FSJ-ler beim Deutschen Skiverband
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Das Freiwillige Soziale Jahr: Opfer der Berliner Sparpolitik?

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FSJ in Gefahr: Bund kürzt Etat, Bayern bleibt bei 28 Euro

In einem Freiwilligen Sozialen Jahr orientieren sich tausende Schulabgänger beruflich und packen in sozialen Einrichtungen mit an. Doch 2025 plant der Bund mit weniger Geld fürs FSJ. Etliche Stellen könnten wegbrechen. Bayern sieht sich nicht am Zug.

Cora Kienle geht auf den Endspurt zu: Am 31. August geht ihr Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) beim Deutschen Skiverband zu Ende. "Es war eine wahnsinnig spannende Zeit", sagt die 20-Jährige, die sich nach ihrem Schulabschluss erstmal für eine Findungsphase entschieden hat. "Das FSJ im Sport hat perfekt gepasst, weil ich was mit Kindern machen wollte und auch selbst gerne Sport mache. So hatte ich beides."

FSJ: Nicht nur arbeiten, sondern auch was lernen

Neben dem Bayerischen Landes-Sportverband, über den Cora Kienle zum FSJ beim Deutschen Skiverband gekommen ist, gibt es zahlreiche soziale Träger wie die Arbeiterwohlfahrt, die Caritas oder die Diakonie, die Schulabgängern bis zum 26. Lebensjahr ein FSJ anbieten. Im laufenden Jahrgang bis Ende August sind es rund 3.900 FSJler allein in Bayern, die Bewerbungsphase für den Jahrgang ab 1. September läuft noch. Doch die Träger blicken mit Sorge in die Zukunft: Der Bund will seine finanzielle Förderung verringern, der Freistaat bei seinen 1,3 Millionen jährlich bleiben.

Das FSJ soll mehr sein, als bloß eine geringfügig bezahlte Mitarbeit in einem Berufsfeld. Deswegen gibt es neben dem Einsatz im Pflegeheim oder in der Kita ein pädagogisches Begleitprogramm: 25 Seminartage sind vorgeschrieben, während der die Freiwilligendienstler berufsspezifische Fortbildungen erhalten, sich mit politischen und gesellschaftlichen Themen befassen und das eigene Engagement reflektieren. Die Mittel von Bund und Land fließen ausschließlich in dieses pädagogische Begleitprogramm. Das monatliche Taschengeld von maximal 604 Euro für die Arbeitsstunden zahlen Träger und jeweilige Einsatzstellen aus eigener Tasche.

Kein Anspruch auf Refinanzierung: Alljährliches Risiko für Träger

"Gerade, wenn sich junge Menschen zum Beispiel in Hospizen engagieren, ist die Begleitung nicht zu unterschätzen", sagt Fabian Meissner, der die FSJler für die evangelische Landeskirche in Nürnberg koordiniert. Gemeinsam mit den anderen Trägern sorgt er sich nun aber angesichts der Haushaltsplanung des Bundes für das Jahr 2025. Demnach sind Kürzungen in zweistelliger Millionenhöhe für die Freiwilligendienste – also auch das Freiwillige Ökologische Jahr und den Bundesfreiwilligendienst – geplant. Den genauen Betrag für das FSJ konnte das zuständige Bundessozialministerium auf BR-Anfrage noch nicht nennen.

Von dieser Millionensumme bekommen FSJ-Träger jedenfalls maximal 200 Euro im Monat für jeden FSJler, den sie einstellen. "Aber es besteht kein Rechtsanspruch darauf", erklärt Meissner. Alljährlich im Frühjahr müsse er die Anträge für alle ausgeschriebenen FSJ-Stellen, die er zum 1. September besetzen will, in Berlin einreichen. "Aber wir erfahren erst nach dem 1. September, ob wir für jeden unseren FSJler auch wirklich einen monatlichen Betrag bekommen." Insofern bestehe eine erhebliche Planungsunsicherheit, sogar ein Risiko für die Träger. Michael Weiß vom Bayerischen Landes-Sportverband (BLSV) fordert deshalb: "Es braucht mindestens einen Anspruch auf Förderung" – anstelle von Kürzungen.

FSJ als Minusgeschäft für die Träger?

Weitere Schwierigkeit für die Träger: Die FSJler werden jährlich von 1. September bis 31. August des Folgejahres eingestellt – aber der Haushaltsplan für 2025 wird erst Ende November im Bundestag debattiert. "Und wenn dann die Mittel tatsächlich gekürzt werden, besteht eben die Gefahr, dass wir dann nächstes Jahr weniger unserer FSJler refinanziert bekommen", beklagt Fabian Meissner von der evangelischen Kirche in Nürnberg.

So droht das Freiwillige Soziale Jahr zum Minusgeschäft für die Träger zu werden, wenn sie nicht von vornherein mit weniger FSJlern planen. Die Arbeiterwohlfahrt hat etwa jetzt schon weniger FSJ-Stellen ausgeschrieben. Und auch vom Freistaat scheint keine Abhilfe in Sicht: Derzeit gibt Bayern für jeden FSJler, den ein Träger einstellt, 28 Euro im Monat dazu, ebenfalls zweckgebunden an das pädagogische Begleitprogramm. Zum Vergleich: in Baden-Württemberg sind es 45,83 Euro.

Für mehr Geld sieht Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) aber ausschließlich den Bund in der Pflicht: "Der Bund darf die Mittel nicht kürzen, sondern sollte sie im Gegenteil erweitern, um diesen tollen Dienst auch weiter möglich zu machen."

Berlin nennt Mittelbereitstellung "großen Erfolg"

So zeigt die bayerische Politik nach Berlin – und dort heißt es vom Bundessozialministerium, es sei "ein großer Erfolg", dass sich der für 2025 veranschlagte Etat für sämtliche Freiwilligendienste "auf dem Niveau des Mittelabflusses im Jahr 2023" bewegt. "Das bedeutet, dass die Mittel auf dem gleichen Niveau sichergestellt werden, wie sie bis Ende 2023 tatsächlich von den Trägern abgerufen wurden. Damit ist es gelungen, die Freiwilligendienste weiter auf einem soliden Niveau zu finanzieren."

Die Träger widersprechen: Aufgrund der Förderlogik sei es nicht möglich, alle Gelder auszuschöpfen; die tatsächlich verausgabten Mittel in 2023 entsprächen eben gerade nicht dem tatsächlich sehr viel höheren Bedarf.

Insofern bleibt abzuwarten, wie es mit der Finanzierung des FSJ weitergeht. In der letzten Novemberwoche geht der Haushaltsentwurf der Regierung in den Bundestag. Cora Kienle hofft jedenfalls, dass es auch künftig genügend FSJler gibt, die wie sie Kinder in Bewegung gebracht bringen. "Ich hatte noch nie Kinder, mit einem traurigen Gesicht vom Sport treiben nach Hause gegangen sind. Also wäre schade, wenn die sowas später nicht mehr haben."

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