Mirjam Kottmann, Moderatorin bei Euroblick, wurde zur europäischen Journalistin des Jahres 2024 ausgezeichnet.
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Mirjam Kottmann, Moderatorin bei Euroblick, wurde zur europäischen Journalistin des Jahres 2024 ausgezeichnet.

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Euroblick-Moderatorin ist Europas Journalistin 2024

Euroblick-Moderatorin ist Europas Journalistin 2024

Mirjam Kottmann wurde zur europäischen Journalistin des Jahres 2024 ausgezeichnet. Laut Jury durchbreche sie festgefahrene Strukturen, überschreite Grenzen und verändere Sichtweisen nachhaltig. In der Tat: Kottmann ist eine Mutmacherin.

Vor 13 Jahren wurde BR Journalistin Mirjam Kottmann von der rasenden zur rollenden Reporterin. Die 50-Jährige, die seit 27 Jahren beim Bayerischen Rundfunk arbeitet, sitzt im Rollstuhl. Ihre Multiple Sklerose Erkrankung ist so weit fortgeschritten, dass sie weder stehen noch laufen kann. Lange hat sie ihre Krankheit im Berufsleben verheimlicht. Als das nicht mehr ging, begann sie, sich ihrer neuen Realität zu stellen. Dass sie heute Mutmacherin und Vorbild für andere sein kann, hätte sie sich damals nicht vorstellen können.

Traumberuf Journalistin. Und plötzlich ist alles aus?

Es war für mich entsetzlich und furchtbar, dass ich im Rollstuhl gelandet bin. Ist es nach wie vor. Und es ist so schwer zu akzeptieren. Aber wenn ich dann Menschen Mut machen kann, dann zeige ich mich doch und dann sage ich, das Leben ist nicht vorbei, nur weil man nicht mehr laufen kann. Es geht weiter. - Mirjam Kottmann

Als sie die Diagnose Multiple Sklerose erhält, ist Mirjam Kottmann 24 Jahre alt. Da arbeitet sie seit einem Jahr als Journalistin beim Bayerischen Rundfunk. Sie will raus in die Welt und berichten. Deshalb entscheidet sie sich, zu schweigen. Über 10 Jahre weiß niemand in ihrem beruflichen Umfeld, dass sie krank ist. Doch die MS greift die Nervenzellen in ihrem Rückenmark an. Die Schmerzen im gesamten Körper werden immer schlimmer. Als Mirjam Krücken zum Gehen braucht, begründet sie dies mit den Folgen eines Skiunfalls. Dann kommt der Rollstuhl, den sie zu verstecken versucht. "Wenn ich Live-Schalten hatte, habe ich immer mit dem Kamera-Team überlegt, was können wir machen, dass man ja nicht sieht, dass ich im Rollstuhl sitze."

Eine Reportage im Jahr 2018 verändert Mirjams Leben

Das ändert sich erst 2018. Mirjam folgt ihrem Bauchgefühl und zeigt sich im ARD-Morgenmagazin erstmals als Reporterin im Rollstuhl. Die Zuschauer-Reaktionen überwältigen sie. "Ein junges Mädchen schrieb mir, sie säße seit Geburt an im Rollstuhl und würde so gerne Journalistin werden und hat immer gedacht, dass sie das nicht könnte, weil sie ja im Rollstuhl sitzt. Und dann habe sie morgens vor der Schule diesen Bericht gesehen und das hätte ihr so viel Kraft gegeben".

Auch Mirjam fasst dadurch neuen Mut. Und kämpft für ihren beruflichen Traum: Moderatorin zu werden. Sie beginnt sich innerhalb des Bayerischen Rundfunks zu bewerben und erhält erstmal viele Neins. "Da hieß es mal, Reporter werden keine Moderatoren. Was überhaupt nicht stimmt. Dann hieß es, ja wie soll denn das funktionieren, da hinter diesem Stehtisch hervorzuschauen. Das geht doch gar nicht. Da müssten wir ein Podest bauen. – Oder es gab Castings, aber ohne mich."

Eine unverhoffte Chance - und ihre Behinderung ist zum ersten Mal kein Thema

Mirjam gibt trotzdem nicht auf. Und das zahlt sich aus. Ab 2018 moderiert sie auf ARD Alpha. Und weil sie als Reporterin viel internationale Erfahrung hat, übernimmt sie ab 2022 auch Moderationen bei den Europa-Sendungen "Alpen-Donau-Adria" und "Euroblick" im BR-Hauptprogramm. Ihr Rollstuhl ist dabei kein Hindernis, im Gegenteil. Es war damals großartig, zu spüren, dass meine Behinderung zum ersten Mal kein Thema ist, sagt Mirjam Kottmann. Anders als zuvor bei meinen Bewerbungen für Nachrichten-Formate.

Inklusion im Beruf: Setzt ein Umdenken ein?

Im Herbst 2023 wird Mirjam Kottmann doch noch zu einem Casting eingeladen, auf dass sie schon lange hofft. Und – sie überzeugt. Seit Frühjahr 2024 moderiert sie die BR24 Nachrichten. Dabei sitzt sie in einem speziellen Rollstuhl, der es ihr ermöglicht viel höher zu sitzen und so am Stehpult zu moderieren. Mirjam Kottmann ist damit die erste Moderatorin im Deutschen Fernsehen, die eine Nachrichtensendung im Rollstuhl sitzend moderiert. Und dafür erhält sie viel Aufmerksamkeit. Radio- und Fernseh-Sender aus dem In- und Ausland berichten über sie. Auch internationale Zeitungen und Magazine.

Im Oktober wird sie schließlich auf dem größten Medien-Festival Europas mit dem Preis "Prix Europa - Journalistin des Jahres 2024" geehrt. Ich konnte es zuerst gar nicht glauben, erzählt Mirjam, dass ich diesen Preis erhalten soll. Bei der Verleihung in Berlin appelliert sie dann, Inklusion ehrlich zu leben:

Gebt diesen Menschen eine Chance, wenn ihr einen Mitarbeiter habt, der vielleicht im Rollstuhl sitzt oder eine andere Beeinträchtigung hat und der kann aber was, dann gebt ihm doch die Chance, dass er sich zeigen kann. Weil nur so kommen wir in Sachen Inklusion voran. Und die Medien haben ja die Kraft und die Macht auch was zu verändern. Nur sie tun es bislang nicht und da sind wir in Deutschland echt noch ganz weit hinten dran. Und auch in anderen europäischen Ländern ist da wirklich ganz viel Luft noch nach oben.

Hilde Stadler, Leiterin BR-Europamagazine Fernsehen, ergänzt.

Die Auszeichnung von Mirjam Kottmann als "Europäische Journalistin 2024" hat eine wichtige Signalwirkung über Sender- und Ländergrenzen hinweg. Mit ihr als Moderatorin eines Europamagazins hat der BR eine Alleinstellung und Vorreiterrolle in der europäischen Medienlandschaft. Das bestätigen sehr eindrucksvoll die Zuschauerzuschriften sowie auch die breite Zustimmung der RedakteurInnen unserer europäischen Partnersender beim "Alpen-Donau-Adria"-Magazin, u.a. aus Italien (Rai), Kroatien (HRT), Slowenien (RTV) und dem Staatsfernsehen in Ungarn (MTVA). Wir brauchen sichtbar positive Vorbilder und eine Selbstverständlichkeit im Umgang mit Behinderung.

Mirjam Kottmann wundert dieses ganze Interesse an ihrer Person. Aber das, was sie mache, sei eben scheinbar nicht normal. Erst dann, wenn niemand mehr darüber berichtet, dass eine Frau im Rollstuhl moderiert, erst dann haben wir Inklusion erreicht.

Zu sehen ist Mirjam Kottmann als Moderatorin am Sonntag, 24.11.2024 bei "Euroblick" - 16:45 Uhr auf BR Fernsehen.

Im Video: BR-Moderatorin Mirjam Kottmann ist "Europäische Journalistin des Jahres 2024"

BR-Moderatorin Mirjam Kottmann
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BR-Moderatorin Mirjam Kottmann ist "Europäische Journalistin des Jahres 2024"

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