Roland Dirr ist Hobby-Schmied. Jetzt siegte er im Team bei der Weltmeisterschaft in Italien.
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Roland Dirr, der Schmiede-Weltmeister aus Ichenhausen

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Ein Schwabe unter den Weltmeistern der Schmiede

Feuer, Hitze und Eisen – das ist die Welt von Roland Dirr. Jetzt hat er sogar eine Goldmedaille gewonnen. Der Hobby-Schmied siegte im Team bei der Weltmeisterschaft in Italien. Der Weg des Schwaben war geprägt von kuriosen Zufällen.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Schwefliger Geruch liegt in der Luft, die von Hitze flirrt. Roland Dirr kippt noch einmal Kohle in die Esse und facht das Feuer an. Bei über tausend Grad lässt sich das Eisen, das er schmieden will, am besten formen. "Man kann es an der Farbe erkennen: Leuchtet das Material gelb oder orange, ist die Temperatur ideal. Wird es rötlich, muss es zurück ins Feuer, dann ist es zu kalt", sagt Dirr. Er steht in der "Telchinen"-Schmiede in Ichenhausen – ein Name entlehnt aus der griechischen Mythologie. Die Telchinen sollen laut Sage den Dreizack des Meeresgottes Poseidon gefertigt haben. Und auch Dirr hat Außergewöhnliches vollbracht. Im September gewann er Gold bei der Schmiede-Weltmeisterschaft.

Glückliche Umstände

Fast scheint es, als hätte Göttin Fortuna ihre Finger im Spiel gehabt. So zufällig ist der Weg zum Titel, der mit dem Anruf eines Bekannten beginnt. Der kann nicht zur Biennale nach Italien fahren und hat ein Zimmer übrig. "Ich habe gleich zugeschlagen, denn in Stia treffen sich Schmiede aus der ganzen Welt, um sich über Techniken auszutauschen", erzählt Dirr. Also reist er samt Ehefrau in die Toskana. Als er über das Gelände der Veranstaltung schlendert, schlägt das Schicksal ein zweites Mal zu. Ein Mitglied des Teams "Germany 3" fällt krankheitsbedingt aus. Deshalb bittet die Mannschaft Dirr einzuspringen. Er sagt kurzerhand "ja".

Heißer Titelkampf in Italien

Die Schmiedefeuer bei der Weltmeisterschaft liegen nahe beieinander, die Umgebungsluft erwärmt sich auf über 50 Grad. In dieser Hitze sollen nun binnen drei Stunden Kunstwerke entstehen, unter dem Motto "Connections" also Verbindungen. Doch wie kann sich Dirr in ein Team einfügen, mit dem er noch nie gearbeitet hat? "Man verständigt sich über den Hammer, der eine deutet dem Anderen an, wo er hinschlagen soll", sagt Dirr. Die Teilnehmer müssen konzentriert bleiben, ein Fehlschlag kann bei filigraneren Stücken alle Arbeit zunichtemachen. Gleich fünf Liter Wasser trinkt Dirr während des Wettkampfs. Das Zusammenspielt mit den Anderen klappt wie am Schnürchen. Am Ende schmiedet das Team zwei Puzzleteile, die exakt ineinanderpassen.

Ehrung vor tausenden Zuschauern

"Dieses Stück ist simpel, aber schwer herzustellen. Es hat eine starke Ausstrahlung, die so viele Interpretationen zulässt, dass es kaum zu greifen ist", sagte der Juryvorsitzende David Swift. Am Ende landet Germany 3 auf Platz 1 und tausende Zuschauer auf der Piazza applaudieren dem Team. "Unvergesslich" und "Gänsehaut" sind Begriffe, die Dirr in den Sinn kommen, wenn er sich an den Moment erinnert, als er mit Tom Carstens, Florian Upmann und Denni Ludwig auf der Bühne steht. Das Puzzle-Kunstwerk hat keiner der vier mit nach Hause genommen. Die Arbeiten der Sieger bleiben traditionell in der Toskana und werden ausgestellt.

Schmiede sind "hart im Nehmen"

Zurück in den Landkreis Günzburg zur Telchinen-Schmiede, die Dirr in einem alten Lkw-Auflieger aufgebaut hat. Mehrmals in der Woche trifft sich der gelernte Maschinenschlosser und Metallbauer mit Kollegen, die wie er nebenberuflich dem Hobby frönen.

"Wir nehmen nicht jeden Auftrag an, es muss schon etwas Besonderes sein, auf das wir Lust haben", sagt Dirr. An einem kunstvoll verzierten Damastmesser werkelt er schon mal vierzig Stunden. Ganz ungefährlich ist die Arbeit mit dem heißen Eisen nicht. Denn neben Funken lösen sich auch mal größere glühende Partikel und landen auf der Haut. "Wir schlagen bis zum Ende und streifen solche Teilchen erst dann ab. Wenn das Werkstück da ist, muss das fertig werden", sagt Kollege Andreas Trautwein. Als sogenannter Zuschläger schwingt er einen fünf Kilo schweren Hammer und schlägt immer wieder präzise auf das Werkstück am Amboss. Manchmal arbeiten die Schmiede acht oder zehn Stunden am Stück.

Wertschätzung für Schmiedekunst

"Der Fachmann wird immer sehen, wie etwas entstanden ist. Alte Fertigkeiten zu bewahren, ist das, was uns am Ende antreibt", sagt Dirr. Mit modernen Maschinen könne er Dinge zwar schneller verformen oder herstellen, doch ihn reize gerade das Spiel mit Techniken, die manchmal schon die Wikinger kannten.

Seine Erfahrung behält der Weltmeister nicht für sich. Wer will, kann in Ichenhausen das Schmieden lernen, sagt Dirr: "Er wird erkennen, wie viel Zeit und Anstrengung in einem historischen Kirchentor oder Türbeschlag stecken. Diese Wertschätzung wollen wir vermitteln."

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