Auf dem Acker der Gärtnerei Obergrashof bei Dachau steht noch Spinat aus dem vergangenen Jahr. Er wurde nicht so verkauft wie geplant, weil die Nachfrage stark eingebrochen war. Bald muss er eingeackert werden. Für Gärtner Peter Stinshoff eine frustrierende Situation. Viele Stunden harte Arbeit - umsonst.
Zum Artikel: Weniger Bio – Kunden achten beim Einkauf stärker aufs Geld
Dramatische Lage im Sommer 2022
Besonders dramatisch sei die Lage letzten Sommer gewesen. Massenweise Gemüse verdarb auf dem Acker. Die ganze Zeit habe es ein Überangebot an Frischgemüse gegeben: Salate, Kohlrabi, Spinat, Radieschen, Rettich. Dieses Feingemüse muss innerhalb einer Woche geerntet werden. Wenn es dann nicht verkauft wird, muss es eingeackert werden. Zum Verschenken wären die Erntekosten zu hoch, so Stinshoff.
Der Großteil des Gemüses vom Obergrashof landet in Naturkostfachläden, ein weiterer Teil geht z.B. an Öko-Kisten, etwa zehn Prozent landen im eigenen Hofladen. Laut Peter Stinshoff ist der Absatz über den Handel am schlimmsten eingebrochen.
Umsatz im Naturkostfachhandel eingebrochen
Das erlebt auch Maria Scheiblhuber. Sie ist Geschäftsführerin der Naturkostinsel, einem Bioladen mit Standorten in Dachau, Olching und Starnberg. Das Sortiment des Ladens ist zu 100 Prozent bio-zertifiziert. Besonders wichtig sei ihr, dass Erzeuger einen fairen Preis bekommen und es kein Preisdumping gibt.
Während der ersten beiden Corona-Jahre lief es sehr gut, so Scheiblhuber. 2022 aber sei ein hartes Jahr gewesen mit ziemlichen Einbußen. "Es beutelt uns ganz schön", gesteht sie. Momentan liege der Umsatz sogar 15 Prozent unter dem Wert vor Corona. Das spüren auch die regionalen Lieferanten. Viele fragen im persönlichen Gespräch, ob sie nun Geschäfte mit anderen Händlern mache, weil sie nichts mehr bestelle, erzählt Maria Scheiblhuber. Sie versuche aber einfach nur bedarfsgerechter einzukaufen, um nicht so viel wegwerfen zu müssen.
Alnatura zufrieden trotz Rückgang
Auch Alnatura spürt deutschlandweit in den Bio-Märkten eine leichte Kaufzurückhaltung, allerdings nicht so stark wie der Bio-Fachhandel insgesamt, so eine Sprecherin auf Nachfrage des BR. Alnatura-Gründer Götz Rehn betont, dass sie angesichts der aktuellen Krisensituation mit einem wesentlich stärkeren Rückgang gerechnet hätten.
Das vergangene Jahr habe das Unternehmen mit einem Umsatzrückgang von 2,5 Prozent abgeschlossen, das sei allerdings der erste Umsatzrückgang in der Unternehmensgeschichte. Alnatura versuche nun einiges, um die Kunden zu halten. Statt wechselnder Sonderangebote gebe es demnach dauerhaft niedrige Preise und einen Rabatt für Studenten und Auszubildende, so die Sprecherin.
- Zum Artikel: Bio-Märkte in der Krise: Was steckt hinter den Problemen?
Kunden kaufen vermehrt Bio beim Discounter
Laut einer Untersuchung der Agrarmarkt Informationsgesellschaft erzielen im Bio-Segment nun vor allem Discounter die Gewinne. Bei Bioläden hingegen sinkt der Umsatz. Von Lidl heißt es auf BR-Anfrage: Das Bio-Angebot erfreue sich nach wie vor großer Beliebtheit bei ihren Kunden. Durch hohe Abnahmemengen sei Lidl in der Lage, niedrige Einkaufspreise zu erzielen. Zur Umsatzentwicklung wolle man keine näheren Angaben machen.
Die Nürnberger Experten von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) kamen bei Umfragen zu dem Ergebnis, dass Reformhäuser und Naturkostläden bereits im ersten Halbjahr 2022 fast 40 Prozent weniger verkauften als im Corona-Boom von 2021. Bei Bio-Supermärkten wie Alnatura waren es 15 Prozent weniger.
Hype um Hofläden vorbei
Die Verbraucher wollen sparen, das bemerkt auch Ruth Girgnhuber vom Hofladen der Gärtnerei Obergrashof. Die Kunden, die noch kommen, kaufen vor allem Gemüse. Teurere Produkte wie Käse und Wurst lassen sie liegen. Im vergangenen Jahr sei das Geschäft im Hofladen frappierend eingebrochen.
Während der Pandemie habe man ihnen die Bude eingerannt. Der Hofladen habe an weiteren Tagen geöffnet und es wurden zusätzliche Stände auf dem Hof eingerichtet. Die jetzige Lage sei ein Unterschied wie Tag und Nacht, so Ruth Girgnhuber.
Sie betont aber: Die Preise seien bei ihnen die vergangenen drei Jahre nicht gestiegen. Im vergangenen Sommer habe sie trotzdem oft allein im Laden gestanden und sich gefragt, ob noch Kunden kommen. Immerhin die Stammkunden seien ihnen meist treu geblieben.
Leichter Rückgang bei Abo-Kisten
Dass die Menschen nun mehr auf den Preis achten, das merken auch die Abo-Kisten für Bio-Gemüse, Obst und Lebensmittel. Im Vergleich zum letzten Jahr ist bei der Ökokiste Isarland in Taufkirchen der Umsatz um neun Prozent zurückgegangen, bestätigt das Unternehmen auf BR-Anfrage. Ein erst kürzlich eröffneter Standort in Puchheim wurde wieder geschlossen. In den vergangenen Jahren gab es bei allen Ökokisten im Raum München Wartelisten, teilweise Aufnahmestopps. Das ist jetzt vorbei.
Bei der Ökokiste können die Kunden ihre Wunschprodukte zuhause zusammenstellen, die Kiste wird dann für sie gepackt und frisch nach Hause geliefert. Der Lieferbonus sei für viele Kunden nach wie vor sehr attraktiv, vermutet Isarland-Geschäftsführer Christian Supenkämper. Er sei auch für dieses Jahr positiv gestimmt. Gemeinsam mit den Gärtnereien wird nun geplant, was bald angebaut werden soll und wie viel.
Gärtnerei reduziert Anbau und Personal
Peter Stinshoff vom Obergrashof will weitere Verluste vermeiden. Er wird dieses Jahr weniger Gemüse anbauen und das Personal reduzieren - und hofft, dass die Nachfrage nicht noch weiter sinkt. Er wünscht sich, dass die Verbraucher bald wieder umdenken. Denn so könnten regionale Bio-Erzeuger nicht überleben und das Ziel 30 Prozent Ökolandbau bis 2030 rücke in weite Ferne.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!