Prominenter Zeuge vor dem Masken-Untersuchungsausschuss im Bayerischen Landtag - und wenig Erkenntnisgewinn: Der frühere Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kennt offenbar kaum Details der bayerischen Maskengeschäfte zu Beginn der Corona-Pandemie. Weltweit habe damals "Wildwest auf dem Maskenmarkt" geherrscht, betonte Spahn allerdings. Klassische Beschaffungswege hätten einfach nicht funktioniert.
Gleichzeitig verurteilte Spahn in seiner zweistündigen Befragung, dass einzelne Mandatsträger hohe Provisionen erhalten haben. Ohne die CSU-Politiker Georg Nüßlein und Alfred Sauter an dieser Stelle namentlich zu nennen, sagte Spahn: Das sei eine "menschliche Enttäuschung" und ärgere ihn maßlos. "Ich finde es einfach schäbig, dass sich da in der Krise bereichert wird."
Hohlmeier-Vorschlag laut Spahn einfach intern weitergeleitet
2020 erhielt Spahn auch mehrere SMS der CSU-Europaabgeordneten Monika Hohlmeier, Tochter von Partei-Ikone Franz Josef Strauß. In einer Nachricht bot Hohlmeier Spahn einen Kontakt an, über den der Bund drei Millionen Schutzmasken erhalten könne. Aus heutiger Sicht ist klar, dass es dabei um Masken des Schweizer Zwischenhändlers Emix ging - für den eine gewisse Andrea Tandler über ihre Freundin Hohlmeier warb.
Tandler ist die Tochter des früheren CSU-Generalsekretärs Gerold Tandler. Sie hat dem Vernehmen nach zusammen mit ihrem Geschäftspartner von Emix eine Provision von bis zu 48 Millionen Euro erhalten. Hohlmeier hat dagegen nach eigener Aussage keine Provision bekommen. Spahn betonte vor dem Untersuchungsausschuss, dass er sich über die Strauß-Tochter "ausdrücklich nicht" ärgere.
Viele Kollegen hätten in der damaligen Zeit solche Hinweise gegeben, sagte Spahn über die Hohlmeier-SMS. Er habe bei solchen Angeboten immer um eine E-Mail gebeten - und diese dann innerhalb des Bundesgesundheitsministeriums weitergeleitet. In die fachliche Bewertung habe er sich nie eingemischt. Spahn betonte zudem, dass er nicht gewusst habe, welche Rolle Tandler bei den Verhandlungen zwischen Emix und dem bayerischen Gesundheitsministerium gespielt hat. Denn auch an den Freistaat verkauften die Schweizer Unternehmer Masken - zu extrem hohen Stückpreisen, teils mit fraglicher Qualität.
Spahn telefonierte mit Tandler - Rinderspacher: "News des Tages"
Auf Nachfrage räumte Spahn aber ein, dass er später "ein- bis maximal zweimal" mit Tandler selbst telefoniert habe. Das Telefonat war laut ihm an einem Sonntag, kurz nach einer Hohlmeier-SMS an ihn. Nach eigenen Angaben wollte Spahn an diesem Tag durch diverse Telefonate herausfinden, warum sich die Beschaffung von Schutzmasken und anderer Güter so kompliziert gestaltete. Details des Telefonats mit Tandler nannte der CDU-Politiker nicht. Zum früheren CSU-Justizminister Sauter, der bei einem anderen Maskengeschäft der bayerischen Staatsregierung von einem anderen Händler eine hohe Provision erhalten haben soll, habe er zuletzt "vor vielen, vielen Jahren" in Günzburg Kontakt gehabt.
Der SPD-Landtagsabgeordnete Markus Rinderspacher nannte das Tandler-Spahn-Telefonat "die News des Tages": Neu sei, dass Tandler "ganz unmittelbaren Kontakt ins Zentrum der Macht zum Bundesgesundheitsminister hatte". Mit den sonstigen Äußerungen Spahns zeigte sich Rinderspacher auf BR24-Anfrage unzufrieden. Der Ex-Minister sei "nicht besonders aussagebereit" gewesen. Tatsächlich war Spahns wohl häufigster Satz: Zu diesem oder jenem Vorgang sei ihm "nichts erinnerlich".
Spahn nahm Aiwanger-Brief zu PCR-Schnelltest zur Kenntnis
Auch Nachfragen zum PCR-Schnelltest einer bayerischen Firma beantwortete Spahn ohne neue Erkenntnisse. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hatte sich Ende 2020 in einem Brief an Spahn gewandt - und ihn gebeten, auf eine Zulassung des Tests beim zuständigen Bundesamt zu drängen. Zwar hat Spahn nach eigenen Angaben Aiwangers Brief persönlich zur Kenntnis genommen. Dann sei das Schreiben aber wie üblich an die zuständigen Stellen gegangen.
Kurz darauf gab es doch noch eine Sonderzulassung für den Corona-Test der Firma GNA Biosolutions - laut Spahn nach einer nochmaligen intensiven Prüfung.
Grüne wollen U-Ausschuss im Bundestag
Für Grüne und SPD im Bayerischen Landtag ist spätestens nach Spahns Aussage klar: Es braucht einen Masken-Untersuchungsausschuss auch auf Bundesebene - weil sich der Untersuchungsauftrag des Bayerischen Landtags zu sehr auf Geschäfte mit Beteiligung der Staatsregierung oder bayerischer Mandatsträger beschränkt.
"Nach den Milliardengeschäften im Bund konnten wir Herrn Spahn nicht fragen", sagte Florian Siekmann von den Grünen nach der Sitzung. Das sei jetzt die Aufgabe von Spahns Nachfolger Karl Lauterbach (SPD) - und möglicherweise eines Untersuchungsausschusses im Bundestag.
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