Marita Renner ist heute zur Untersuchung im Kreißsaal. Noch fünf Wochen sind es bis zur Geburt ihres zweiten Kindes. Auch ihr erstes hat sie im Dillinger Krankenhaus geboren, damals war bei der Geburt allerdings ein Arzt dabei. Dieses Mal soll das anders sein: Zunächst eine, im späteren Geburtsverlauf zwei Hebammen werden sie bei der Geburt begleiten. Ein Arzt kommt nur dazu, falls es Komplikationen geben sollte.
Alternative zu Hausgeburt oder Geburtshaus
Ähnlich wie in einem Geburtshaus soll die Geburt vonstattengehen, ohne Störungen. Kein Blut wird genommen, kein Ultraschall vorher gemacht. Der Frau soll Zeit und Raum gegeben werden, um ihr Kind gebären zu können, mit Unterstützung ihrer Hebamme, die sie in den Vorgesprächen schon kennengelernt hat. Dabei soll ausgelotet werden, ob die Frau "geeignet" ist, ihr Kind unter diesen Voraussetzungen zu gebären, oder ob es Ausschlusskriterien gibt. Die Frauen müssten Vertrauen in ihren Körper haben, so die Dillinger Hebamme Isabel Heigl. Komme man gemeinsam zu dem Schluss, dass diese Art der Geburt nicht geeignet sei, könnten die Frauen im Dillinger Krankenhaus selbstverständlich wie bisher im Beisein eines Arztes entbinden.
Chefarzt: "Wir sind nicht immer notwendig"
Der neue Chefarzt der Gynäkologie am Dillinger Krankenhaus, Jan Olek, hat an einer Klinik in Dortmund bereits gute Erfahrungen mit dem Konzept des hebammengeleiteten Kreißsaals gemacht. Er sagt: "Wir Ärzte sind nicht immer notwendig. Oft schauen wir ja bisher auch nur zu. Und wenn es medizinisch nicht notwendig ist, dann kann man sich das ja sparen." Allerdings sei immer ein Arzt da, wenn er gebraucht werde. Komme es zu Komplikationen, könne der sofort einspringen, etwa einen Notkaiserschnitt machen.
Gegenseitiges Vertrauen sehr wichtig
Das ist auch für die Hebammen wichtig. "Wir haben das Vertrauen in die Ärzte, und die in uns", sagt Hebamme Isabel Heigl. Simone Maier-Saiz nickt: Da es immer weniger Hebammen gebe, die Hausgeburten anböten, und auch die Zahl der Geburtshäuser abnehme, wollten sie eine Anlaufstelle für Frauen sein, die ihr Kind selbstbestimmt, aus eigener Kraft und so natürlich wie möglich gebären wollen. Ohne Interventionen wie etwa eine Blutentnahme oder einen Ultraschall. Maier-Saiz sagt, sie freue sich sehr auf die Eins-zu-eins-Betreuung der Frauen. Die könnten sie, weil sie personell so gut aufgestellt seien, gewährleisten. Zehn Hebammen arbeiten am Dillinger Krankenhaus, vier Kreißsäle gibt es. Seitdem bekannt sei, dass Dillingen einen hebammengeleiteten Kreißsaal bekommt, hätten sich sogar noch einige Hebammen beworben, so Maier-Saiz.
Hebammenmangel: In Dillingen kein Thema mehr
Ausreichend Hebammen, davon können manche Häuser nur träumen. Und auch in Dillingen war die Geburtenstation schon einmal geschlossen, für drei Monate. 2018 war das. Dann wurde Geld investiert, die Belegabteilung zur Hauptabteilung umgewandelt, und so wurden auch neue Ärzte und Hebammen gefunden.
Zuletzt allerdings sind die Geburtenzahlen wieder gesunken. Möglicherweise haben dabei die Corona-Regeln eine Rolle gespielt. Die seien allerdings inzwischen wieder gelockert: Die Väter hätten schon immer dabei sein dürfen, sie müssten inzwischen auch nur noch einen Schnelltest machen, so Maier-Saiz.
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Hebammengeleiteter Kreißsaal als Alleinstellungsmerkmal
Sie hofft, dass die Zahlen jetzt wieder steigen: Die Nachfrage nach der Geburt im hebammengeleiteten Kreißsaal sei hoch. Das Dillinger Krankenhaus hat damit ein Alleinstellungsmerkmal: Während das Konzept in anderen Bundesländern schon öfter umgesetzt wurde, ist Dillingen das zweite Krankenhaus in Bayern und das erste in Schwaben mit einem hebammengeleiteten Kreißsaal. Es könnte also sein, dass die Geburtenzahlen am Dillinger Krankenhaus bald wieder steigen.
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