"Es ist ein großer Tag für uns", sagt der Fraktionschef der Freien Wähler im Bayerischen Landtag, Florian Streibl, am Wahlabend. Die Menschen in Bayern hätten ihre Politik bestätigt. Für Streibl steht fest: Die Bayern würden die Freien Wähler gerne im Bundestag sehen. Er klingt so euphorisch. Man könnte meinen, die Freien Wähler hätten es doch noch nach Berlin geschafft. Streibl freut sich darüber, dass die Freien Wähler ihr Wahlergebnis in Bayern seit der letzten Bundestagswahl verdoppeln konnten. Das sieht der Fraktionschef als Auszeichnung für die eigene Arbeit in der bayerischen Regierung.
Aiwanger reagiert gelassen auf Wahlergebnis
Dass sie im Bund die Fünfprozenthürde auch beim dritten Anlauf nicht überspringen würden, damit scheinen die Freien Wähler bereits gerechnet zu haben. Wirklich enttäuscht wirkt auch Spitzenkandidat Hubert Aiwanger nicht, als er kurz nach 18 Uhr auf die Wahlparty seiner Partei in München kommt. Er fragt nach den ersten Prognosen und nickt gelassen.
"Ich hätte mir gewünscht, dass der Wahlkampf sich auch mit Themen befasst hätte", sagt der Spitzenkandidat und Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger etwas später. Er kritisiert, dass es sich am Ende auf einen reinen Personenwahlkampf zugespitzt habe, Scholz gegen Laschet. "Ich hoffe, dass die Themen wenigstens nach der Wahl eine Rolle spielen werden, aber mir schwant Schlimmes", so Aiwanger.
Dass es mit dem Einzug in den Bundestag nicht geklappt hat, findet Freie Wähler Generalsekretärin Susann Enders zwar schade, gleichzeitig sagt sie nicht ohne Stolz: "Söder und Laschet hatten anscheinend die Hosen ganz schön voll. In fast jeder Rede haben sie vor uns gewarnt."
Impfthema "nicht förderlich" gewesen
Dennoch schaut Enders auch auf die eigene Themenwahl skeptisch. Dass die Freien Wähler nach Aiwangers Aussage, sich "erst mal nicht impfen zu lassen", zu einer Ein-Themen-Partei wurden, das mag nicht förderlich gewesen sein. Das lässt auch Enders durchblicken. "Wir hätten viele Themen gehabt – Gesundheit, Bildung, Soziales." Durchgedrungen sind die Freien Wähler allerdings nicht.
Kultusminister Michael Piazolo und der parlamentarische Geschäftsführer im Landtag, Fabian Mehring, schauen dennoch positiv in die Zukunft. Beide sprechen von einer Zwischenetappe. Nun gelte es in den nächsten vier Jahren in weitere Landtage einzuziehen. Wenn das geschafft ist, dann werde es automatisch auch mit dem Bundestagseinzug klappen. Bisher sitzen die Freien Wähler nur noch in Rheinland-Pfalz in Fraktionsstärke im Landtag.
Hoffnung auf weniger Streit in der Koalition
Was die Koalition in Bayern anbelangt, setzen die Freien Wähler künftig wieder auf mehr Harmonie. In den vergangenen Monaten hatte es insbesondere in der Corona-Politik immer wieder Krach mit der CSU gegeben. Zu Ungunsten beider Koalitionspartner, sagen die Freien Wähler. Eine geschwächte CSU kann nicht an Streit mit dem Koalitionspartner interessiert sein, so die Hoffnung. Das ist am Wahlabend aus Freie Wähler-Kreisen immer wieder zu hören.
Gleichzeitig ist für den kleineren Koalitionspartner zu viel Einigkeit mit der CSU auch nicht gut. Schließlich geht es auch darum das eigene Profil zu stärken und nicht den Vorwurf zu bekommen, nur eine CSU light zu sein. Vor allem, weil die nächste Landtagswahl bereits in zwei Jahren ansteht.
- Zum Artikel: Ärger in der Bayern-Koalition: Söder kanzelt Aiwanger ab
Aiwanger twittert Zahlen zu früh
Wirklich harmonisch dürfte es in den nächsten Tagen sowieso nicht werden. Schon am Wahlabend zeichnet sich der nächste Streit ab. Aiwanger gerät wegen der kurzzeitigen Veröffentlichung von Wahlprognose-Zahlen in die Kritik. In einem Tweet auf Aiwangers Profil wurden am Sonntag während der noch laufenden Stimmabgabe Zahlen aus einer Nachwahlbefragung der Forschungsgruppe Wahlen genannt - verbunden mit dem Aufruf, die "letzten Stimmen" noch den Freien Wählern zu geben. Kurz darauf wurde der Tweet wieder gelöscht. Scharfe Worte von Politikern anderer Parteien ließen dennoch nicht lange auf sich warten. Sogar Rücktrittsforderungen gibt es.
Rücktrittsforderungen nach Aiwangers Tweet
CSU-Generalsekretär Markus Blume greift Aiwanger scharf an und fordert Konsequenzen. "Ein unglaublicher Fall von Wahlmanipulation und Wählerbeeinflussung. Das ist zutiefst undemokratisch und muss Konsequenzen haben!", schreibt Blume auf Twitter. Für die Grünen-Fraktionsvorsitzende im bayerischen Landtag, Katharina Schulze, geht der Tweet Aiwangers gar nicht.
Und auch der Generalsekretär der Bayern-SPD, Arif Tasdelen, fordert Konsequenzen: "Jetzt ist das Maß endgültig voll. Aiwanger ist nicht mehr tragbar und muß von Ministerpräsident Söder entlassen werden." Aiwanger will den Tweet am Wahlabend auf BR-Nachfrage nicht kommentieren.
Aussprache nach Streitereien ums Impfung
In Freie Wähler-Kreisen ist man sich sicher: Gehen muss Aiwanger deswegen als Vize-Ministerpräsident nicht. Dennoch werde es zwischen Söder und Aiwanger wohl schon bald klärende Gespräche geben müssen. Da liege ja bereits eh einiges im Argen, sagen mehrere Freie Wähler hinter vorgehaltener Hand. Gemeint sind unter anderem die Streitereien um das Impfen. Das sei in den vergangenen Wochen mehr und mehr etwas Persönliches geworden. Die zwei, also Söder und Aiwanger, müssten sich dringend mal aussprechen. Da habe sich einiges angestaut. So weitergehen könne es auf jeden Fall nicht.
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