Fünf Uhr morgens, stockdunkel ist es noch an diesem Samstag. André Kiener zieht eine Taschenlampe aus seinem Rucksack. Seine Kamera mit dem großen Teleobjektiv hat er sich über die Schulter gehängt. Er geht wieder auf die Jagd - die Jagd nach guten Fotos. Ein Reh, eine Eule - oder sein derzeitiges Lieblingstier: einen Fuchs - würde er gerne sehen und mit der Kamera einfangen. Er weiß aber auch: Dafür braucht er viel Geduld. Er wird möglicherweise Stunden warten müssen. Weil die Tiere in der Morgendämmerung aktiv sind und er sich noch vorher mit seiner Kamera und Stativ einrichten will, zieht er bereits sehr früh los. Er will sehen, was andere nicht sehen, sagt er.
Fuchsbau mit fünf Tieren entdeckt
Über einen grasbewachsenen Feldweg nähert er sich einem kleinen Waldstück. Er hält an, leuchtet mit der Taschenlampe auf den Boden: Niedergedrücktes Gras, die Erde schaut heraus. "Das ist die Fuchsspur", sagt er, "und da hinten ist der Bau". Lange habe er gebraucht, bis er einen Fuchsbau gefunden habe. Eine Lauinger Bürgerin habe ihm erzählt, dass sich bei ihr am Garten oft Füchse tummelten. Eines Morgens hat er einen gesehen, ist ihm nachgelaufen, bis zum Bau. Von Aufnahmen seiner Wildkamera weiß er inzwischen: Fünf Füchse leben hier, vier Männchen und ein Weibchen. Die werde wohl bald Junge kriegen, hofft der Tierfotograf.
Stundenlanges Warten auf ein gutes Foto
Er klappt seinen Hocker auf, zieht einen Ganzkörperanzug in Camouflage-Optik aus seinem Rucksack: Er möchte sich so unsichtbar wie möglich machen. Dann sitzt er da. Harrt aus, in der Stille. Doch ganz so ruhig ist es gar nicht. Mit der Zeit hört man immer mehr: Von den Bäumen fallen Wassertropfen auf das Laub am Boden. Im Wald knackt es immer wieder. Noch aber ist es zu dunkel, um wirklich etwas zu erkennen. Die Glocken läuten. Es ist sieben Uhr. Die Bäume nehmen Konturen an, inzwischen zwitschern auch ein paar Vögel. Bisher ist kein Fuchs zu sehen, und auch kein Reh. Normalerweise, sagt Kiener, kommen die um diese Zeit immer über die Felder zum Wald. Aber heute ist dichter Nebel aufgezogen - selbst wenn sie da wären, André Kiener könnte sie nicht sehen. Er wartet weiter, die Kamera vor ihm auf dem Stativ.
Mit Tierfotos auf Instagram erfolgreich
Vor ein paar Jahren hat der Lauinger mit dem Fotografieren begonnen. Erst die Fische in seinem Aquarium. Weil er gerne in der Natur ist, hat er dann versucht, dort die Wildtiere festzuhalten. Er hat sich besseres Equipment gekauft, Erfahrungen gesammelt. Inzwischen ist er fast schon Profi. Seine besten Fotos zeigt er auf Instagram. Rehe mit ihrem Kitz, ein Hirsch mit einem gewaltigen Geweih, ein Waldkauz. Auch Vögel sind gern fotografierte Motive: Oft schon hat er Eisvögel erwischt, und jetzt im Frühjahr - so hofft er - kommen die Bienenfresser wieder nach Lauingen. Gelb-blau-oranges Gefieder haben die. Sie reisen aus Afrika an und brüten dann in Lauingen. Solche Informationen und weiteres Wissenswertes zu den Tieren schreibt er unter seine Fotos. Das kommt an - er hat bereits um die 5000 Follower.
Besonders haben es André Kiener die Füchse angetan. Er kann nicht nachvollziehen, warum diese Tiere bejagt werden. Kürzlich habe er sogar mehrere tote Füchse gefunden, einfach liegengelassen, mitten im Wald. Hasen etwa seien doch schneller als der Fuchs, sagt er betrübt: Er würde sich wünschen, dass nicht mehr so viele Füchse gejagt würden. Sein Lieblingsfoto: Ein schlafender Fuchs, der in der Sonne liegt. "Das habe ich hier aufgenommen", sagt er. Heute aber hat André Kiener kein Glück. Kein Fuchs zeigt sich, auch kein Waldkauz, kein Reh.
Gute Fotos brauchen Zeit
Für André Kiener ist das kein Weltuntergang, er weiß ja, gute Fotos brauchen Zeit. Deshalb kommt er am nächsten Morgen wieder. "Neuer Tag, neues Glück. Heute schaut es besser aus, ein bisschen weniger Nebel, der verzieht sich hoffentlich", sagt er, und macht sich wieder auf den Weg, zu seinem Stammplatz am Wald. Zuerst checkt er seine Wildkamera. Die hängt direkt an dem Fuchsbau, in dem auch Dachse leben. Die haben rundum die Erde aufgewühlt. Ja, da sei was drauf, sagt er und lässt die Kamera laufen: Ein Dachs kommt aus dem Bau, danach hüpft ein Hase durchs Bild. Das macht Hoffnung - möglicherweise zeigt sich heute eines der Wildtiere.
Doch wieder wird er lange warten müssen. Gerade will er schon zusammenpacken, lässt noch ein letztes Mal seinen Blick über die Felder schweifen. Da sieht er ihn rennen, einen Fuchs, über den Acker. Blitzschnell zückt er die Kamera, drückt ab. Erwischt hat er ihn. "Das freut mich jetzt", sagt er, und scrollt durch die zahlreichen Aufnahmen, die er in wenigen Sekunden gemacht hat. In seine Instagram-Sammlung wird es dieses Foto nicht schaffen, dafür war der Fuchs zu schnell und zu weit weg. "Der ist jetzt in seinem Bau und wird wohl nicht mehr rauskommen", sagt Kiener und klappt sein Stativ zusammen. In diesem Moment hört man von hinten etwas: Im gestreckten Galopp rennt ein Fuchs direkt an André Kiener vorbei und - schon ist er im Fuchsbau verschwunden. André Kiener lächelt - nächstes Mal wird er wieder mehr Glück haben. Aber er weiß jetzt: Die Füchse sind noch da.
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