Landwirtschaftlich genutzter Brunnen in der Bergtheimer Mulde (Lkr. Würzburg)
Bildrechte: BR
Videobeitrag

Etwa 100 landwirtschaftliche Brunnen für die Feldberegnung gibt es in der Bergtheimer Mulde im Landkreis Würzburg.

Videobeitrag
>

Gemüse-Anbau trotz Wassermangels: Analyse liefert erstmals Daten

Gemüse-Anbau trotz Wassermangels: Analyse liefert erstmals Daten

Die Bergtheimer Mulde bei Würzburg gilt als eine der trockensten Gegenden Unterfrankens. Gleichzeitig bauen Landwirte im großen Stil Gemüse an. Eine Analyse soll nun Klarheit bringen, wie viel Wasser sie dabei bedenkenlos nutzen können.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Mainfranken am .

Es ist ungewöhnlich, wenn mehr als hundert Menschen an einem Dezemberabend zusammenkommen, um sich vier Stunden lang Fachvorträge anzuhören. So geschehen diese Woche in Bergtheim, einer kleinen Gemeinde nordöstlich von Würzburg. Regional bekannt sind Bergtheim und die anliegenden Orte vor allem durch den dortigen Gemüseanbau. Doch seit ein paar Jahren wachsen die Sorgen: Zwar bietet der Lössboden gute Bedingungen – doch der Klimawandel macht sich bemerkbar. Die Landwirte haben mit Hitze und Trockenheit zu kämpfen.

  • Zum Artikel: Wasserentnahmen - Digitale Zähler sollen Klarheit bringen

Landwirte nutzen Grundwasser für Gemüse

Um in der trockenen Region weiterhin Gemüse anbauen zu können, nutzen viele Landwirte Grundwasser. Etwa 100 landwirtschaftliche Brunnen gibt es in der sogenannten Bergtheimer Mulde. Doch der Bedarf ist gestiegen. Bereits 2016 zog das Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg die Reißleine. Neue Brunnen erhielten rund um Bergtheim keine Genehmigung mehr, sofern dort mehr als 5.000 Kubikmeter pro Jahr gefördert werden sollten.

Erste Verteilungskonflikte entstanden: Wer darf wie viel Wasser nutzen – und wofür? Unsicher war man sich darüber auch beim Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg. Nun liegen zur Bergtheimer Mulde erstmals umfangreiche Daten vor.

Grundwasserbilanzen zuletzt rückläufig

Diese Woche präsentierten die Regierung von Unterfranken und das Wasserwirtschaftsamt die Ergebnisse eines Pilotprojekts: das Landschaftswasserhaushaltmodell für die Region. Hinter dem sperrigen Titel verbirgt sich eine umfangreiche Analyse, bei der allein die Kurzfassung zehn Seiten umfasst. Vereinfacht gesprochen wollten sich die Experten ein Bild davon verschaffen, wie viel Wasser in der Region tatsächlich vorhanden ist. Drei Jahre haben sie sich dafür Zeit genommen.

Die Wissenschaftler haben sich die Verläufe der Fließgewässer und Grundwasserkörper im Einzugsgebiet der Bergtheimer Mulde genau angeschaut, eine Fläche etwa so groß wie die Stadt Stuttgart. Außerdem haben sie Messdaten zu Temperatur, Niederschlag oder Grundwasserständen der vergangenen Jahre in ein Modell eingespeist. Untersucht haben sie insbesondere die Jahre 2010 bis 2019. Ein zentrales Ergebnis: Die Sorgen des Wasserwirtschaftsamtes waren begründet. Ab 2014 waren die Grundwasserbilanzen in der Bergtheimer Mulde durchweg negativ. Es ist also mehr Grundwasser abgeflossen oder abgepumpt worden, als sich neu bilden konnte.

Klima wirkt sich mehr auf Grundwasser aus als Brunnen

Die Negativentwicklung beim Grundwasser führen die Wissenschaftler vor allem auf die Temperaturen zurück. Die seien in den 2010er-Jahren signifikant gestiegen. Das bedeutete: mehr Verdunstung – wodurch immer weniger Wasser im Boden ankam. Verstärkt wurde dieser Effekt dadurch, dass es rund um Bergtheim zwischen 2010 und 2019 weniger regnete als in der Vergleichsperiode (2005 bis 2014).

Außerdem wollten die Verantwortlichen herausfinden, welche Rolle landwirtschaftliche Wasserentnahmen spielen. Ergebnis: Die landwirtschaftlichen Brunnen haben in der Bergtheimer Mulde einen eher geringen Anteil an der Grundwasserbilanz. "Im Vergleich zum Klima spielt die Landwirtschaft eine untergeordnete Rolle", sagte Jens Habenstein aus dem Sachgebiet Wasserwirtschaft der Regierung von Unterfranken.

Hoher Wasserbedarf während Dürreperioden

Allerdings zeigte die Auswertung auch: In den zuletzt oft trockenen Jahren haben die Landwirte deutlich mehr Wasser gebraucht als in feuchten Jahren. Es handelte sich um ganzjährige Betrachtungen. "Saisonale Effekte" sind somit durchaus möglich, sagen die Experten. Soll heißen: Wenn es besonders heiß und trocken ist, könnten die Brunnen der Landwirte oder Sportvereine zumindest lokal zu sinkenden Wasserspiegeln beitragen. Inwieweit sich das allerdings auf Quellen oder Feuchtflächen auswirkt, müsste erst noch genauer beobachtet werden.

Bürgerversammlung zum Landschaftswasserhaushaltsmodell für die Bergtheimer Mulde, Dezmeber 2023
Bildrechte: BR/Pirmin Breninek
Audiobeitrag

Etwa 100 Teilnehmer kamen zu einer Bürgerversammlung nach Bergtheim. Die Regierung von Unterfranken stellte Erkenntnisse zum Grundwasser vor.

Landwirte dürfen weiterhin Brunnen nutzen

Für die Landwirte in der Bergtheimer Mulde, die auf künstliche Bewässerung angewiesen sind, bedeutet das im Wesentlichen: Sie dürfen ihre Brunnen behalten, müssen aber weiterhin Wasser sparen. Manche von ihnen, deren Bescheide im kommenden Jahr auslaufen, müssen voraussichtlich mit Kürzungen rechnen.

Die Behörden haben dabei kaum eine andere Wahl. Denn rechtlich gilt ein sogenanntes Verschlechterungsverbot. Sie müssen also dafür Sorge tragen, dass die Mengen der Grundwasserkörper durch die Pumpen nicht abnehmen. Und bereits heute liege die Bergtheimer Mulde in einem "mengenmäßigen Risiko", wie es im Bericht heißt.

Skepsis unter den Bürgern

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Bürgerversammlung nahmen das unterschiedlich auf. Verglichen mit anderen Regionen in Unterfranken sind die Auflagen rund um Bergtheim bereits hoch. Manche Teilnehmer bemängelten dennoch die aus ihrer Sicht zu laschen Kontrollen.

Manche der anwesenden Landwirte wiederum hätten sich klarere Ansagen gewünscht: Wenn Bescheide im kommenden Jahr auslaufen, in welcher Höhe sind dann Kürzungen zu erwarten? Auf der Bühne hieß es: Bei jedem Bescheid handele es sich um eine Einzelfallentscheidung – je nach Fläche und Feldfrüchten. Das jedoch erschwere die Planungen, bemängeln Landwirte.

Bildrechte: BR/Pirmin Breninek
Bildbeitrag

Um Wasser zu sparen haben viele Landwirte Maßnahmen ergriffen, zum Beispiel Tröpfchenbewässerungen wie bei diesem Karottenacker.

Landwirte setzen auf Tropfbewässerung oder Auffangbecken

Einige Teilnehmende hatten sich von der Bürgerversammlung mehr Handlungsempfehlungen erhofft. "Nicht so viele runde Tische machen, sondern auch mal was tun", formulierte es ein Mann aus dem Nachbarort Unterpleichfeld. An dem Abend wurde aber auch deutlich, dass viele Menschen rund um Bergtheim bereits selbst Maßnahmen ergriffen haben.

Ein Landwirt stellte seine Tröpfchenbewässerung für Karotten vor. Er und mehrere seiner Kollegen haben in den vergangenen Jahren Regenauffangbecken angelegt. Kulturpflanzen wie Gurken, die viel Wasser brauchen, wurden rund um Bergtheim zuletzt immer weniger angebaut. Weiterhin ist eine Machbarkeitsstudie in Arbeit. Diese soll klären, inwieweit es möglich ist, im Winter Mainwasser in die Bergtheimer Mulde zu pumpen, um es im Sommerhalbjahr zu verwenden.

Die Regierung von Unterfranken und das Wasserwirtschaftsamt wollen künftig regelmäßig kontrollieren, ob die Daten aus dem nun vorliegenden Landschaftswasserhaushaltsmodell noch mit der klimatischen Entwicklung übereinstimmen. Eine erste Überprüfung soll 2028 stattfinden.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!