Martin Greiner arbeitet seit 15 Jahren bei "der Dyneon", wie er und seine Kolleginnen und Kollegen sagen. Dort ist er auch im Betriebsrat. An seinem Job als Servicetechniker macht ihm vor allem Spaß, dass er nicht nur am Computer sitzt, sondern auch handwerklich ran muss – den Blaumann trägt, erklärt er und lacht. Die Ankündigung, dass Dyneon bis Ende 2025 schließen soll, war für ihn ein Schock. "Erschwerend war letztes Jahr der Zeitpunkt am 20. Dezember. Jeder war schon in Weihnachtsstimmung", erzählt Greiner.
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Bleiben oder gehen: eine persönliche Entscheidung
Mittlerweile habe er sich damit abgefunden, so Greiner weiter. Gemeinsam mit seiner Frau Pia habe er entschieden, dass er bis zum Schluss bei Dyneon arbeiten wird: "Ich habe das Glück, dass ich finanziell relativ gut abgesichert bin und meine Frau jederzeit wieder voll ins Berufsleben einsteigen kann. Das macht die Entscheidung für mich viel einfacher." Er könne aber auch verstehen, wenn Kollegen schlaflose Nächte hätten – gerade in seinem Alter, mit kleinen Kindern, vielleicht als Alleinverdiener. Momentan finde man in der Region zwar sehr gut Arbeit, aber es wisse ja niemand, was in zwei Jahren sei.
Generell sei die Reaktion auch jobabhängig, meint Greiner: "Bei den Produktionsmitarbeitern und den Schicht-Kollegen ist schon mehr Druck dahinter, nochmal im Job unterzukommen, glaube ich." Er habe die Entscheidung für sich getroffen und hinterfrage diese auch nicht täglich: "Wenn einen das immer im Alltag beschäftigt, dann sollte man sich fragen, ob man nicht doch abbrechen und was Neues suchen sollte, denn da hat ja keiner was davon."
Freiwilligenprogramm und Halteprämien bei Dyneon
Ein Grund für die Entscheidung, weiterhin im Betrieb zu bleiben, waren für Martin Greiner – und sicher auch für viele andere – die hohen Gehälter. Der Betriebsrat hat mit der Geschäftsführung ein Freiwilligenprogramm ausgehandelt. Greiner erklärt das so: Zweimal im Jahr bekommen sie ein doppeltes Monatsgehalt, jeden Monat werden außerdem 1.000 Euro eingezahlt. Die erhält man zusätzlich zur Abfindung, sobald die Firma einen nicht mehr braucht.
Im Optimalfall würden die Mitarbeitenden bis zu 18 Monatsgehälter im Jahr bekommen, meint der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Josef Redl. Durch hohe Gehälter habe man dieses Jahr sogar noch neue Leute anstellen können, so Redl weiter. Von den knapp über 700 Mitarbeitenden haben laut Greiner seit der Bekanntmachung etwa 50 gekündigt.
Mitarbeitende hoffen, dass es nach 2025 weiter geht
Die befürchtete Kündigungswelle ist also bislang nicht eingetreten. Doch Greiner macht sich dennoch Sorgen um die Region und weitere Arbeitsplätze im Chemiepark Gendorf – auch über Dyneon hinaus. Denn die Unternehmen dort würden sich etwa die Energiekosten teilen: Ohne Dyneon – einem der größten Betriebe – wird es für die anderen teurer. Zwei Unternehmen sind außerdem direkt von Dyneon-Fluorkunststoffen, sogenannten PFAS, abhängig.
Greiner und andere Mitarbeitende hoffen deshalb, dass es auch nach 2025 weitergeht. Er und der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Redl schätzen die Wahrscheinlichkeit, dass das Dyneon-Werk doch nicht geschlossen wird, auf 50 Prozent – und setzen dabei auch auf die Politik. Denn um das Werk zu erhalten, müsste der amerikanische Mutterkonzern 3M Dyneon zum Verkauf freigeben. Das lehnt 3M bislang ab, ebenso wie die Stiftungsidee vom Altöttinger Landrat Erwin Schneider. Doch der kündigte an, sich weiterhin für den Erhalt des Werks einsetzen zu wollen – wie auch schon Söder und Aiwanger bei ihrem Besuch im Februar.
"Viele Konjunktive bis dahin" für viele Familien
Servicetechniker Martin Greiner hat für sich überlegt, ob er nicht sogar mal etwas ganz anderes ausprobieren möchte, wenn Dyneon Ende 2025 tatsächlich schließt. Ein paar Mitarbeitende werden zwar auch für den langwierigen Rückbau benötigt werden, doch da könnte er sich als Elektriker nicht mehr weiterentwickeln. Warum also sich nach 15 Jahren nicht in einem anderen Bereich neu erfinden, weg vom Chemiepark? Oder aber mehr Zeit mit den Kindern verbringen?
Für seine Frau Pia, die als Sozialpädagogin gerade noch in Elternzeit ist, ist vor allem die Unsicherheit schwierig: "Ich habe jetzt schon mal bei meinem Arbeitgeber angefragt, ob es Ende 2025 möglich wäre, dass ich dann mehr arbeite, aber das ist einfach noch zu fern. Ich hätte das gern einfach besser geplant. Aber am meisten tut es mir für meinen Mann leid, weil er gern in die Arbeit geht und seine Kollegen mag."
Sie merkt an, dass 2025 auch die Schule für Sohn Lutz startet: "Viele Konjunktive bis dahin", sagt sie. "Abwarten", meint er, mit Tochter Nora auf dem Arm.
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