Die therapeutischen Wohngruppen des Martin-Luther-Hauses in Nürnberg leeren sich allmählich. Wieder darf ein Kind nach Hause. Nur wenige bleiben hier, etwa Kinder, deren Eltern im Ausland sind, in der Ukraine zum Beispiel. Oder Kinder, denen zu Hause Gewalt droht oder deren Eltern überfordert sind.
Einrichtungsleiter: "Emotional aufwühlende Tage"
Im Moment des Abholens, wenn Freude und Aufregung bei den anderen groß sind, schirmen die Erzieherinnen und Erzieher diese Kinder ab und versuchen, sie zu beschäftigen. Roland Bertram ist Einrichtungsleiter des Martin-Luther-Hauses: "Das sind schon emotional aufwühlende Tage", berichtet er. "Die Kinder merken das schon, wenn’s auf Weihnachten zugeht. Das sind die Zeiten, wo es immer wieder auch zu emotionalen Krisen kommt, wo wir gucken, wie wir das stabilisieren, und viel Ablenkung notwendig ist."
Das Personal versucht, ein schönes Fest zu ermöglichen
Der siebenjährige Igor und der zehnjährige Elias bleiben dieses Jahr im Martin-Luther-Haus, um Weihnachten zu feiern. Für die beiden Buben ist das keine neue Erfahrung. Schon letztes Jahr haben sie Heiligabend dort verbracht. Heilerziehungspflegerin Jasmin Kohler schildert die Pläne für den Tag: "Wir werden erstmal zusammen den Nachmittag gestalten, entweder noch ein bisschen rausgehen, Fußball spielen, die zwei Jungs lieben Fußballspielen, werden dann abends zusammen einen Weihnachtsfilm schauen, Musik, Lieder singen, Abendessen und dann gibt's die Bescherung." Der zehnjährige Elias hat sich auf diese Situation eingestellt: "Ich mag einfach Weihnachten, weil das macht mir auch Freude im Herz und da krieg’ ich einfach coole Gefühle."
Es kann allerdings auch vorkommen, dass Kinder sich auf zu Hause freuen – und dann doch in der Einrichtung bleiben müssen. Wie ein Junge in einer anderen Wohngruppe, der schon seit Tagen darauf wartet, endlich abgeholt zu werden. Der Grund für die Verzögerung oder gar Absage wird nicht immer klar.
Nicht alle Kinder wollen nach Hause
Tatsächlich gibt es auch Kinder, die gar nicht nach Hause wollen, vor allem, wenn sie schon älter sind – und beispielsweise erlebt haben, dass Weihnachten der Tag ist, an dem sich der Vater betrinkt oder sich die Familie anschreit. Nach den Feiertagen wartet auf das Personal im Martin-Luther-Haus auch manchmal viel Arbeit, erklärt Roland Bertram: "Die Kinder kommen sehr unterschiedlich zurück, das ist je nach Situation." Einige Kinder kämen ganz entspannt, andere sehr aufgewühlt. "Und dann gibt's auch Kinder, wo zu Hause was passiert ist, wo es Situationen gibt, die nachbesprochen werden müssen", schildert der Leiter.
Igor und Elias werden mit ihrer Pflegerin ruhige, besinnliche Tage im Martin-Luther-Haus (externer Link) erleben. Ein bisschen wird der Weihnachtsstern dann auch für die beiden Jungen leuchten, die ohne ihre Familie den Heiligen Abend verbringen.
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