Bundeskanzler Olaf Scholz und Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine (Archiv)
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Bundeskanzler Olaf Scholz und Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine (Archiv)

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Deutsche Waffen gegen Ziele in Russland? Scholz bleibt bei Nein

Die Ukraine steht militärisch unter Druck. Um sich wirksamer verteidigen zu können, möchte sie westliche Waffen auch gegen Ziele in Russland einsetzen dürfen. Die Bundesregierung fürchtet eine Ausweitung des Konflikts - Experten widersprechen.

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Flugabwehrsysteme vom Typ Patriot, MARS-Raketenwerfer oder in Grenznähe die Panzerhaubitze 2000: Schon jetzt habe die Ukraine Waffensysteme aus Bundeswehr-Beständen, die sie wirksam gegen Ziele in Russland einsetzen könnte, sagt der Militärexperte Gustav Gressel im Gespräch mit BR24. Der Analyst vom Thinktank "European Council on Foreign Relations" (ECFR) ist sicher, dass die Ukraine zum Beispiel Attacken mit Gleitbomben, die von Kampfjets noch im russischen Luftraum ausgeklinkt werden, "nur wirksam bekämpfen kann, wenn man auf die andere Seite schießt."

Angriffe wären durch Selbstverteidigungsrecht gedeckt

Völkerrechtliche Bedenken gegen den Einsatz westlicher Waffen durch die Ukraine sieht Gressel nicht. Die Ukraine habe das Recht, sich zu verteidigen und diese Verteidigung beinhalte laut UN-Charta auch, dass "legitime militärische Ziele auf der russischen Seite" bekämpft würden. Ein solcher Einsatz sei "völkerrechtlich gedeckt", ist sich auch Christian Mölling, Sicherheitsexperte der "Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik" (DGAP), sicher.

Der "begrenzende Faktor" für ein solches Vorgehen der Ukraine sind nach Auffassung Möllings zurzeit "westliche Staaten, die der Ukraine vorschreiben, dass sie diese Waffen nicht einsetzen darf."

Druck steigt durch militärische Lage

Zu diesen Waffensystemen zählen auch Marschflugkörper, wie sie Frankreich und Großbritannien geliefert haben, sowie US-amerikanische ATACMS-Kurzstreckenraketen. Auch die USA, als wichtigster Unterstützer der Ukraine, lehnen den Einsatz der von ihnen gelieferten Waffen gegen russisches Staatsgebiet ab – bisher.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat Partnerstaaten der Ukraine nun aufgerufen, die Freigabe gelieferter Waffen für Angriffe auf russisches Gebiet zu prüfen. Durch verheerende russische Attacken, wie zuletzt gegen ein Einkaufszentrum in Charkiw in der Ostukraine, steige vor allem der Druck auf Washington, betont ECFR-Analyst Gustav Gressel.

Er rechnet "in absehbarer Zeit mit einer Veränderung der amerikanischen Haltung." Das könnte dann aus Sicht von Gressel auch dazu führen, dass andere Staaten ihre Position verändern und der Ukraine grünes Licht für den Einsatz westlicher Waffen gegen russisches Territorium geben.

Karte: Die militärische Lage in der Ukraine

Bundesregierung bleibt beim Nein

Anzeichen dafür, dass die Bundesregierung ihre Haltung in dieser Frage ändert, gibt es nicht. Regierungssprecher Hebestreit verwies auf Vereinbarungen mit der Ukraine, die den Einsatz gelieferter deutscher Waffen regeln. Der Inhalt dieser Vereinbarungen sei vertraulich, so Hebestreit. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Wochenende Forderungen nach einer Freigabe für den Einsatz deutscher Waffen gegen Ziele in Russland eine Absage erteilt und auf eine mögliche Eskalationsgefahr verwiesen.

Dieses Risiko hält der Militärexperte Gressel für beherrschbar. Die Ukraine könne dazu verpflichtet werden, jeden entsprechenden Einsatz mit dem Land abzusprechen, das das Waffensystem an die Ukraine geliefert hat. Davon ist Gressel überzeugt. Durch solche Einzelfallentscheidungen hätte dann zum Beispiel die Bundesregierung "immer noch Einfluss auf den Prozess."

Damit, dass die Regierung in Berlin ihre Position in absehbarer Zeit ändert und grünes Licht für ukrainische Angriffe auf russisches Staatsgebiet mit deutschen Waffensystemen gibt, rechnet Militärexperte Gressel aber nicht. Der Kanzler werde bei diesem Thema "aus wahlkampftaktischen Gründen" bei seinem Nein bleiben, glaubt Gressel.

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