Maximilian Faul ist Ackerbauer im schwäbischen Landkreis Donau-Ries. Auf 170 Hektar Fläche baut er Zuckerrüben, Sojabohnen, Dinkel und Gemüse an - alles nach Naturland-Richtlinien. Am 8. Januar war er mit seinem Traktor bei der bundesweiten Bauerndemo dabei, zusammen mit Berufskollegen legte er frühmorgens den Berufsverkehr in Nördlingen lahm. Ziel war, der Bevölkerung klarzumachen: "Ohne Landwirte wärt ihr hungrig, nackt und nüchtern. Was wäre die Menschheit ohne Landwirte?" Weiteres Ziel: die Agrarpolitik anprangern.
"Alles nur heiße Luft"
Ein halbes Jahr später ist der Biobauer ernüchtert: "Es bleibt alles beim Alten und sehr viele Leute haben keine Lust mehr, sich irgendwelche Reden anzuhören - alles nur heiße Luft." Maximilian Faul hat ein spezielles Problem: Er bekommt für sein Bio-Soja zu wenig Geld. Bisher konnte er die Sojabohnen zur Tofu-Herstellung gut vermarkten. Aber jetzt kämen billige Bio-Sojabohnen aus der Ukraine auf den Markt, beklagt er. Er fordert, die Politik müsse das unterbinden, macht sich aber wenig Hoffnungen, dass das auch wirklich passiert. Am meisten Angst hat er davor, dass "die Ukraine in die EU aufgenommen werden soll. Weil wir mit den Riesenbetrieben in Osteuropa leider Gottes nicht mithalten können."
Landwirte glauben nicht an "weniger Bürokratie"
Über das Agrarpaket, das Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) angekündigt hat, lächelt er. An weniger Bürokratie glaube er nicht, das sei schon zigmal versprochen worden. Die angekündigte steuerliche Gewinnglättung würde ihm zwar jährlich rund 6.000 Euro bringen. Dabei wird anstelle des aktuellen Jahresgewinns ein Durchschnittsgewinn über drei Jahre herangezogen. Die Bauern können dadurch Einkünfte aus guten und schlechten Jahren besser miteinander verrechnen.
Doch 6.000 Euro als Plus sind etwa das, was Faul in Zukunft durch die Streichung der Agrardieselvergünstigung verliert. Für ihn also ein Nullsummenspiel. Doch Faul gibt die Schuld nicht nur der Ampel-Regierung in Berlin. Schon Özdemirs Vorgänger hätten von Landwirtschaft keine Ahnung gehabt und 2019 sei er nach dem Volksbegehren "Rettet die Bienen" aus der CSU ausgetreten - "aus Verärgerung, weil sich Söder mehr um Insekten als um uns Bauern gekümmert hat".
Schweinehalter befürchten Verschärfungen bei Schwanz-kupieren
Schweinehalter Gerhard Langreiter aus dem Landkreis Mühldorf dagegen hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Er war im Januar bei der großen Demo am Münchner Odeonsplatz dabei. Ihm geht es um das Tierschutzgesetz. Den Entwurf für eine neue Fassung mit strengeren Vorschriften gibt es schon seit über einem Jahr. Doch Langreiter hatte gehofft, Özdemir würde nach den Bauerndemos wieder einen Gang zurückschalten - vor allem bei einem Thema: Kupieren von Ferkelschwänzen. Der Schweinehalter kürzt routinemäßig seinen Ferkeln kurz nach der Geburt die Ringelschwänze.
Verhindert Schwänze kupieren Tierleid?
Seit Jahrzehnten ist das verboten, doch es gibt Ausnahmeregelungen: Um späteres Tierleid zu verhindern, werden fast alle Ferkel kupiert. Denn Schweine beißen sich oft gegenseitig die Schwänze ab, Gründe dafür gibt es viele: Stress oder Langeweile, schlechte Stallluft, falsche Futterkomponenten, genetische Veranlagung. Ein Patentrezept dagegen gibt es bisher nicht. Für Langreiter ist das Kupieren unverzichtbar: "Wenn ein Ferkel den Schwanz angefressen hat und sich das bis ins Rückenmark entzündet, muss das Ferkel notgetötet werden. Das ist für mich schlimmer, als 250 Ferkeln den Schwanz zu kupieren."
Schweinehalter fürchten Strafen
Im neuen Tierschutzgesetz sind Verschärfungen geplant. Maximal ein Drittel des Schwanzes darf in Zukunft weggeschnitten werden. Das war zwar bisher schon die Vorgabe, aber es stand nicht explizit im Gesetz. Langreiter kritisiert, in der Praxis sei es unrealistisch, das auf einen Zentimeter genau zu schaffen. Er befürchtet, "dass in Zukunft jemand sagt, du hast einen Zentimeter zu viel gekürzt, das gibt eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft wegen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz".
Außerdem muss er in Zukunft viel häufiger seine Ferkel kontrollieren und dokumentieren, ob das Kupieren überhaupt notwendig ist. Denn nur, wenn fünf Prozent der Tiere juckende und entzündete Hautstellen am Körper haben oder bereits angefressene Schwänze, darf er in Zukunft zum Heißschneidegerät greifen. Viel zu viel Arbeit und Bürokratie, sagt Langreiter.
Bauern wollen wieder demonstrieren
Im September soll das neue Tierschutzgesetz im Bundestag verabschiedet werden. Langreiter hofft, dass es bis dahin nochmal Änderungen gibt. Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied hat beim Deutschen Bauerntag in Cottbus Ende Juni bereits wieder Demonstrationen für Herbst oder Winter angekündigt, sollte die Politik nicht noch Angebote an die Landwirte machen. Gerhard Langreiter wäre wieder mit dabei. Und auch Biobauer Maximilian Faul will mit seinem Traktor wieder Straßen blockieren. Er erhoffe sich davon zwar nichts, aber: "Demonstrieren ist ein Akt der Demokratie, also bin ich wieder mit dabei."
Özdemir hat allerdings in Cottbus den Landwirten Hoffnung gemacht: "Auch mir ist ein großes Paket lieber. Es ist der Notwendigkeit der Koalition geschuldet, dass wir halt viele einzelne kleine Pakete machen, die dann hoffentlich ein großes Paket ergeben, das Sie zufriedenstellt."
Im Video (10. Januar 2024): Aktionswoche - Bauernprotest in Augsburg
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