Im Prozess um den Dreifachmord von Langweid fordert die Staatsanwaltschaft eine lebenslange Haftstrafe für den Angeklagten.
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Im Prozess um den Dreifachmord von Langweid fordert die Staatsanwaltschaft eine lebenslange Haftstrafe für den Angeklagten.

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Dreifachmord von Langweid: Staatsanwalt fordert lebenslange Haft

Im Prozess um den Dreifachmord von Langweid fordert der Staatsanwalt für den angeklagten Sportschützen lebenslange Haft. Er soll drei Nachbarn erschossen haben. Im Gericht fließen Tränen, als der Brief eines hinterbliebenen Sohnes vorgelesen wird.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Schwaben am .

Im Verfahren gegen den mutmaßlichen Dreifachmörder von Langweid vor dem Landgericht Augsburg hat die Staatsanwaltschaft in ihrem rund zwei Stunden langen Plädoyer eine Verurteilung wegen vorsätzlichen Mordes in drei Fällen und versuchten Mordes sowie Körperverletzung in zwei Fällen gefordert. Eine lebenslange Haft für den 65 Jahre alten Angeklagten sei angemessen.

Staatsanwaltschaft fordert lebenslange Haft

Er sei "voll schuldfähig" und sei bei der Tat heimtückisch und planvoll vorgegangen – der Angeklagte habe den Tod der drei Opfer gewollt, sagte Staatsanwalt Thomas Junggeburth. Die Tat sei derart außergewöhnlich, dass die Schwere der Schuld gegeben sei. Der 65-jährige Sportschütze hat laut Anklage im Juli vergangenen Jahres "eiskalt" und gezielt drei Menschen erschossen.

Der Angeklagte sitzt während des Plädoyers mit verschränkten Armen auf der Anklagebank und schaut immer wieder in den vollbesetzten Gerichtssaal. Der 65-Jährige trägt ein dunkelblaues Hemd, schwarze Jeans, schwarze Laufschuhe und hört den Ausführungen mit stoischem Gesichtsausdruck zu.

Eine "Hinrichtung" mit Kopfschüssen

Der Staatsanwalt sprach in seinem Plädoyer von einer "Hinrichtung" mit aus nächster Nähe abgegebenen Kopfschüssen, er habe damit "das Todesurteil" vollstreckt, das er selbst gefällt habe. Nur acht Sekunden liegen zwischen dem ersten und dritten Schuss, mit denen er die ersten beiden Opfer, ein Ehepaar, im Treppenhaus des gemeinsam bewohnten Hauses tötet. Dann sei er weitergegangen, zur Tür der nächsten Nachbarn und habe durch das Türblatt hindurch eine weitere Frau erschossen, diese habe nicht mit dem Angriff gerechnet.

Den Sohn eines Opfers und dessen Freundin versuchte der Angeklagte laut Staatsanwaltschaft ebenfalls zu erschießen, an einer anderen Wohnadresse, zu der er mit dem Auto fährt. Beide erleiden Schussverletzungen, überleben aber, weil es ihnen gelingt, sich rechtzeitig in die Wohnung zu flüchten. Das Ziel des Angeklagten sei gewesen, den seit langem gärenden Nachbarschaftsstreit "endgültig zu beenden", ist sich der Staatsanwalt sicher.

Ermittler sehen in einer Anzeige das "zentrale Tatmotiv"

Auch am Tattag habe es wieder Streit gegeben, die Nachbarn erstatteten Anzeige gegen den Angeklagten. Als dieser von der Anzeige erfährt, habe es "ihm den Vogel rausgehauen", soll der Angeklagte gesagt haben. Hier sehen die Ermittler das "zentrale Tatmotiv", sagt Staatsanwalt Thomas Junggeburth.

Der Tatablauf am ersten Tatort wird minutiös dokumentiert durch das "sehr beklemmende" Tondokument eines zufälligen Handymitschnitts. Daraus werde klar, dass es vor der Tat im Treppenhaus des Gebäudes keinen Streit mehr gegeben habe. Der Angeklagte habe schweigend geschossen, die Opfer seien "völlig schutzlos" gewesen, als der Mann aus nächster Nähe auf sie gefeuert habe, zum Teil aus nur fünf Zentimeter Entfernung.

Es gebe bis heute lediglich ein Teilgeständnis, aber keine Zeichen von Reue oder Übernahme von Verantwortung, oder gar eine Entschuldigung an die Hinterbliebenen, so der Ankläger. Von einer Affekttat sei aus verschiedenen Gründen nicht zu reden, meint Junggeburth: Der Mann sei zielgerichtet vorgegangen. Auf dem Weg in den Arrest habe er einem Ermittler gegenüber sogar ein Opfer namentlich genannt und gestanden, den Mann getötet zu haben. Für eine Amnesie oder einen "Blackout", gebe es daher keinerlei Hinweise, betont der Staatsanwalt.

Verteidigung geht von verminderter Schuldfähigkeit aus

Damit widerspricht der Staatsanwalt auch der Linie der Verteidigung, die von einer "vollständigen psychischen Entgleisung" ausgehe. In seinem Plädoyer fordert der Verteidiger Walter Rubach eine Haftstrafe von drei bis 15 Jahren wegen verminderter Schuldfähigkeit. Es gebe keine Zweifel am Tathergang und daran, dass der Angeklagte die Taten begangen habe, stellt der Verteidiger fest. Fraglich sei aber, ob sein Mandant bewusst gehandelt habe.

Nachbarschaftsstreitereien gebe es öfter, dass sie aber derart eskalieren würden, das sei selten. Es gebe nichts, was auf Gewalttätigkeit oder Aggressivität seines Mandanten hindeuten würde, er sei sein Leben lang gesetzestreu und ordentlich bis zu Pedanterie gewesen. Er habe sich allerdings im Lauf der Jahre immer weiter zurückgezogen und "schier komplett" isoliert, auch von der eigenen Ehefrau.

Angeklagter soll Konflikten ausgewichen sein

Eine zentrale Rolle spiele dabei die Herzkrankheit des Angeklagten, die zunehmende Angst vor einem tödlichen Infarkt habe ihm die Fähigkeit genommen, "mit Konflikten regelgerecht umzugehen", sagte Verteidiger Rubach in seinem Plädoyer. Schon bei banalen Konflikten habe sein Mandant immer wieder die Flucht ergriffen.

Das zeige auch der Chatverkehr, den die Polizei ausgewertet habe: Schon ein Jahr vor der Tat habe er geschrieben, dass er sich in Langweid nicht mehr wohlfühle, gar nicht mehr dorthin zurückwolle. Der Frust habe sich angestaut und sei schließlich explodiert, so Verteidiger Rubach, die Ausweichstrategie habe nicht mehr funktioniert. In der Gesamtschau sei bei der Tat von einer verminderten Schuldfähigkeit des 65 Jahre alten Angeklagten auszugehen.

Nebenklage fordert ebenfalls lebenslange Haftstrafe

Dagegen schließt sich die Nebenklage der Forderung der Staatsanwaltschaft nach einer lebenslangen Haftstrafe für den Angeklagten an. Seine Begründung, er habe einen Blackout gehabt und sei gar nicht gewalttätig, wertete die Opfer-Anwältin Isabel Kratzer-Ceylan als reine Schutzbehauptung. Sogar seine eigene Ehefrau habe ihn "als tickende Zeitbombe wahrgenommen". Er sei dann bei der Tat kaltblütig und gezielt vorgegangen.

"Sie mussten über diese Leichen steigen", aber selbst das habe ihn nicht abgehalten, auf weitere Menschen zu feuern. Er habe "unermessliches Leid über die Angehörigen gebracht", sagte die Opfer-Anwältin. Er habe zudem die Chance verpasst, die Betroffenen um Verzeihung zu bitten.

Sohn des getöteten Ehepaars wendet sich per Brief an Angeklagten

Kratzer-Ceylan las im Gerichtssaal den Brief des minderjährigen Sohnes des getöteten Ehepaars vor. Sofort flossen die Tränen bei vielen Zuhörern im Saal. Denn der 15-Jährige richtet sich darin mit sehr persönlichen Zeilen an den Angeklagten: "Sie haben das Schlimmste getan, Sie haben mir Papa und Mama genommen, nichts rechtfertigt das (…) Was ist vom Tag eins, wo Sie uns geholfen haben einzuziehen, bis zur Tat, was ist da passiert? Ich frage mich warum? (…) ich hoffe, Sie bleiben für immer weggesperrt, ich habe Mama und Papa unendlich geliebt."

Die Opfer-Anwältin Kratzer-Ceylan sprach von einer schier unerträglichen Situation, weil sich der Angeklagte immer noch als "Opfer geriere". Das Motiv der Tat bleibe unbegreiflich. Fest stehe nur, dass "kein anderer als Sie diese Taten begangen haben, und zwar eigenhändig"; damit müsse er nun klarkommen.

Verletzte Opfer leiden bis heute unter Flashbacks

Einer weiteren Opfer-Anwältin, Daniela Rose, stockte immer wieder die Stimme, als sie schilderte, wie sehr ihre Mandanten, die Angehörigen der getöteten zweiten Nachbarin sowie die verletzten Opfer, unter der Tat leiden. Sie würden bis heute immer wieder Flashbacks erleiden, bei jedem Klingeln zusammenzucken. Rose kritisiert auch, dass der Angeklagte ein teures eigenes Gutachten in Auftrag gegeben habe, um sich selbst zu entlasten. Dieses Geld wäre besser aufgehoben gewesen als Schmerzensgeld für die Hinterbliebenen.

Der Angeklagte sehe sich selbst als Opfer, schuld seien immer nur die anderen aus seiner Sicht, diese Haltung ziehe sich wie ein roter Faden durch sein Leben. Es könne aber keine Rechtfertigung dafür geben, drei Menschen zu erschießen und zwei weitere zu verletzen, so Rose. Der Angeklagte sei ein "eiskalter Mörder" und als solcher zu bestrafen. Jetzt muss das Gericht entscheiden. Das Urteil soll am kommenden Freitag, 26.7., um 11 Uhr verkündet werden.

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