BR24live zur Maskenaffäre
Bildrechte: Lennart Preiss/dpa
Videobeitrag

BR24live

Videobeitrag
>

Masken-Millionärin Tandler muss fast viereinhalb Jahre in Haft

Masken-Millionärin Tandler muss fast viereinhalb Jahre in Haft

Andrea Tandler verdiente Millionen-Provisionen bei Geschäften mit Corona-Masken. Da sie das Geld nicht richtig versteuerte, wurde sie nun zu vier Jahren und fünf Monaten Haft verurteilt. Die politische Debatte über die Affäre hält indes an.

Über dieses Thema berichtet: BR24live am .

Ein paar Anrufe zum richtigen Zeitpunkt bei den richtigen Nummern - und die Münchner PR-Unternehmerin Andrea Tandler wurde zu Beginn der Corona-Krise innerhalb weniger Wochen zur Multimillionärin: Sie vermittelte im Frühjahr 2020 Schutzmasken an Ministerien in ganz Deutschland und kassierte Provisionen von mehr als 48 Millionen Euro. Trotz der weitverbreiteten moralischen Entrüstung über die Geschäfte in der Not war das rechtlich nicht zu beanstanden. Doch Tandler versteuerte das so verdiente Geld nicht ordnungsgemäß. Am Freitagmorgen verurteilte das Landgericht München I daher die Tochter des früheren CSU-Generalsekretärs und ehemaligen bayerischen Finanzministers Gerold Tandler zu vier Jahren und fünf Monaten Haft.

Ihr Geschäftspartner Darius N. muss für drei Jahre und neun Monate in Haft. Beide kommen nach elf Monaten Untersuchungshaft dennoch zunächst auf freien Fuß. Erst sobald das Urteil gegen beide rechtskräftig ist, folgt für die Verurteilten eine Ladung zum Haftantritt. Nach Angaben eines Gerichtssprechers ist offen, wann das sein wird.

Tandler reagiert gefasst auf Urteil

Tandlers Anwältin wertete es als "positiv, dass unsere Mandantin heute mit uns den Gerichtssaal verlassen durfte". Tandler, die unter gesundheitlichen Problemen leidet, habe damit die Möglichkeit erhalten, "ihre Krankheit soweit wie möglich auszukurieren, bevor sie ihre Haftstrafe antritt". Sie werde sich voraussichtlich erneut operieren lassen.

Auf das Urteil reagierte Tandler gefasst - die ungefähre Höhe des Strafmaßes war schon vor der Urteilsverkündung bekannt, da am vorletzten Verhandlungstag eine Verständigung unter allen Prozessbeteiligten zustande gekommen war. Beide Angeklagte hatten im Zuge dieser Verständigung ein weitgehendes Geständnis abgelegt und den entstandenen Steuerschaden bezahlt.

Kontakte zur Familie von Franz Josef Strauß genutzt

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass einige Provisionen fälschlicherweise als Gewerbeeinnahmen und nicht als Einkommen einer Einzelperson steuerlich geltend gemacht worden waren. Dafür hatte Tandler zusammen mit N. eine GmbH in Grünwald gegründet - dort ist im Vergleich zur Landeshauptstadt nur rund die Hälfte an Gewerbesteuern fällig. Allerdings war München damals der "Ort der Geschäftsleitung".

Für die Geschäfte hatte Tandler ihre Kontakte in die Politik genutzt, insbesondere zur Familie von Ex-CSU-Chef Franz Josef Strauß. "Die Maskengeschäfte kamen über die privaten Kontakte der Angeklagten Tandler zu ihrer Kindheitsfreundin Monika Hohlmeier zustande", sagte die Vorsitzende Richterin Andrea Wagner in ihrer Urteilsbegründung. Die CSU-Europaabgeordnete Hohlmeier ist die Tochter von Strauß, dessen politischer Weggefährte Gerold Tandler lange Jahre war.

Gericht: Tandler war die treibende Kraft

Andrea Tandler habe gegenüber Hohlmeier so getan, als wolle sie mit der Vermittlung von Masken nur etwas Gutes tun, ihre Millionenprovisionen aber verschwiegen, sagte Wagner. Tatsächlich stellte Hohlmeier für Tandler Kontakte her. Aus Chats ergibt sich, dass Tandler sich dabei der Wirkung ihres Familiennamens bewusst war - eine Chatgruppe nannten sie und ihre Geschäftspartner "Das Ministerium".

Das unterschiedliche Strafmaß für die Angeklagten begründete das Gericht damit, dass Tandler die treibende Kraft bei den Masken-Geschäften gewesen sei. Darius N. habe eine klar untergeordnete Rolle eingenommen.

Einkommen- und Gewerbesteuern hinterzogen

Die beiden Angeklagten hatten über ihre Verteidiger die Steuerhinterziehungsvorwürfe weitgehend eingeräumt - konkret die Vorwürfe der Einkommen- und Gewerbesteuerhinterziehung. Die Verfahren hinsichtlich Hinterziehung der Schenkungssteuer und Corona-Subventionsbetrug hatte das Gericht am Dienstag eingestellt.

"Das hat dazu geführt, dass sich die im Raum stehenden Summen deutlich verringert haben", erläuterte der Münchner Strafrechtsprofessor Frank Saliger bei BR24live, "zuletzt auf einen Hinterziehungsbetrag von 11,9 Millionen und auf einen Schaden von 7,8 Millionen". Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrer Anklage von ursprünglich 23,5 Millionen Euro an hinterzogenen Steuern gesprochen.

Experte: Strafen angemessen

Laut dem Strafprozessrecht-Experten Saliger sind die vom Landgericht ausgesprochenen Strafen im Vergleich zu ähnlichen Prozessen "angemessen". Im dem Prozess sei es nicht um die Rechtmäßigkeit oder die "moralische Anrüchigkeit" der sehr hohen Provisionen gegangen, sondern um deren "nachträgliche steuerliche Verarbeitung". Und dabei seien "gravierende Fehler" gemacht worden.

In Wirtschafts- und Steuerstrafverfahren, die sehr komplex seien, komme es immer wieder zu Verständigungen zwischen den Verfahrensbeteiligten wie im aktuellen Fall, sagte der Universitätsprofessor bei BR24live. "Das Gesetz erlaubt solche Verständigungen in geeigneten Fällen." Ziel sei dabei, eine Hauptverhandlung abzukürzen. "Bestandteil einer Verständigung ist immer dann auch ein Geständnis der Beschuldigten, das hier abgegeben worden ist. Das führt dann auch zu einem entsprechenden Straf-Rabatt."

Opposition kritisiert Regierung

Die Vorsitzende der bayerischen AfD-Fraktion, Katrin Ebner-Steiner, bezeichnete Tandlers Verurteilung als "notwendig und berechtigt". Der Rechtsstaat habe damit eine "rechtswidrige private Profitgier" auf Kosten der Allgemeinheit geahndet. Zugleich sprach Ebner-Steiner von einer "der größten CSU-Affären im Freistaat". Tandlers Geschäfte seien nur möglich gewesen, "weil sie auf ein CSU-Amigo-Netzwerk zurückgreifen konnte".

Auch der Grünen-Landtagsabgeordnete Florian Siekmann, der stellvertretender Vorsitzender des Masken-Untersuchungsausschusses des Bayerischen Landtags war, begrüßte das Urteil. Der Prozess sei ein wichtiger Schritt zur Aufklärung der Masken-Affäre - "aber eben nur ein Schritt". Siekmann warf der Regierung vor, sie weigere sich, den von Tandler eingefädelten Maskendeal anzufechten. "Damit lässt die Staatsregierung Millionen von Steuergeldern aus dem überteuerten Deal im Maskensumpf versinken, statt auch nur den Versuch zu unternehmen, sie zurückzuholen."

Ministerium: Vorwürfe "absolut haltlos"

Das Gesundheitsministerium wies die Oppositionskritik als "absolut haltlos" zurück. "Bei allen Entscheidungen des bayerischen Gesundheitsministeriums bei der Beschaffung von Schutzmaterial zum Start der Pandemie ging es ausschließlich um den möglichst raschen Schutz der Bürgerinnen und Bürger", betonte eine Ministeriumssprecherin auf BR-Anfrage. Von einer Vorzugsbehandlung bestimmter Anbieter zu sprechen, sei schlicht falsch. "Klar ist, dass es Personen außerhalb des Ministeriums gab, die sich moralisch fehlverhalten haben. Aber diese Tatsache darf nicht dazu genutzt werden, die wichtige Arbeit des bayerischen Gesundheitsministeriums zu diskreditieren."

Die Sprecherin bezeichnete zudem den Vorwurf als falsch, das Ministerium habe zweifelhafte Verträge einfach weiterlaufen lassen. "Richtig ist dagegen: Die Masken wurden nach Anlieferung durch das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) kontrolliert, mangelhafte Ware wurde reklamiert und entsprechend begründete Gewährleistungsansprüche wurden - wie stets bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte - geltend gemacht." Ministerium und LGL loten der Sprecherin zufolge alle sinnvollen rechtlichen Schritte gegen Lieferanten aus, sofern sie sie nicht bereits ergriffen worden seien.

Mit Informationen von dpa und AFP.

Redaktioneller Hinweis: Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte von Angeklagten nennt BR24 in der Regel nicht ihre vollen Namen und zeigt ihr Gesicht nur verpixelt. Eine Ausnahme bilden Personen der Zeitgeschichte sowie Fälle mit besonderem öffentlichem Informationsinteresse oder besonders gravierende Verbrechen. Im aktuellen Fall geht es zum einen um eine Steuerhinterziehung erheblichen Ausmaßes, zum anderen wurde der Name Tandler bereits vor Anklageerhebung im Zusammenhang mit den Maskenkäufen der Ministerien öffentlich genannt, da der Familienname für die Anbahnung der Geschäfte maßgeblich war.

Im Audio: Andrea Tandler muss wegen Steuerhinterziehung in Haft

Die Angeklagte Andrea Tandler steht vor der Urteilsverkündung im Gerichtssaal des Landgerichts.
Bildrechte: Lennart Preiss/dpa
Audiobeitrag

Die Angeklagte Andrea Tandler steht vor der Urteilsverkündung im Gerichtssaal des Landgerichts.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!