Kein Windkraftgegner ist an diesem Nachmittag auf den Straßen der Gemeinde Fremdingen im Donau-Ries anzutreffen. "Der Strom ist so teuer und knapp, da muss was her", findet etwa Anton Leberle. Agnes Schneider schwärmt von der schönen Landschaft im benachbarten Baden-Württemberg, der die zahlreichen Windräder dort keinen Abbruch täten, und überhaupt: "Wir brauchen ja Strom“, wirft eine Passantin ein. Die Märzsonne steht hoch, die vielen Solaranlagen auf den Dächern saugen ihre Strahlen auf.
"Windrad-Verbrennung" im Wallfahrtsort
Ganz anders in Ziemetshausen bei Günzburg: Sogar mit Fackeln gehen sie dort auf die Straße, um gegen einen geplanten Park mit über 20 Anlagen zu protestieren. "An der Wallfahrt wollen wir unsere Ruhe haben vor Windrädern, die uns den Blick verstellen, unsere Ohren täuschen, diesen Ort in seiner gesamten liebreizenden Art verändern würden", verkündet Wallfahrtsdirektor Michael Menzinger bei seiner Ansprache, bevor er seine Fackel in einen Holzhaufen mit einem nachgebauten Windrad aus Holz wirft.
Im Video: Warum die Windkraftgegner in Ziemetshausen ein symbolisches Windrad verbrennen
In Ziemetshausen mit seinem Wallfahrtsort Maria Vesperbild haben Bürger ein Mahnfeuer gegen Windkraft angezündet.
Politik, Bürger und Kirche sehen den Charakter des örtlichen Wallfahrtsortes Maria Vesperbild bedroht. Neben der Anzahl stört sie vor allem die geplante Höhe der Windräder: 266 Meter, höher als die Münchener Frauenkirche und der Kölner Dom zusammen. "Wir sind nicht grundsätzlich gegen Anlagen, aber so ein Projekt wollen wir nicht", sagt einer der Protestierenden. Einmal entzündet, verschlingen die Flammen das symbolische Windrad.
Gemeinden wehren sich gegen Planung
So unterschiedlich ihre Einstellungen zu Windrädern, eine Gemeinsamkeit haben Ziemetshausen und Fremdingen doch: Beide lehnen die aktuellen Planungen der Vorranggebiete für Windkraft in ihrer Region ab, wenn auch aus verschiedenen Gründen. Ein Gesetz der Ampelregierung sieht vor, dass bis Ende 2032 zwei Prozent der Bundesfläche für Windenergie ausgewiesen werden müssen, Bayern muss 1,8 Prozent seiner Fläche beisteuern. Planungs- und Genehmigungsverfahren sollen auf diesen Flächen beschleunigt, die Energiewende so vorangetrieben werden.
Eigentlich. Denn aktuelle Entwürfe der zuständigen regionalen Planungsverbände aus Städten, Gemeinden und Landkreisen stoßen auf Widerstand, bei Gegnern wie Fans der Windkraft. Während das windkraftkritische Ziemetshausen einen großen Teil seiner Fläche für Windkraft hergeben soll, soll Fremdingen trotz seines Enthusiasmus für Windräder beinahe leer ausgehen – und wird deshalb voraussichtlich Schwierigkeiten haben, einen Investor zu finden, der bauen will.
Windkraft in Fremdingen: Bürgermeister hofft auf über 100.000 Euro Einnahmen
Dabei würde Windkraft sich für seine Gemeinde lohnen, ist der Fremdinger Bürgermeister Frank-Markus Merkt (parteilos) überzeugt: "Der Wald kann nicht nur durch Holz Ertrag abwerfen, sondern auch durch Windenergie." Wenn es nach ihm ginge, würde sein Gemeindegebiet sechs bis acht Windräder bekommen.
Mit "weit über 100.000 Euro" Einnahmen im Jahr würde Merkt dann für Fremdingen rechnen: Pro mit Windkraft erzeugter Kilowattstunde sollen Anlagenbetreiber den Gemeinden 0,2 Cent bezahlen, Geld für Kindergärten oder Schulen etwa. Das sieht das Erneuerbare-Energien-Gesetz vor. Der Gemeinderat hat den Weg bereits freigemacht, auch Bürgermeister anderer Gemeinden im nördlichen Landkreis Donau-Ries wünschen sich Windräder.
In Ziemetshausen überzeugt dieses Argument nicht: Einstimmig hat der Gemeinderat den geplanten Windpark zuletzt abgelehnt. Politik, Bürger und Kirche argumentieren, es gebe bereits Landwirte, die mit Biogasanlagen viele Häuser im Ort mit Wärme versorgen und mehr Strom produzieren als verbraucht wird. Sie sehen den Charakter ihres Wallfahrtsorts durch die vielen geplanten Windräder bedroht.
Gemeinden wollen Planung nicht akzeptieren
Der Projektentwickler Thorsten Wehner vom Karlsruher Unternehmen Altus Renewables hat angekündigt, Rücksicht zu nehmen: "Wir sind von der Kirche Maria Versperbild auf jeden Fall mit allen geplanten Anlagen mindestens zwei Kilometer entfernt." Dennoch möchte Ziemetshausens Bürgermeister Ralf Wetzel (CSU) den Park noch verhindern. Die Wallfahrtsstätte Maria Vesperbild mit bis zu 450.000 Pilgern im Jahr soll landschaftsprägendes Denkmal und damit besonders geschützt werden. Dann könnte im Umkreis von mehreren Kilometern kein Windrad gebaut werden.
Auch Fremdingen möchte im Kampf für Windräder die aktuelle Planung nicht einfach hinnehmen - denn endgültig verabschiedet ist der Regionalplan noch nicht.
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