Die Flutmulde durch die Stadt Landshut von oben.
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Flutmulde Landshut – Vorbild für erfolgreichen Hochwasserschutz?

Landshut wurde immer wieder von fürchterlichen Hochwassern heimgesucht, bis 1955 die Flutmulde fertiggestellt wurde, ein künstlicher Isar-Arm, der bei Hochwasser vollläuft. Könnte das ein Vorbild für andere durch Hochwasser geplagte Städte sein?

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz am .

Die Aufräumarbeiten in den bayerischen Hochwassergebieten werden noch länger dauern. Das Hochwasser hat mehrere Menschen das Leben gekostet und vielerorts große Schäden angerichtet. Es gibt aber auch Städte, die offenbar gut darauf vorbereitet waren.

Eine davon ist Landshut, deren historische Altstadt bis zur Fertigstellung des Hochwasserschutzes im Jahr 1955 - der Flutmulde - immer wieder überflutet worden war. Seitdem hatte sie zwar mehrfach mit Starkregen-Ereignissen zu kämpfen, bei denen die Flutmulde nicht viel ausrichten kann, blieb aber vom Isar-Hochwasser verschont. Warum ist das so und könnte Landshut ein Vorbild für andere Städte wie Regensburg oder Passau sein?

Isar-Hochwasser ohne Überschwemmung der Altstadt

Vergangene Woche in Landshut: Tosend schoben sich die braunen Hochwassermassen der Isar durch die Stadt. Obwohl vom Oberlauf immer mehr Wasser kam, stagnierte der Pegel einige Zentimeter vor dem Überlauf in die historische Altstadt. Zu verdanken war das der sogenannten Flutmulde, die ein paar Kilometer flussaufwärts vor den Toren der Stadt in den Isarauen liegt, erklärt Patrik Giebel vom Wasserwirtschaftsamt. Er steht an der Stelle, die vor Kurzem noch überflutet war und deutet auf eine Ausleitung an der Isar. "Bis gestern sind hier noch circa 100 Kubikmeter Wasser pro Sekunde über die Flutmulde entlastend durch Landshut, aber eben an der Altstadt vorbei an das Unterwasser abgegeben worden."

Flutmulde ist ein Ersatzflussbett der Isar

Die Flutmulde ist ein sieben Kilometer langes und bis zu 100 Meter breites Ersatzflussbett der Isar, über das ein großer Teil des Hochwassers am Stadtzentrum vorbei abfließen kann. Dieser Hochwasserschutz funktioniert ohne irgendwelche Steuerungen oder technische Einrichtungen. Ab einem gewissen Pegel der Isar oberhalb der Stadt fließt ein Teil des Hochwassers automatisch in die Flutmulde. Dort müssen zwar teilweise Geh- und Radwege in der Flutmulde und einige wenige Straßen, die durch die Flutmulde führen, vorübergehend gesperrt werden. Ansonsten aber beeindruckt diese Form des Hochwasserschutzes auch durch ihre Einfachheit. "Die Flutmulde funktioniert dahingehend gut, da sie in Niedrigwasserzeiten einfach da ist und im Hochwasserfall ungeregelt anspringen kann", erklärt Experte Patrik Giebel. "Das heißt, sie kann nicht fehlbedient werden, sondern einfach, wenn zu viel Wasser kommt, wird Landshut automatisch über die Flutmulde geschützt."

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Tosend schieben sich die braunen Hochwassermassen der Isar durch die Stadt, aber der Pegel stagniert vor dem Überlauf in die Altstadt.

Flutmulde wichtigste Hochwasserschutzanlage der Stadt Landshut

Zu den Zahlen: Die Flutmulde kann maximal 400 Kubikmeter Wasser pro Sekunde fassen und an der Altstadt vorbeiführen. Im Bereich Piflaser Brücke im Osten von Landshut mündet die Flutmulde wieder in die Isar.

Aus Landshut, sagt Oberbürgermeister Alexander Putz (CSU), sei die Flutmulde nicht mehr wegzudenken: "Im Hochwasserfall ist unsere Flutmulde eine Lebensversicherung für die gesamte Innenstadt. Wir haben normalerweise zwei Isar-Arme, wir haben dann einen dritten Isar-Arm, wenn die Flutmulde anspringt, in dem noch mal dieselbe Wassermenge Platz hat."

Flutmulde dient bei Niedrigwasser als Naherholungsgebiet

Und wenn sich das Hochwasser zurückgezogen hat, dient die Flutmulde den Landshutern wieder als großes Naherholungsgebiet - mit Wiesen, Radwegen und Sportplätzen. Seit der Fertigstellung 1955 blieb Landshut vor großen Isar-Hochwassern verschont.

Wäre die Flutmulde nicht auch ein Vorbild für andere vom Hochwasser bedrohte Städte wie Regensburg oder Passau? "Sie kann definitiv ein gutes Beispiel sein", sagt Wasserbauexperte Patrik Giebel im Interview mit BR24. "Allerdings wird es aufgrund des hohen Platzbedarfes heutzutage im kompletten mitteleuropäischen Raum relativ schwierig sein, so etwas umzusetzen."

Denn unsere Städte sind einfach zu dicht bebaut, um dem Wasser mehr Platz zu geben. Landshut hat die große Chance zum Hochwasserschutz gerade noch rechtzeitig nach dem Zweiten Weltkrieg ergriffen. Heut wäre der Platz für die Flutmulde wahrscheinlich auch in Landshut verbaut, mit Straßen und Gebäuden, und die ganzen Wassermassen müssten bei Hochwasser durch die Isar-Arme der Innenstadt.

Landshut überdurchschnittlich oft von Starkregen betroffen

2021 hatte allerdings eine Sturzflut große Teile der Landshuter Altstadt in kürzester Zeit unter Wasser gesetzt. Dabei entstand ein Millionenschaden, die Aufräumarbeiten dauerten Wochen.

Sintflutartige Regenfälle haben Niederbayern nach einer Analyse der deutschen Versicherer in den vergangenen zwanzig Jahren überdurchschnittlich häufig getroffen. Unter den fünf Kreisen im Freistaat mit den häufigsten Starkregenschäden von 2002 bis 2021 sind vier niederbayerische: Landshut, Passau, Straubing-Bogen und Rottal-Inn. Spitzenreiter war Landshut, wo im Schnitt mehr als jedes fünfte Wohnhaus - 221 von 1.000 - durch Starkregen beschädigt wurde.

Landshut wurde immer wieder von fürchterlichen Hochwassern heimgesucht, bis 1955 die Flutmulde fertiggestellt wurde, ein künstlicher Isar-Arm, der bei Hochwasser vollläuft. Bei normalem Wasserstand ist die Flutmulde ein beliebtes Naherholungsgebiet.
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Landshut wurde von fürchterlichen Hochwassern heimgesucht, bis 1955 die Flutmulde fertiggestellt wurde.

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