Renate Raupp geht in ihrer grellorangen Warnweste den Amphibienzaun im Irtenberger Wald bei Kist ab. Dabei hält sie einen Holzstock in der rechten Hand. Seit dem 21. Februar steht der Zaun an der Staatsstraße. Er soll Kröten, Frösche und Molche davor bewahren, überfahren zu werden. Die 63-jährige Vorsitzende des Bund Naturschutz in Kist kontrolliert mit dem Ast, ob der Zaun Löcher hat, und sie schaut in die Eimer. Beim dritten wird die Zaunbetreuerin fündig: "Hier haben wir vier Erdkröten – zwei männliche und eine weibliche, die eine männliche Kröte trägt. Gut, dass sie nicht über die Straße gelaufen sind."
Ehrenamt mitten in der Natur
Insgesamt hat Raupp nun 22 Kröten gefunden – ein erfolgreicher Tag. Im vergangenen Jahr haben die Ehrenamtlichen knapp 300 Amphibien über die Straße geholfen, im Rekordjahr 2019 waren es 624. Renate Raupp ist seit Beginn der ehrenamtlichen Zaunbetreuung 2011 dabei, damals ist sie zufällig durch einen Nachbarn auf die neu gegründete Gruppe zum Arterhalt im Irtenberger Wald gestoßen. "Doch dann hat es mich gepackt, mit jedem Jahr hat es mich mehr begeistert, besonders die Nähe zur Natur: Ich merke, jetzt kommt die Waldhyazinthe oder man stolpert auf einmal über ein grünes Geäst, das vorher einfach nur tot dalag." Diese Begeisterung für die Natur animiere die ganze Gruppe.
Mindestlohn fürs Eimer leeren macht Ehrenamt interessant
Im Irtenberger Forst helfen seit einigen Jahren stetig 13 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer im Alter zwischen 30 und 70 Jahren, die Eimer morgens oder in den Abendstunden zu leeren. Sie wechseln sich mit der Arbeit ab und brauchen insgesamt jährlich zwischen 30 und 70 Stunden dafür. Simone Heim vom Landschaftspflegeverband (LPV) ist sehr dankbar über diesen Erhalt der Artenvielfalt: "Wir könnten das nie alleine bewerkstelligen und kennen die Gegebenheiten vor Ort auch nicht so gut. Da sind wir stark auf die Initiativen in den Gemeinden und die ehrenamtliche Unterstützung angewiesen."
Deshalb begrüßt Heim, dass sie über die Fördermaßnahmen der Landschaftspflegerichtlinie das Ehrenamt auch finanziell interessant machen können. Denn die Helferinnen und Helfer bekommen pro Stunde den Mindestlohn gezahlt. In erster Linie gehe es ihnen aber um die Natur. Und wenn sie keine Amphibien in den Eimern finden, dann sammeln sie zusätzlich noch den Müll am Straßenrand ein.
Amphibienwanderung immer früher
Im Landkreis Würzburg sind die Amphibienretter, organisiert von Bund Naturschutz und dem LPV, an gefährdeten Straßenabschnitten unterwegs in:
- Rimpar/Güntersleben
- Lindelbach
- Kleinrinderfeld
- Erlach
- Gramschatz
- Remlingen
- Erlabrunn
- Margetshöchheim
- Frickenhausen/Ochsenfurt
- Bütthard
- Altertheim
- im Guttenberger Forst
- im Irtenberger Forst
Bayernweit betreut der Bund Naturschutz rund 450 Straßenabschnitte. Die Amphibien wandern am liebsten bei fünf Grad Celsius und Nieselregen. Wann es Zeit ist, zum Laichen in ihre Herkunftsgewässer zu wandern, verrät den Tieren ihre innere Uhr. Renate Raupp merkt, dass die Wanderung immer früher beginnt. Während die Helfer und Helferinnen 2011 noch ab Mitte März ihre Arbeit aufgenommen hatten, stehen die Zäune seit 2020 immer schon rund um den 20. Februar.
Immer mehr Arten landen auf der "Vorwarnliste"
In Bayern sind nach Bund Naturschutz-Angaben zehn von 19 vorkommenden Amphibienarten gefährdet und stehen auf der Roten Liste. Besonders dramatische Rückgänge habe es in den vergangenen Jahren bei Gelbbauchunke, Kreuz- und Wechselkröte, Geburtshelferkröte und beim Laubfrosch gegeben. Auch einstmals häufige Arten wie Teichmolch und Grasfrosch stünden inzwischen auf der amtlichen "Vorwarnliste".
Das Verschwinden von Amphibien reiße ein Loch in die natürliche Nahrungskette, sagen die Experten. "Alle Lurche fressen Käfer, Spinnen, Würmer. Sie sind aber auch wichtige Beutetiere für Vögel, Reptilien und Säugetiere", so der Bund Naturschutz Bayern. Auch Gartenbesitzer könnten Amphibien ganz einfach unterstützen. Sie können Ihnen einen sicheren Lebensraum bieten, indem sie Zweige liegen oder das Gras länger stehen lassen, um schattige und feuchte Rückzugsorte in ihren Gärten zu schaffen.
Artenschutz und kein Tierschutz
Renate Raupp überquert im Irtenberger Wald mit ihrem Eimer die Straße und läuft auf der anderen Seite 50 Meter in den Wald hinein, Richtung Wasser. Hier nimmt sie das eingesammelte Krötenquartett aus dem Eimer und setzt die vier Tiere vorsichtig auf den Boden. Die Erdkröten bleiben erstmal sitzen und sondieren die neue Lage. Dann machen sie sich langsam auf den Weg. Wenn sich die Kröten in einigen Wochen auf den Rückweg machen, werden wahrscheinlich keine Zäune mehr stehen. Aber dann haben die Amphibien schon für ihren Nachwuchs gesorgt. "Was wir machen, machen wir mit Herz. Aber es ist Arten- und kein Tierschutz", sagt Zaunbetreuerin Raupp.
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