Es wirkt wie ein hartes Urteil – doch gemessen am möglichen Strafmaß sei es das nicht, sagt der Vorsitzende Richter Thomas Schuster. Vor ihm sitzt ein sichtbar mitgenommener Angeklagter. Der 30-Jährige aus dem Landkreis Kitzingen hat zwei Kinder, seine Familie sitzt im Zuschauerbereich. Im Januar 2024 hatte der Mann in einem Waldstück im unterfränkischen Wiesentheid Holz von einem Lagerplatz gestohlen. Daraus entwickelte sich eine Tat, welche die Staatsanwaltschaft sogar als versuchten Mord wertete. Verurteilt worden ist er nun unter anderem wegen gefährlichen Eingreifen in den Straßenverkehr.
Holzbesitzer klammert sich an Auto und wird verletzt
Denn der Angeklagte und sein Bekannter wurden auf frischer Tat ertappt. Der Besitzer des Holzes hatte eine Wildkamera installiert. Die schickte ihm Aufnahmen auf sein Smartphone. Der Besitzer stellte sich dem Auto des Angeklagten in den Weg. Doch der Angeklagte hielt nicht an. Mit Schrittgeschwindigkeit fuhr er auf den Holzbesitzer zu, der klammerte sich am Rahmen der Motorhaube fest. Das Auto wurde schneller – mindestens 30 Kilometer pro Stunde. Der Holzbesitzer sagt: Er hatte keine Möglichkeit, unbeschadet von der Motorhaube zu steigen. Es kommt zu Lenkbewegungen. Der Holzbesitzer muss loslassen. Das Auto rollt ihm über seinen rechten Fuß. Zum Glück bleiben bei ihm nur Prellungen und Schürfwunden.
Richter: Strafe hätte höher ausfallen können
Von einem "Augenblickversagen", einer "Kurzschlussreaktion", spricht Richter Thomas Schuster. Dennoch ordnet das Landgericht eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten an. Denn obwohl das Geschehen nur wenige Sekunden dauert, ist die Liste der Vergehen lang: gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, Diebstahl, gefährliche Körperverletzung, Nötigung und unerlaubtes Entfernen vom Unfallort. Allein auf das erste Vergehen stehen bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe. Außerdem muss der Mann seinen Führerschein abgeben.
Staatsanwaltschaft forderte sechs Jahre Gefängnis
Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer sechs Jahre Gefängnis gefordert. Der Angeklagte habe tödliche Verletzungen in Kauf genommen – aus Habgier, so die Begründung. Das Gericht sieht das anders. "Es spricht nichts dafür, dass er wollte, dass er stirbt", sagt Richter Schuster über den Angeklagten. Der 30-Jährige hatte demnach auch nicht die Absicht, den Diebstahl zu vertuschen. So hatte es die Staatsanwaltschaft noch in ihrer Anklage formuliert.
Aussicht auf Haftverkürzung
Es sei eine "saublöde Geschichte", fasst Rechtsanwalt Christian Mulzer die Tat seines Mandanten zusammen. Seine beiden Verteidiger hielten eine Bewährungsstrafe für angemessen. Der Angeklagte sei "schuldeinsichtig in hohem Umfang". Das gestohlene Holz hatte lediglich einen Wert von etwa 50 bis 80 Euro.
Mehrfach hatte der Angeklagte im Prozess beteuert, dass er die Tat bedauert. Bereits vor Prozessbeginn hatte er 2.000 Euro an das Opfer gezahlt. Schon seit Januar befindet sich der Mann in Untersuchungshaft. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, wird diese Zeit von der Gefängnisstrafe abgezogen. Möglicherweise könnte er dann 2026 auf freien Fuß kommen und die restliche Haftzeit auf Bewährung verbüßen. Vorausgesetzt es bleibt bei dem guten Verhalten, das ihm die JVA bislang bescheinigt hat.
Der zweite Beteiligte, der bei dem Holzdiebstahl auf dem Beifahrersitz saß, muss sich in einem gesonderten Verfahren verantworten.
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