Gerhard B. während des Prozesses vor dem Augsburger Landgericht
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Gerhard B. während des Prozesses vor dem Augsburger Landgericht

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"Er ist noch im Haus!" – Dreifachmörder von Langweid verurteilt

In einem Mehrfamilienhaus in Langweid wird gestritten, um Mülltonnen und Kinderlärm. Ein typischer Nachbarschaftsstreit. Doch in Langweid greift ein Beteiligter zur Waffe und tötet drei Menschen. Nun wurde er zu lebenslanger Haft verurteilt.

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Gerhard B. stellt sich in eine Ecke des Treppenhauses, wo er nicht zu sehen ist. Dann wartet er. Als ein Nachbars-Ehepaar ins Treppenhaus kommt, tritt Gerhard B. aus seinem Versteck. Er hebt seine Pistole und feuert. Aus kürzester Distanz schießt er den 49 und 52 Jahre alten Opfern in den Kopf. Dann geht er weiter und tötet eine weitere 72-jährige Nachbarin mit einem Kopfschuss durch die noch verschlossene Tür. Anschließend fährt Gerhard B. zum Sohn der Rentnerin, um auch ihn und seine Lebensgefährtin zu erschießen. Mit vier Schüssen verletzt er beide.

Diesen Tathergang sehen die Richter des Augsburger Landgerichts als erwiesen an, weshalb sie den 65-jährigen Sportschützen zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilten. Wie von der Staatsanwaltschaft gefordert, kommt eine besondere Schwere der Schuld hinzu. Damit wäre eine vorzeitige Haftentlassung nach bereits 15 Jahren Haft kaum möglich.

16 Sekunden für drei Kopfschüsse

Für das Urteil war eine Frage entscheidend: War Gerhard B. zur Tatzeit voll schuldfähig? Vor dem Verbrechen hatte es in dem Mehrfamilienhaus Streit gegeben. Mal wieder. Und wie immer mit Gerhard B. in der Hauptrolle. Mal soll er sich an lärmenden Kindern gestört haben, mal soll es um verschlossene Türen gegangen sein. Dann um Mülltonnen, die nicht rechtzeitig hinausgestellt wurden.

Als die Nachbarn am Tattag wegen des heftigen Streits die Polizei kontaktieren, fährt Gerhard B. erstmal zum Grab seiner Eltern und isst in einem Imbiss. Dann kehrt er zurück nach Langweid, wie die Ermittlungen belegen: Gerhard B. setzt sich Schallschutz-Kopfhörer auf, holt seine Waffen, und schreitet zur Tat. Laut der Anklageschrift dauerte die Tötung der drei Menschen gerade einmal 16 Sekunden.

"Ich glaube, sie ist tot"

Der Verlauf des Verbrechens wurde im Prozess teils minutiös geschildert – auch durch ein Notrufprotokoll der Polizei. "Schnell, schicken Sie jemanden, meine Frau ist erschossen worden", ist die aufgeregte Stimme des Anrufers in der Aufnahme zu hören. Der Anrufer kann der Polizistin am Telefon sogar noch den Namen des Schützen und sein Autokennzeichen nennen. "Er ist noch im Haus, über uns", sagt er.

Minutenlang hält ihn die Beamtin der Einsatzzentrale in der Leitung. "Alles, was Räder hat, ist unterwegs zu Ihnen", sagt die Polizistin und versucht mit einem weiteren Beamten übers Telefon Erste-Hilfe-Tipps zu geben – vergeblich. "Traudl, Traudl", sagt der Anrufer völlig aufgelöst, "ich glaube, sie ist tot".

Das gezielte und planvolle Handeln des Täters lässt aus Sicht des Gerichts nur einen Schluss zu: Gerhard B. handelte in voller Absicht und sei voll schuldfähig. Zu diesem Schluss kam auch ein psychiatrisches Gutachten im Auftrag des Gerichts.

Opfer-Anwältinnen: Angeklagter inszeniert sich als Opfer

Die Verteidigung hatte ihrerseits ein Gutachten beauftragt. Demnach sei Gerhard B. psychisch krank und deshalb nur eingeschränkt schuldfähig. Eine zentrale Rolle spiele dabei die Herzkrankheit des Angeklagten. Die zunehmende Angst vor einem tödlichen Infarkt habe ihm die Fähigkeit genommen, "mit Konflikten regelgerecht umzugehen". Selbst bei banalen Konflikten. Drei bis 15 Jahre Haft seien deshalb angemessen gewesen, so sein Verteidiger.

Die beiden Anwältinnen der Opferfamilien warfen Gerhard B. vor, sich selbst als Opfer darzustellen. Er habe keinerlei Reue gezeigt, auch nicht in seinen letzten Worten. "Sie haben mir Mama und Papa genommen. Ich habe beide zutiefst geliebt. Ich werde nie mehr Zeit mit ihnen verbringen können", schrieb der Sohn eines Opfers an Gerhard B. Eine andere Hinterbliebene leide noch immer unter "Flashbacks", zucke bei jedem Klingeln zusammen. Auch Gerhard B. hatte geklingelt, bevor er durch die Tür auf sie feuerte.

Gerhard B. war Sportschütze

Als Sportschütze besaß Gerhard B. die Tatwaffe legal. Rechtlich hätte es aber Möglichkeiten gegeben, ihm diese Waffenerlaubnis zu entziehen, sagt der Journalist und Sachverständige für Schusswaffen, Lars Winkelsdorf. Gerhard B. sei bereits vor Jahren auffällig geworden und polizeibekannt gewesen. Die Auseinandersetzungen mit den Nachbarn seien heftig genug gewesen, dass die Behörden hätten einschreiten müssen, so Winkelsdorf. Die Aufsichtsbehörden erklärten ihrerseits, Waffenbesitzer stets genau und gesetzeskonform zu kontrollieren.

Gerhard B. verfolgte den ganzen Prozess äußerlich ungerührt. Das Urteil nahm er ohne emotionale Regung zur Kenntnis und kündigte an, Revision beantragen zu wollen.

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