Es waren Melodien geprägt von Schmerz und Trauer, mit denen das Ensemble des Jüdischen Kammerorchesters München den Gedenkakt in der Münchner Ohel-Jakob-Synagoge begleitete. Gemeinsames Erinnern an die Opfer des Hamas-Terrors vor genau einem Jahr und die Mahnung zu entschiedenerem Kampf gegen Antisemitismus standen am Montagabend im Zentrum der Veranstaltung der Israelitischen Kultusgemeinde und der Stadt München.
Söder: "Israel braucht unseren Beistand und unsere Unterstützung"
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte Israel seine volle Solidarität zu. Er betonte, Israel brauche keine Ratschläge, wie es sich verhalten solle: "Israel braucht unseren Beistand und unsere Unterstützung." Jeder wünsche sich, dass die Waffen schweigen, sagte Söder mit Blick auf den sich ausweitenden Nahost-Konflikt. Aber Voraussetzung für Verhandlungen sei die Freilassung der noch 101 Geiseln durch die Hamas. "Lasst die Geiseln endlich frei, lasst sie frei", appellierte der Ministerpräsident unter großem Applaus.
Knobloch will Hoffnung auf Frieden und Sicherheit nicht aufgeben
Die Flutwelle aus Angst und Unsicherheit, die vor einem Jahr jüdische Menschen und ihre Verbündeten in aller Welt überrollt hat, sei noch nicht gebrochen, sagte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) München und Oberbayern, Charlotte Knobloch. Der mörderische Judenhass der Hamas wirkte wie ein Funke, der in der Diaspora viele Feuer entzündet hat – an den Universitäten in den USA genauso wie auf den Straßen von Berlin. Und auch in München auf dem Professor-Huber-Platz: "Das anti-israelische Zeltlager dort verbreitet seit fast einem halben Jahr Hass und Lügen", so Knobloch.
Sie habe immer gehofft, "dass Generationen heranwachsen, die die Schrecken der Vergangenheit hinter sich lassen können", sagte die IKG-Präsidentin. "Ich gebe die Hoffnung nicht auf – nein: Ich kann die Hoffnung nicht aufgeben, dass dies eines Tages gelingen wird."
"Wenn Juden in Deutschland nicht sicher leben können, kann niemand in Deutschland sicher leben"
Landtagspräsidentin Aigner verwies in ihrer Ansprache auf den Iran: "Mörderische Horden – hochgerüstet vom Iran – machten eben Jagd auf schlafende Familien, auf singende Jugendliche, auf fröhliche, tanzende, träumende, friedliche Menschen", sagte sie über den Angriff. Und dieser sei "der Startschuss für Antisemiten überall auf der ganzen Welt" gewesen, Hass und Gewalt auszuleben. "Da werden Terror und Raketen bejubelt – Vergewaltigung, Mord", kritisierte Aigner. "Da wird sehr aggressiv Israels Vernichtung skandiert und den Juden der Tod gewünscht."
Dagegen brauche es mehr als einen politischen Konsens. "Wir brauchen eine Gesellschaft, die den Judenhass als Problem begreift und bekämpft", sagte Aigner. "Wenn Juden in Deutschland nicht sicher leben können, kann niemand in Deutschland sicher leben."
Spaenle: Kampf gegen Antisemitismus muss in Bayerische Verfassung
Der bayerische Antisemitismusbeauftragte Ludwig Spaenle sagte, dass es nicht hinnehmbar sei, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland für Vorgänge in Israel – so schwerwiegend diese auch sein mögen – in politische Mitverantwortung genommen würden. Es dürfe auch nicht hingenommen werden, dass Menschen jüdischen Glaubens in Angst lebten. Der Kampf gegen Antisemitismus und die Förderung jüdischen Lebens müssten in die Bayerische Verfassung und in das Grundgesetz aufgenommen werden. Dies wäre "sinnvoll und notwendig", sagte Spaenle.
Scharfe Töne gegen den Iran – "feige"
Söder betonte, dass der Kampf gegen Antisemitismus nicht aufhöre. Er bleibe eine Lebensaufgabe und dürfe nie abgehakt werden. Auch der Ministerpräsident kritisierte im Zusammenhang mit den Angriffen auf Israel den Iran: In Teheran säßen die Finanziers des Terrors von Hamas, Hisbollah und Huthi, sagte Söder. "Andere für sich kämpfen und sterben zu lassen, ist feige." Daher brauche es eine andere Iranpolitik in der Welt und Deutschland.
Bundespräsident warnt vor "leichtfertiger Verurteilung Israels"
Zum Jahrestag des Hamas-Terrorangriffs auf Israel wurde auch in Berlin mit einem Gottesdienst der Opfer gedacht und eine Freilassung der Geiseln gefordert. "Wenn ich mich zurückerinnere an den 7. Oktober, dann bin ich heute so entsetzt und fassungslos wie damals", sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Weiter sagte er: "Ich wünsche mir ein Ende des Sterbens im Nahen Osten, aber ich warne gerade uns Deutsche vor einer leichtfertigen Verurteilung Israels."
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte in Hamburg, es sei jetzt notwendig, dass es bald zu einem Waffenstillstand komme, der mit der Freilassung der Geiseln verbunden sei – "und dass wir unsere Verantwortung wahrnehmen". Das gelte auch für Deutschland und für die Situation hierzulande. "Es bedrückt zu sehen, dass Antisemitismus eine größere Rolle spielt als in den letzten Jahren und das war schon immer schlimm und bedrückend", sagte der Kanzler. Deshalb müsse alles dafür getan werden, gegenzuhalten und sicherzustellen, dass die jüdischen Bürgerinnen und Bürger Deutschlands sicher leben können.
Im Video: BR24live – wie sicher sind Juden in Bayern seit dem 7. Oktober?
Mit Informationen von dpa, KNA und epd
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