Anders als die "Letzte Generation" setzen sie nicht auf spektakuläre Aktionen, sondern setzen sich für konkrete Projekte in Augsburg ein, etwa dem Ausbau des Radwege: Die Vorstellungen über die verschiedenen Projekte sind so individuell wie die Teilnehmenden am Augsburger Klimacamp selbst. Eins haben sie gemeinsam: Mit dem Kampf gegen die Klimakrise geht es ihnen nicht schnell genug.
Augsburger Klimacamp: Aktivisten halten Stellung
Die Aktivistinnen und Aktivisten des Klimacamps halten die Stellung am Augsburger Rathausplatz, nun seit fast 1.000 Tagen. Ihr Ziel: die Erderwärmung stoppen. Auch der Mathematiker Ingo Blechschmidt kämpft dafür: "Natürlich würde ich lieber zuhause im warmen schlafen als hier, ohne Heizung und ohne fließend Wasser. Aber dieses Klimacamp hat schon so viel Positives bewirkt, und wir kommen hier mit so vielen Menschen in Kontakt, und ich gehe hier sehr, sehr gerne her, verbringen gerne Zeit."
Für sein Engagement hat das Camp den Zukunftspreis der Stadt Augsburg erhalten. Dabei war die Oberbürgermeisterin Eva Weber am Anfang kritisch. Sie warf den Aktivistinnen und Aktivisten vor, sie würden demokratische Prozesse ignorieren. Außerdem fürchtete sie Nachahmer aus verschiedenen politischen Lagern. Die kamen nicht, das Klimacamp hingegen blieb.
Zur Zeit engagieren sich an die 100 Aktivistinnen und Aktivisten, auch Geographiestudent Laurenz: "Meine Motivation kommt hauptsächlich daher, dass ich mittlerweile einiges darüber weiß, wie die Klimakrise systematisch durch die Politik verursacht und verschärft wird und dass ich nicht länger versuchen möchte, mich nur individuell zu verändern, sondern dass sich auch die politischen Grundlagen dafür angehen möchte."
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Unterstützung, aber auch Unmut aus der Bevölkerung
Zwei Personen müssen Tag und Nacht vor Ort sein. Immer wieder kommen neue dazu, wie etwa Softwareentwicklerin Stefanie. Die Organisation der Dauer-Demo: eine Mammutaufgabe. "Das Klimacamp fordert viele Ressourcen, weil wir rund um die Uhr hier sind. Aber das Klimacamp bringt auch viel", sagt Stefanie. "Wir haben hier den direkten Kontakt zu Politik und können Druck auf die Politik machen. Wir haben direkten Kontakt zu der Bevölkerung. So viele Menschen kommen, führen Gespräche. Und wir haben einen tollen Ort, an dem wir uns vernetzen können."
Viele Augsburgerinnen und Augsburger unterstützen die Langzeit-Camper. Doch längst nicht alle. Sie trauen sich jedoch nicht, ihre Kritik öffentlich zu äußern. Rentner Kurt Späth ist genervt vom Camp: "Dieser Schandfleck passt in die denkmalgeschützte Umgebung nicht rein. Deswegen bin ich dafür, dass das wegmuss." Deshalb demonstriert Späth selbst – und zwar gegen das Klimacamp.
Andere kritisieren die von den Klimaschützern gezeigte Solidarität mit den Demos gegen den Kohleabbau in Lützerath. "Die Leute, die da demonstrieren, die geben unsere Steuergelder weg, wenn man so will", sagt ein Passant und spielt damit auf die horrenden Kosten durch die Einsätze von Polizei und Co. an. "Die Einsätze von der Polizei, Feuerwehr, andere finde ich nicht so gut."
Klimacamp: Unnachgiebig, erfolgreich und gewaltfrei
Wichtig ist dem Aktivisten Ingo Blechschmidt die Gewaltfreiheit, die die Aktionen des Klimacamps begleitet. Beispiel: Bei einer Aktion gegen angebliches Greenwashing eines lokalen Energieanbieters hängt er ein Plakat über eine Werbetafel. Verunstalten oder klauen würde er die Tafel jedoch nicht. Mit solchen Aktionen wollen die Aktivisten immer wieder kleine Nadelstiche setzen, um letztlich die Energiewende voranzutreiben. "Wir stellen uns gegen alle Formen von Gewalt. Wenn ich jetzt sehen würde, wie jemand einen Stein schmeißt, würde ich ihn zurückholen", sagt Blechschmidt.
Wichtig ist ihm auch, sich ganz konkret in die Stadtpolitik einzubringen. Gemeinsam mit anderen Umweltgruppen fordern sie die Schaffung neuer Fahrradwege. Das Ziel von Ingo Blechschmidt und den anderen ist eine komplette Mobilitätswende: "Wir brauchen nicht nur hier und da einen Radweg, sondern ein geschlossenes Radwegenetz, auf dem sich auch ältere Menschen wohlfühlen, wo Eltern sich trauen, ihre Kinder drauf fahren zu lassen, ein geschlossenes Fahrradwegenetz, so dass man überall von A nach B kommt. Bequem, komfortabel, sicher, mit Abstand zu den Autos."
Viele Abstellplätze für Fahrräder sind im vergangen Jahr entstanden. Hier parkten früher Autos. Und beim Umbau des Hauptbahnhofes sollen jetzt wohl doch mehr Bäume erhalten bleiben, als ursprünglich geplant. Es tut sich etwas in Augsburg, das loben auch die Umwelt-Aktivistinnen und Aktivisten. Am Botanischen Garten entsteht derzeit ein Umwelt-Bildungszentrum.
- Zum Artikel: Klimacamp-Aktivisten besetzen Bäume in Augsburg
Stadt Augsburg sieht Erfolge des Klimacamps
Nach ihrer gerichtlichen Niederlage im Streit um das Augsburger Klimacamp hat die Stadt Augsburg das Camp als politische Versammlung im vergangenen Jahr akzeptiert. Für den Klimaschutz zuständig ist der städtischer Umweltreferent Reiner Erben. In seinen Augen hat das Klimacamp in den zweieinhalb Jahren durchaus öffentlichen Druck erzeugt, auch politische Entschlüsse beeinflusst und beschleunigt. "Wir haben aber auch eine Solarpflicht schon festgelegt für städtische Gebäude. Wir haben einen Energiestandard für städtische Gebäude, der über den gesetzlichen Energiestandard hinausgeht. Das sind Entscheidungen, die schon getroffen wurden und die in dieser Klarheit und in dieser Masse, wie wir sie jetzt in den letzten Monaten entschieden haben, sicher so nicht entschieden worden wären", sagt Erben.
Mit dem neuen Zentrum entsteht ein eigener Ort für Bildung, Austausch und Diskussion. Im April soll es eröffnet werden. Das Thema Klima wird weiter von großer Bedeutung sein. Das wissen auch die Augsburgerinnen und Augsburger. Deshalb unterstützen viele das Camp und zeigen ihre Sympathie. "Dass es eine Klimaerwärmung gibt, das ist ja nun inzwischen wohl unstrittig. Und dass man dagegen was tun muss, auch. Und es wird sehr wenig dagegen getan", sagt ein Passant.
"Muss Kindern in 20 Jahren in die Augen schauen"
Der promovierte Mathematiker Ingo Blechschmidt könnte seine ganze Energie in seine wissenschaftliche Karriere investieren. Doch er verbringt seine Zeit hier. "Natürlich geht ein gewisses Risiko einher, weil man sich für Klimagerechtigkeit engagiert. Es geht aber auch ein Risiko damit einher, sich nicht zu engagieren. Dann muss ich in 20 Jahren den Kindern in die Augen schauen, die mich fragen, warum hast du damals nichts gemacht?"
Sie haben in zweieinhalb Jahren schon einiges erreicht. Doch sie bleiben. Solange bis sie zuversichtlich sind, dass ihre Stadt genügend für den Klimaschutz tut.
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