Die Bundesärztekammer fordert eine Zuckersteuer, wie es sie seit 2018 schon in Großbritannien gibt. Hersteller müssten demnach ab einem bestimmten Zuckeranteil eines Produkts Abgaben leisten. Das dient als Anreiz, ihre Rezepturen weniger süß zu formulieren. Einer Modellstudie der TU München zufolge würde so eine Steuer nicht nur den Zuckerkonsum pro Kopf senken, sondern könnte auch einige Milliarden Euro im Gesundheitssektor einsparen. Trotz dieser positiven Aussichten gibt es aber auch Stimmen, die dagegenhalten.
Zuckerrübenverband hat Einwände
Helmut Friedl, der Vorsitzende des Verbands bayerischer Zuckerrübenanbauer e. V., sieht in einer Zuckersteuer einen "Totschlag" für die Motivation. Seit Jahren bangen viele der Landwirte schon um ihre Erträge, denn ein Schädling verursacht derzeit bis zu 50 Prozent Ertragsausfälle auf den Zuckerrübenfeldern. Wenn zusätzlich zu diesem Befall höhere Abgaben auf die Landwirte zukommen, gehe die Wirtschaftlichkeit für die Landwirte verloren, sagt Friedl.
Auch im Hinblick auf das Mercosur-Abkommen macht eine Versteuerung von Zucker für den Verbandsvorsitzenden wenig Sinn: "Im Inland würde das dazu führen, dass noch weniger Zucker angebaut wird und der Zuckerrübenanbau aus der eigenen Region mit heimischem Produkt rückläufig ist und gleichzeitig von außen billig produzierter Zucker aus Brasilien importiert würde."
Zucker ist gesundheitsschädlich
Zu viel Zucker ist ungesund – trotzdem wird er in Deutschland übermäßig konsumiert. Statt der empfohlenen maximal 50 Gramm pro Tag nimmt der Durchschnittsdeutsche 95 Gramm Zucker zu sich. Süßigkeiten und Schokolade sind nämlich nicht die einzigen gezuckerten Produkte. Sogenannter "versteckter Zucker" ist ein großes Problem. Er findet sich unter Namen wie "Dextrose" oder "Glucose" auf der Zutatenliste eines Produkts. Und er kommt dort vor, wo ihn Verbraucherinnen und Verbraucher nicht erwarten, etwa in Fertigpizzen oder Gewürzgurken. Die Folge: Etwa ein Viertel der Erwachsenen in Deutschland ist übergewichtig – das ist ab einem BMI von 25 der Fall. Als adipös gilt man ab BMI von über 30. Dabei handelt es sich um eine chronische Erkrankung mit besonders schwerem Übergewicht.
Für die Entstehung von Adipositas weltweit sind laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) Softdrinks mitverantwortlich. Sie machen nämlich nicht satt, sind aber trotzdem kalorienreich. Barbara Bitzer, Pharmazeutin und Geschäftsführerin der Deutschen Diabetesgesellschaft (DDG), sieht die Lebensmittelindustrie hier in der Verantwortung: "Wir werden von Kindheit an daran gewöhnt, dass Zucker gut schmeckt. […] Und da ist die Lebensmittelindustrie natürlich auch nicht unschuldig dran, weil die Produkte eben so stark gesüßt sind."
Mehr Sport statt Steuern?
Helmut Friedl vom Verband bayerischer Zuckerrübenanbauer hält Steuern, um Übergewicht zu bekämpfen, nicht für zielführend. Denn am Ende zähle nicht der Zucker allein, sondern die aufgenommenen Kalorien. Statt einer Zuckersteuer schlägt Friedl deshalb zum Beispiel mehr Sportstunden in der Schule vor, um Adipositas entgegenzuwirken. "Menschen nehmen im Vergleich zu dem, was sie verbrauchen an Kalorien viel zu viele Kalorien auf und das ist nicht ein Thema des Zuckers."
In anderen Ländern sieht man aber: Die Abgaben auf Gezuckertes zeigen einen positiven Effekt. In Großbritannien hat sich innerhalb eines Jahres nach Einführung der Zuckersteuer die durch Softdrinks aufgenommene Zuckermenge bei Kindern halbiert. Auch in Mexiko ist der Absatz von Softdrinks durch die Versteuerung gesunken. Ähnliches wird auch in Deutschland erhofft.
Weitere Maßnahmen gegen Adipositas nötig
Im Gegenzug zu den Abgaben auf gezuckerte Produkte fordert Barbara Bitzer eine steuerliche Entlastung gesunder Lebensmittel: "Ideal wäre es, Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte komplett von der Mehrwertsteuer zu befreien." Ihr zufolge sind Steuern aber nur ein erster Schritt, um Adipositas und weitere Folgeerkrankungen zu verhindern. Es brauche weitere Maßnahmen, zum Beispiel Werbeverbote für ungesunde Lebensmittel für Kinder. Sie schlägt außerdem mehr vorgeschriebene Bewegung in Schulen und Kitas und Qualitätsstandards für die Schulernährung vor.
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