt Endhardt.
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Neben dem Grünen-Politiker haben auch Markus Rundt, Sprecher der Füssener Initiative "Bündnis für Demokratie und Solidarität", sowie Georg Grimm, Mitglied der Füssener SPD, die gleichen Briefe am vergangenen Samstag (25.01.) erhalten. Zunächst hatte die Allgäuer Zeitung [Externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt] berichtet.
Staatsschutz ermittelt nach Drohbrief
Hubert Endhardt hat Anzeige bei der Polizei erstattet. Da die Briefsendung politisch motiviert sein könnte, liegt der Fall nun beim Fachkommissariat Staatsschutz in Kempten. Das bestätigte das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West. Brief und Fruchtgummi werden nun auf Spuren und Fingerabdrücke untersucht. Ob ein Verdächtiger ermittelt werden kann? Schwierig, aber nicht unmöglich, heißt es seitens der Polizei. Die AfD-Gummibärchen in Fliegerform könne man sich bestellen, somit habe jeder darauf Zugriff, sagt Hubert Endhardt.
AfD-Kreisverband "missbilligt" die Aktion
Der BR hat den AfD-Kreisverband Ostallgäu/Kaufbeuren um eine Stellungnahme zu den Briefen gebeten. Bei der Veröffentlichung dieses Artikels stand die AfD-Antwort noch aus. Inzwischen hat der erste Vorsitzende Wolfgang Dröse schriftlich reagiert: "Mir ist nicht bekannt, wer das gewesen sein könnte. Ich möchte da auch nicht spekulieren", teilte Dröse mit. "Ich finde, man sollte hart in der Sache, aber verbindlich im Ton bleiben. Von daher missbillige ich die Aktion. Das gleiche würde ich mir auch von allen anderen Parteien wünschen, wenn Mitglieder der AfD unter der Gürtellinie attackiert werden."
AfD-Kritiker wollen sich nicht einschüchtern lassen
Hubert Endhardt jedenfalls ist an die Öffentlichkeit gegangen und will mit seiner Anzeige ein Zeichen setzen. "Damit möchte ich anderen, die Ähnliches erleben, Mut machen. Ich lasse mir so etwas nicht gefallen", sagt der Ostallgäuer Kreisrat.
Ähnlich äußert sich Markus Rundt. "Ich engagiere mich für die Demokratie, stehe in der Öffentlichkeit, darum bin ich nicht schockiert, mit sowas ist zu rechnen. Aber wenn so etwas in jetziger Zeit ohne Absender kommt, dann ist das eine latente Bedrohung", sagt der Sprecher der Füssener Initiative "Bündnis für Demokratie und Solidarität". Er habe immer wieder kritisch Stellung zur AfD bezogen und werde das auch weiterhin tun, er lasse sich von solchen Aktionen nicht einschüchtern.
Allgäuer SPD-Politiker bekommt erneut einen Brief
Auch Georg Grimm hat einen anonymen Brief bekommen. Nur bei ihm fehlten die Fruchtgummis, das Kuvert sei an der Seite aufgeschlitzt gewesen. Grimm sitzt im Vorstand der SPD Füssen und arbeitet als Gymnasiallehrer. Auch er setzt sich öffentlich gegen Rechtsextremismus ein.
Vergangenes Jahr habe er Schülerinnen und Schüler zu einer Demo für Demokratie und Vielfalt in Füssen zum Holocaust-Gedenktag eingeladen, und "das ist mir um die Ohren geflogen", sagt Grimm. Schon damals habe er kurz danach einen anonymen Brief bekommen, in dem sich AfD-Infomaterial befunden habe zum Thema "Remigration". Der Brief damals, den er aufbewahrt hat, und auch der Brief jetzt hätten beide den gleichen Adressaufkleber mit derselben Schriftart. "Ich gehe deswegen davon aus, dass der Absender dieselbe Person ist", sagt Grimm. Angst habe er nicht, aber dennoch wühle es ihn auf. Er werde genau wie die anderen beiden Betroffenen weitermachen, darum habe er sich nun erstmals öffentlich zum Brief geäußert. Anzeige habe er aber nicht erstattet.
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