"Mir geht es gut soweit. Nervös bin ich jetzt nicht", sagt Bilal Fani (Name geändert) - ein Mann Mitte 30. Er trägt einen gepflegten Vollbart. Die regelmäßigen Besuche im Fitnessstudio sind ihm anzusehen. Bilal Fani war bis Frühjahr 2014 mehrere Monate bei einer Al-Kaida-nahen Terrorgruppe in Syrien. Nach seiner Haftentlassung hat er nun in einem Supermarkt bei München ein Vorstellungsgespräch. Ein Job wäre wichtig, um in einen geregelten Alltag zurückzufinden. Das ist gar nicht so einfach.
Immer wieder wird Bilal Fani emotional zurückgeworfen. Er fühlt sich als Terrorist abgestempelt. Und das, obwohl er in einem staatlich geförderten Aussteigerprogramm ist. Was ihm fehlt, sei eine professionelle psychologische Betreuung, sagt er.
"Es gibt Psychologen. Aber die sind nicht geschult für Leute, die aus dem Krieg kommen und bei dschihadistischen Gruppen waren." Bilal Fani
Umfangreich ausgepackt vor Gericht
Bilal Fani hat afghanische Wurzeln und ist in München aufgewachsen. In Wirklichkeit heißt er anders. Er will, dass sein echter Name nicht mehr in Verbindung gebracht wird mit seiner Vergangenheit. 2015 wurde er zu elf Jahren Haft verurteilt - wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und wegen Beihilfe zum versuchten Mord. Unter anderem war er dabei, als seine Gruppe versuchte, das Zentralgefängnis von Aleppo zu stürmen. Über seinen Prozess in Deutschland wurde damals viel berichtet. Bilal Fani ist einer der ersten Syrien-Kämpfer, der sich vor Gericht verantworten muss.
Und er ist auch für Sicherheitsbehörden und Forscher interessant, weil er so viel über die Al-Kaida-nahe Terrrogruppe preisgibt. Deshalb gilt Fani in der Dschihadisten-Szene als Verräter. Salafismus, sagt er heute, sei für ihn eine dreckige Ideologie, die einer Gehirnwäsche gleiche.
Ex-Dschihadist Bilal Fani begeistert vom Supermarkt-Leiter
Die Behörden trauen dem Ex-Dschihadisten zu, dass er zurück in seiner alten Heimat Fuß fassen kann. Im Gefängnis hat Bilal Fani Buchbinder gelernt. Eigentlich möchte er schon im Dezember eine Umschulung zum Informatiker starten. Aber um die Zeit zu überbrücken, wolle er jobben, sagt er. Auch um zu verhindern, dass er zu viel über seine Vergangenheit nachdenke und ihm langweilig werde. Nach einer halben Stunde kommt Bilal Fani zurück vom Vorstellungsgespräch mit dem Supermarkt-Leiter:
"Er sagt: Ich bin ihm sympathisch, war er mir auch. Eine coole Situation ehrlich gesagt. Er hat mir auch die Chance gegeben, hier was reißen zu können. Das ist schon ein anderes Level, hat mich begeistert." Bilal Fani
Ob er den Job bekommt, weiß Bilal Fani zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Aus Übergangswohnheim geflogen
Noch Anfang des Jahres war er in der Justizvollzugsanstalt Straubing inhaftiert. Damals berichtete er uns, dass er nach seiner Freilassung im Bodelschwingh-Haus unterkommt, ein Übergangswohnheim für haftentlassene Männer am Münchner Hauptbahnhof - eine Gegend, die er gut kennt. Dort habe er sich radikalisiert. Er zweifelte, ob es gut sei, an diesen Ort zurückzukehren.
Gut zwei Monate nach seiner Haftentlassung fliegt der Ex-Dschihadist aus der Einrichtung. Nach seinen Worten wollte er nach 24 Uhr verbotenerweise eine Person auf sein Zimmer mitnehmen. Der Pförtner verweigerte ihm den Schlüssel. Bilal Fani schlug daraufhin auf die Corona-Schutzscheibe. "Die hat einen kompletten Riss gekriegt, 'nen komplett Bruch bekommen", schildert er.
Fani: Zu viele Ex-Knackis auf einem Fleck
Das Übergangswohnheim kann sich aus Datenschutzgründen nicht zum Fall äußern. Es heißt aber, dass schon mehr als eine Sache vorgefallen sein muss, wenn jemand aus der Einrichtung fliegt. Bilal Fani sagt, er sei frustriert gewesen - von der dreckigen Einrichtung und von den Bewohnern. Zu viele Junkies und Extremisten seien dort auf einem Fleck.
"Die Konstellation passt nicht. Ich habe Nachbarn getroffen bei mir dort, die ehemalig aus meiner Szene waren, selber Salafisten waren und das ganze Ambiente. Die haben sich jetzt auch distanziert, so wie es aussieht. Aber trotzdem. Es wundert mich schon, dass man mich dahin steckt, wo ich eigentlich nie hinwollte." Bilal Fani
Bilal Fani will normale Menschen kennen lernen, eine Familie gründen.
"Und wenn man dann soziale Bindungen aufbauen möchte und dann in so eine Situation kommt, wo dann irgendwo ein Schnösel an der Tür meint, nein, aus dem und dem Grund lass ich dich einfach nicht rein, dann staut sich Frust auf. Es ist keine Aggression, aber es ist Frust. Und irgendwo muss der Frust raus." Bilal Fani
Fehler der Behörden?
Um Fälle wie Bilal Fani kümmert sich in Bayern die Nichtregierungsorganisation "Violence Prevention Network" (VPN) - gemeinsam mit dem Kompetenzzentrum Deradikalisierung im bayerischen Landeskriminalamt. Pädagoge Thomas Mücke ist VPN-Geschäftsführer. Ist es ein Fehler Fälle wie Bilal Fani an den Ort ihrer Radikalisierung zurückzuschicken?
"Eine Gefährdungssituation kann immer entstehen", sagt Mücke. Und er berichtet, dass man niemals ausschließen kann, dass jemand rückfällig wird. Seine Organisation betreute auch den aus der Haft entlassenen Islamisten, der in Dresden Mitte Oktober zwei Männer niedergestochen haben soll.
Dschihad-Rückkehrer Bilal Fani glaubt, dass er sich nicht mehr radikalisiert. Er wolle damit nichts mehr zu tun haben, sagt er. Fünf Jahre dauert seine Bewährungszeit. Jetzt hofft er auf eine Bleibe fern der alten Weggefährten.
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