Die grünen Gummischuhe der beiden Anästhesiepflegerinnen Valmonda Kelmendi und Jana Lücke quietschen über den Boden des Fürther Klinikums. Routiniert bereiten sie sich auf die nächste Operation vor, testen die Geräte und präparieren die Spritzen. Seit November vergangenen Jahres stehen sie nur noch an vier Tagen pro Woche im Operationssaal.
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Jeder fünfte OP-Mitarbeitende hat die Vier-Tage-Woche getestet
"Für mich war es anfangs unvorstellbar, dass so etwas in einem Schichtplan umgesetzt werden kann. Als es dann hier angeboten wurde, war ich direkt ganz Ohr", sagt Kelmendi. Die Teilnahme an dem Projekt war freiwillig und ausschließlich auf das OP- und Anästhesie-Personal beschränkt. Etwa 15 bis 20 Prozent der Mitarbeitenden haben das neue Arbeitszeitmodell getestet, berichtet Professor Christoph Raspé, Chefarzt der Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie. Die meisten wollen die Vier-Tage-Woche beibehalten. Das Interesse sei sogar noch gestiegen, als die Mitarbeitenden die Vorteile bei ihren Kollegen gesehen haben, so Raspé. Das Klinikum hat sich daher dazu entschlossen, das Projekt zu entfristen und dauerhaft anzubieten.
Chefarzt: "Mehr Operationen, weniger Eingriffe absagen"
Das Klinikum Fürth ist das erste Klinikum in Deutschland, das die Vier-Tage-Woche im OP-Bereich getestet hat. Gerade dort können Notfälle und Verzögerungen den Operationsplan schnell durcheinanderbringen und so für Frust und Überstunden bei den Mitarbeitenden sorgen. Mit der Vier-Tage-Woche wollte das Klinikum sein Personal entlasten und den Pflegeberuf gleichzeitig wieder attraktiver für neue Bewerber machen.
"Wir haben eine Mitarbeiterbefragung durchgeführt und hatten da sehr positive Ergebnisse", erklärt Professor Raspé. Die Belastung für die Mitarbeiter sei demnach gesunken. Auch aus Arbeitgeber- und Patientensicht ist die Pilotphase gut gelaufen, sagt Raspé. "Wir konnten mehr Operationen durchführen und mussten weniger Eingriffe absagen." Denn für die Patienten sei das Wichtigste, dass eine OP auch wirklich durchgeführt und nicht aus Personalmangel abgesagt werde.
Arbeitstag wird länger – Arbeitszeit und Gehalt bleiben gleich
Wer am Fürther Klinikum in der Vier-Tage-Woche arbeitet, hat statt zwei dann drei Tage pro Woche frei. Die Gesamtarbeitszeit und das Gehalt ändern sich dabei nicht. "Ich arbeite ganz normal meine 38,5 Stunden. Ich bin pro Tag zehn Stunden anwesend, wovon ich dann 45 Minuten Pause habe. Das heißt, im Frühdienst bin ich dann zum Beispiel von 7 bis 17 Uhr da", erklärt Jana Lücke. Der Arbeitstag wird somit länger, die Arbeitswoche dafür kürzer. Eine Schicht verlängert sich so um 1,5 Stunden. Für die beiden ist das kein Problem. "Man ist so in seiner Routine drin und es gibt genug zu tun. Da fällt es mir meistens gar nicht auf, dass die Schicht länger ist", sagt Kelmendi.
Die Zehn-Stunden-Schichten sind aber nicht für jeden geeignet. Bei ähnlichen Versuchen in Siegen und Moers empfanden die Mitarbeiter die verlängerten Dienste beispielsweise als zusätzlichen Stressfaktor. In Fürth ist die Vier-Tage-Woche daher auch in Zukunft nur eine von vielen Möglichkeiten. Die Wahl des geeigneten Arbeitszeitmodells bleibt letztendlich den Mitarbeitenden überlassen.
Das Fürther Modell dient als Vorbild für andere Kliniken
Auch andere Kliniken in Deutschland möchten die Vier-Tage-Woche nun in ihren Häusern etablieren. Das Klinikum Fürth dient ihnen hierbei als Vorbild. "Ganz viele Kliniken hatten großes Interesse und waren auch hier vor Ort, um zu hospitieren und zu schauen, welche Arbeitszeiten wir durchführen, wie wir das im OP steuern und wie wir das Projekt implementiert haben", sagt der stellvertretende ärztliche Direktor Raspé zu der Zukunft des Projektes. Im nächsten Schritt soll die Vier-Tage-Woche jetzt auf andere Bereiche des Klinikums ausgeweitet werden.
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