Public Viewing im Olympiapark
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EM-Bilanz: So blickt Bayern auf die Fußball-Europameisterschaft

Cristiano Ronaldo weint, Julian Nagelsmann weint, der Einzelhandel weint. Eine Fußball-Europameisterschaft zum Heulen also? Keineswegs. Eine erste Bilanz zur EM in Bayern.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

In München haben die schottischen Fans zum Eröffnungsspiel angeblich fast alle Biervorräte leer getrunken. Besonders haben sie aber auch gezeigt, wie man sich als guter Verlierer verhält. Auch dadurch war die Hoffnung groß, auf ein "Sommermärchen 2.0" und eine Stimmung wie damals 2006, bei der letzten Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland.

Nagelsmann ringt mit den Tränen

Am Tag nach dem deutschen EM-Aus diskutieren dann deutsche Fußballfans über die mutmaßliche Schiedsrichter-Fehlentscheidung im Spiel gegen Spanien. Sie starteten sogar eine Online-Petition. Worauf es in Deutschland gerade wirklich ankomme, referiert dagegen Bundestrainer Julian Nagelsmann: "Es ist wichtig zu realisieren, in welch schönem Land wir leben, landschaftlich und kulturell. Was wir für Möglichkeiten haben, wenn wir alle zusammenhalten und nicht alles extrem schwarzmalen." Der Trainer ringt dabei mit den Tränen, weil die EM so emotional gewesen sei, weil die Mannschaft so gekämpft habe und weil so viel Hoffnung in diesem Event lag. Und wie haben andere die EM erlebt?

Bayerns Wirtschaft insgesamt zufrieden

"Der bisher erfolgreiche Verlauf der EM und das Auftreten der deutschen Mannschaft haben ohne Zweifel die Stimmung in unserem Land verbessert. Und das ist nicht zu unterschätzen", so Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. Trotz des unglücklichen Ausscheidens gegen Spanien habe die deutsche Mannschaft gezeigt, dass man mit Teamgeist, Leistungsbereitschaft und Zuversicht viel erreichen kann. Ein Vorbild, auch für die Gesellschaft insgesamt. "Die erfolgreiche EM-Organisation sollte uns allen Zuversicht und das nötige Selbstbewusstsein geben, dass wir es können", so der vbw-Chef.

Kein Sommermärchen für den Einzelhandel

Geht es nach dem Einzelhandel, so hat sich die Hoffnung nicht erfüllt. Eine Auswertung einer Studie zur EM 2024 zeigt, dass europäische Fans ihr Geld vor allem fürs Trinken und Essen ausgeben. Allen voran die Briten! Sie waren im Länderranking am konsumfreudigsten.

Eingekauft hätten die Gäste aber nicht ausreichend, so der bayerische Handelsverband (HBE). Ein großer Einbruch habe außerdem nach dem Scheitern der Deutschen im Viertelfinale stattgefunden. "Ein zweites Sommermärchen hat die Europameisterschaft in München garantiert nicht gebracht", sagt Bernd Ohlmann, Sprecher des HBE, zumindest was die Umsätze des Einzelhandels betreffe. Dennoch: Laut des Verbands hat der Münchener Einzelhandel während der EM 30 Millionen Euro zusätzlich umgesetzt.

Die Stadt München ist zufrieden

Die Stadt München selbst schaut weniger negativ auf die vergangenen Wochen. An den sechs EM-Spieletagen, so schätzt das Referat für Arbeit und Wirtschaft, lag die touristisch bedingte Wertschöpfung bei ca. 150 Millionen Euro. Über 500.000 Fans aus aller Welt waren zur EM in Bayern. Das Stadion war laut der UEFA immer ausverkauft und auch die Fan Zone am Olympiapark besuchten bislang über 600.000 Gäste.

Die Landeshauptstadt zieht deshalb eine positive Bilanz, auch wenn das Event nicht ganz billig war, für die Stadt: "Ein paar Millionen hat es schon gekostet. Aber wir haben schon teurere Tourismus-Werbeevents gehabt in dieser Stadt", so Bürgermeister Dieter Reiter. Das sei aber auch nicht im Mittelpunkt gestanden, so Reiter weiter: Es gehe vielmehr um Völkerverständigung, um ein positives Lebensgefühl, das habe er in der Stadt gespürt, "und das können wir alle gerade gut gebrauchen."

Dehoga-Chef: "Eine tolle EM"

Das Gerücht, die schottischen Fans hätten Münchens Biervorräte leergetrunken, kann der Landesgeschäftsführer des bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) aber nicht bestätigen. Den einen oder anderen unvorbereiteten Wirt habe die Trinkfestigkeit der Schotten zwar überrascht, völlig leer getrunken hätten sie München aber nicht. Wie viele andere Einheimische auch, war der Dehoga-Geschäftsführer Thomas Geppert begeistert, von der Stimmung, die die schottischen Fans mitbrachten.

Auch insgesamt lautet seine Bilanz: "Es war eine tolle EM." Auch wenn noch etwas mehr möglich gewesen wäre, an Hotelübernachtungen und Gaststättenbesuchen, sind die Münchner Wirte und Hoteliers mit den Umsätzen zufrieden. Vor allem an den Spieltagen profitierten die Bars, Clubs, Restaurants und auch die vielen Foodtrucks auf den Fanmeilen. Zehn bis 16 Prozent mehr Umsatz im Vergleich zur Zeit vor der EM, so lauten die ersten Bilanzen. Die britischen und dänischen Fans seien besonders konsumfreudig gewesen und die Schweizer hätten die höchsten Rechnungen gezahlt.

Auch das Umland profitiert

Die EM-Touristen brachten ihr Geld und gute Stimmung aber nicht nur in die Landeshauptstadt. Auch andere bayerische Städte, die kein Austragungsort waren, profitierten von Übernachtungsgästen. Etwa Nürnberg: Ein Sprecher schwärmt, die Stimmung sei während der Spiele, bei den vielen Public Viewings toll gewesen, und hätte Erinnerungen an die WM 2006 geweckt.

Kein Promi-Hype in Herzogenaurach

Herzogenaurach beherbergte im sogenannten "Home Ground" die deutsche Fußball-Nationalmannschaft. Der Ort halte es mit dem Trubel recht pragmatisch, berichtet Judith Jochmann, Sprecherin der Stadt. Viele örtliche Gewerbetreibende hätten bei Engpässen unbürokratisch ausgeholfen: Etwa der Matratzen-Lieferanten, der spontan Schlafplätze bereitstellte oder der Pizzabäcker, der besonders schnell an hungernde Fans Essen lieferte. "Die deutsche Nationalmannschaft hat bei uns in Herzogenaurach wirklich positive und tiefe Spuren hinterlassen", sagt Oberbürgermeister German Hacker stolz. Alle Spieler hätten sich ins Goldene Buch der Stadt eingetragen.

Gleichzeitig habe der Trubel den Zusammenhalt der Herzogenauracher gestärkt, die inzwischen mit den vielen Gästen und Promis sehr routiniert umgingen. Trotz der Gäste, Fußballer und den rund 150 Medienvertretern, die über die knapp vier Wochen vor Ort waren, bewahrten sich die Bürgerinnen und Bürger eine gewisse Gelassenheit. So startete parallel zu EM die traditionelle Sommerkirchweih, ein unverzichtbares, jährliches Highlight, das die Herzogenauracher wie gewohnt gut besuchten und damit demonstrierten: Fußball ist nicht alles und geweint hat hier wegen der EM auch keiner.

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