Seinen eigentlichen Antworten stellt der stellvertretende Ministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) eine "Vorbemerkung" voran. Gleich zu Beginn wiederholt er seine Aussage, das antisemitische Flugblatt nicht verfasst zu haben. Es sei "ekelhaft" und "menschenverachtend". Das Flugblatt "spiegelt weder damals noch heute meine persönliche Haltung wider".
"Nicht mehr erinnerlich"
Danach verweist Aiwanger auf den großen zeitlichen Abstand der "Vorgänge", und er weist "daher darauf hin, dass mir viele Details heute nicht mehr erinnerlich sind". In mehreren Antworten kommt er darauf zurück. Zum Beispiel sei ihm "nicht erinnerlich, dass ich an meiner Schule Flugblätter erstellt habe".
Warum aber antwortet Aiwanger später auf die Frage nach den persönlichen Konsequenzen: "Der Vorfall war ein einschneidendes Erlebnis für mich. Er hat wichtige gedankliche Prozesse angestoßen"? Wenn es schon ein solch "einschneidendes Erlebnis" war, warum dann die vielen Erinnerungslücken? Zumal sich Aiwanger an einen entlastenden Aspekt sehr gut erinnert: "Ich war erschrocken", antwortet er auf die Frage nach seiner Reaktion, als er das Flugblatt zum ersten Mal gesehen hatte.
"Ich bereue, wenn …"
Die anschließende Behauptung in der "Vorbemerkung", der "Wahrheitsgehalt vieler Vorwürfe" könne "nicht mehr zweifelsfrei festgestellt werden", klingt wie die Feststellung einer objektiven Tatsache, bei der ein Stück Erleichterung mitzuschwingen scheint. "Sachverhalte", schreibt Aiwanger, "können nicht mehr vollständig rekonstruiert werden". Ob nur von ihm oder überhaupt, wird nicht deutlich.
Aiwangers Entschuldigung fällt kurz aus und steht unter einem Vorbehalt – "wenn". "Ich bereue, wenn ich durch mein Verhalten in Bezug auf das Pamphlet oder weitere Vorwürfe gegen mich aus der Jugendzeit Gefühle verletzt habe." Dass tatsächlich Gefühle verletzt wurden, ist offensichtlich. Bei wem, erwähnt Aiwanger nicht. Die Entschuldigung bleibt ohne Adressaten.
Stattdessen – immer noch in der "Vorbemerkung" – geht Aiwanger zum Angriff auf einen Lehrer über, der versucht habe, "mich politisch und persönlich fertig zu machen". Und gegen Medien: "Gegen die Verdachtsberichterstattung mit überwiegend anonymen Aussagen und dem Weglassen entlastender Inhalte behalte ich mir rechtliche Schritte vor." Aiwanger stellt sich als Opfer einer Kampagne dar, was vermutlich den Kern seines Restwahlkampfes bilden wird.
Nicht sein Flugblatt
Fast alle Fragen drehen sich um das Auffinden des Flugblatts (1-5), seine Erstellung (6-12) und den Konsequenzen, die die Schulleitung getroffen hatte (12-17), ums Verhalten von Aiwangers Bruder Helmut (18-21). Aiwanger bleibt im Wesentlichen bei seinen früheren Aussagen, sein Bruder habe das Pamphlet verfasst. Warum das Flugblatt Auschwitz thematisiert, könne er deshalb "nicht beantworten". Die Frage, ob er das Flugblatt weiterverbreitet habe, verneint Aiwanger nicht, verweist aber auf eine fehlende Erinnerung an Details.
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"Man hat mir mit der Polizei gedroht"
Der Frage, wieso er gegenüber der Schulleitung die Verantwortung für das Flugblatt übernommen habe, begegnet Aiwanger relativ ausführlich. Er schreibt: "Ich weiß nicht, ob und was ich an Verantwortung für das Flugblatt übernommen habe. Nach dem Auffinden des Flugblatts in der Schultasche wurde mir mit der Polizei gedroht. Als Ausweg wurde mir angeboten, ein Referat zu halten. Darauf ging ich unter Druck ein. Damit war die Sache wohl für die Schule erledigt." Dieses Referat habe er dann seiner Erinnerung nach "wahrscheinlich" gehalten.
Die möglichen Konsequenzen hatten bei den Aiwanger-Brüdern den Antworten zufolge Panik ausgelöst. "Mein Bruder und ich standen unter Schock", schreibt Hubert Aiwanger. "Die Vorstellung eines Polizeibesuchs im Elternhaus hat mir Angst gemacht. Mein Bruder war selbst im Nachhinein über den abscheulichen Inhalt beschämt und hat die Sache sehr bereut."
Folgende Frage – die ja auf einen möglichen Verdacht oder Hinweise im Vorfeld anspielt –, beantwortet Aiwanger dagegen nicht vollständig. Konkret wollte Söder wissen: "Wie, weshalb und von wem wurde Ihre Schultasche durchsucht?" Antwort Aiwanger, an dieser Stelle recht detailliert: "Meiner Erinnerung nach wurde die Schultasche im Sekretariat unter Anwesenheit von Schulpersonal geöffnet. Das oder die Flugblätter wurden einbehalten." Nur: "Weshalb" wurde die Schultasche eigentlich durchsucht? Dazu kommt keine Auskunft. Warum der Verdacht damals auf Aiwanger gefallen sei (Frage 3), "entzieht sich meiner Kenntnis".
Die Gesinnungsfragen
Die letzten beiden Fragen sind die Einzigen, die sich nicht direkt auf das Flugblatt beziehen: "Wie positionieren Sie sich zu dem Vorwurf, dass auch Ihr weiteres Verhalten bzw. Auftreten zur Schulzeit eine Nähe zu nationalsozialistischem Gedankengut nahegelegt habe, weshalb der Verdacht auf Sie gefallen sei (lt. Presseberichten angeblich Imitationen von Hitler und seinen Reden, 'Hitlerbärtchen')?" Und: "Gab es weitere mögliche rechtsradikale Aktivitäten in der Vergangenheit?"
Es fällt auf, dass Aiwanger auf die Fragen nicht direkt eingeht, und sie somit unbeantwortet lässt. Stattdessen wiederholt er fast wörtlich sein Bedauern aus der Vorbemerkung und schreibt dann: "Jedem Menschen muss auch ein Entwicklungs- und Reifeprozess zugestanden werden." Ein Eingeständnis? Und wenn ja: Wofür? "Ich habe als Jugendlicher auch Fehler gemacht, die mir heute leidtun." Welche Fehler das waren, lässt Aiwanger offen. Und so liegt der Ball dann doch wieder bei denjenigen, die Licht in dieses Dunkel bringen wollen.
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Im Video: Söder hält an Aiwanger fest
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