Wer in Bayern eine Eins im Zeugnis hat, der soll extra belohnt werden: In vielen Einrichtungen dürfen Schülerinnen und Schüler, die mindestens einen Einser haben, Angebote umsonst nutzen - traditionell bereits seit Jahren wie etwa bei der Bayerischen Seenschifffahrt.
Minister Füracker: "Herausragende Leistung verdient Anerkennung!"
"Herausragende Leistungen verdienen Anerkennung! Wir möchten zu schulischen Erfolgen gebührend gratulieren und auch dieses Jahr wieder besonderen Fleiß, Disziplin und Engagement belohnen", verkündete Bayerns Heimat- und Finanzminister Albert Füracker in einer Pressemitteilung bereits vor Ferienbeginn. Schülerinnen und Schüler dürfen alle Linienschiffe am Königssee, Starnberger See, Ammersee und Tegernsee die ganzen Sommerferien über kostenlos und beliebig oft nutzen. Es muss aber mindestens ein voll zahlendes Familienmitglied als Begleitung mit dabei sein.
Schülerinnen und Schüler an "Schulen mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung" erhalten generell in den Sommerferien die Fahrt gratis. Und auch Erstklässlerinnen und Erstklässler, die noch keine Noten erhalten, bekommen den Bonus, wenn sie das Klassenziel erreicht haben.
Kostenlose Zugfahrt für Einserschüler am ersten Ferientag
Am ersten Ferientag, 29. Juli, dürfen Schülerinnen und Schüler mit einer Eins im Zeugnis in Bayern außerdem kostenlos mit Zügen der Bayerischen-Regio-Bahn (BRB) und allen bayerischen Regionalzügen fahren. Wie das Unternehmen mitteilte, muss statt einer Fahrkarte nur das aktuelle Zeugnis vorgezeigt werden. Auch Kinder von Schulen und Klassen, die keine Noten bekommen, können mit einer entsprechenden sehr guten Beurteilung gratis mitfahren.
Eis, Schwimmbad-Besuch und Zooeintritt
Vielerorts in Bayern gibt es traditionell Belohnungen für Einserschüler. So bekommen Schülerinnen und Schüler mit der Note eins im Jahreszeugnis seit 28 Jahren beispielsweise ein kostenloses Essen im China Fan Imbiss in Bamberg. Und in Roth in Mittelfranken durften am letzten Schultag sogar noch Schülerinnen und Schüler mit einem Zweier kostenlos ins Freizeitbad. Das Eis gab Bürgermeister Andreas Buckreus (SPD) eine Stunde lang sogar persönlich aus.
Auch der Tiergarten Nürnberg belohnte Einserschüler jahrelang mit kostenlosem Eintritt am ersten und letzten Ferientag. In diesem Jahr sei man allerdings "von dem Leistungsgedanken abgerückt", wie Sprecherin Anna Böhm do Nascimento in einem Bericht der Süddeutschen Zeitung sagt (Externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt). Heuer können die Kinder am ersten und letzten Ferientag statt mit ihrem Zeugnis mit einem selbstgemalten Bild von ihrem Lieblingstier freien Eintritt erhalten.
Kritik: "Schlechtere Schüler nicht diskriminieren"
Es gibt aber auch kritische Stimmen. So wollen etwa das Legoland Günzburg und auch der Playmobil-Funpark in Zirndorf an der Einser-Belohnung nicht mitmachen. Man wolle Kinder, die schlechter abschneiden, nicht diskriminieren, erklärte ein Sprecher des Funparks auf nordbayern.de (Externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt). "Es tut gut, Leistungsdruck auch mal hinter sich lassen zu können", sagte ein Sprecher des Funparks.
Auch Gottfried Held hat Mitleid mit den schlechteren Schülern. "Ich halte das nicht für richtig", sagt der Schifffahrtsunternehmer aus Wasserburg am Inn der SZ und lässt auch Schüler mit einem Sechser im Zeugnis während der gesamten Sommerferien kostenlos mitfahren - schon seit 25 Jahren. "Man muss einen Ausgleich schaffen", sagt Held.
Kritik kommt auch von Lehrern selbst. So warnt etwa Gymnasiallehrer Bob Blume davor, Kinder für eine bestimmte Note zu belohnen. Der durch die Sozialen Medien bekannte Lehrer sagte im Bayern 2-Podcast "Eltern ohne Filter", dass dies dem Ansatz des sogenannten Growth Mindset widerspreche.
Lehrer kritisieren: Schulnoten werden zum Tauschobjekt
Dieser Ansatz betrachtet die Lernentwicklung und "um eine Geisteshaltung, die nicht sagt, weil ich eine bestimmte Leistung, die wiederum mit einer Note ausgedrückt ist, nicht erreicht habe, heißt das, dass ich das halt einfach nicht kann", so Blume.
Vor diesem Hintergrund sei es das "Schlimmste", was man dem Lernen des Kindes oder dem Kind in antun könne, es für eine gute Note mit etwas zu belohnen. Noten würden dadurch zum "Austauschobjekt". Motivation fürs Lernen entstehe aber auf der Grundlage von Selbstwirksamkeit, Autonomie und sozialer Eingebundenheit. "Und das Erkenntnisreiche ist, dass durch externe Belohnungen genau diese Dinge weniger werden, also das heißt, es wird zu einem Tauschobjekt."
Bayerischer Lehrerverband: Belohnung nur von Einserschülern "ein Stück weit fatal"
Zwar ist der Bayerische Lehrerinnen- und Lehrerverband (BLLV) davon überzeugt, dass Belohnungen zur Motivation der Schülerinnen und Schüler beitragen. "Wir alle funktionieren so und die Kinder und Jugendlichen selbstverständlich auch", sagt die BLLV-Vorsitzende Simone Fleischmann auf BR24-Anfrage. Allerdings: Schüler, die sich beispielsweise von einem Fünfer auf einen Dreier hochgearbeitet hätten, würden bei den Angeboten für Einserschüler nicht mit berücksichtigt. "Das ist eine exzellente Leistung", so Fleischmann.
Und insofern sei es "ein Stück weit fatal, dass nur der, der ein 'Sehr gut' hat, belohnt wird". Die BLLV-Vorsitzende würde es daher begrüßen, wenn Angebote auch die Entwicklungen von Schülerinnen und Schülern mitberücksichtigen.
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