Wenn es nach Markus Söder geht, sollte Bayern beim Verbot von Gendersternen und Co. Vorbild für das ganze Land sein: "Wir sollten es in ganz Deutschland haben", rief der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident diese Woche bei seiner Rede auf dem CDU-Parteitag und beklagte eine "Sternchen-Ideologie". Privat dürfe jeder reden, wie er wolle. "Aber staatlich braucht es ein Genderverbot für Schule, Hochschule und Behörden." Lauter Applaus und Jubel im Saal.
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Seit Anfang April gilt in Bayern eine Änderung der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaats: "Mehrgeschlechtliche Schreibweisen durch Wortbinnenzeichen wie Genderstern, Doppelpunkt, Gender-Gap oder Mediopunkt sind unzulässig." Staatlichen Beamten ist es damit verboten, in offiziellen Schreiben auf diese Art geschlechtergerecht zu formulieren. Besonders im Fokus stehen dabei die Schulen: Lehrkräfte müssen in Schulbriefen und bei anderer schriftlicher Kommunikation auf Genderstern und ähnliche Sonderzeichen verzichten.
Ministerium: "Keine besonderen Vorkommnisse bekannt"
Streitfälle gibt es bisher offenbar nicht. Das bayerische Kultusministerium teilt auf BR24-Anfrage mit, dass "keine besonderen Vorkommnisse aus den vergangenen Wochen bekannt" seien. Generell gelte: "Für den Fall, dass einzelne Lehrkräfte in schulischen Schreiben auch weiterhin Gender-Sonderzeichen verwenden, sind die unmittelbaren Vorgesetzten zuallererst aufgerufen, das Gespräch mit den Lehrkräften zu suchen und für die Einhaltung der vom deutschen Rechtschreibrat vorgegebenen Leitlinien zu sensibilisieren."
Auf die Frage, inwieweit das Ministerium überprüft, ob sich Schulen an die Vorgaben halten, lautet die Antwort: Eine Überprüfung durch das Kultusministerium sei nicht erforderlich, "da davon ausgegangen werden kann, dass die Schulen die Vorgaben regelkonform umsetzen".
München: Schulreferent setzt weiter auf Gendersternchen
Verpflichtend sind die Vorgaben für den Schriftverkehr allerdings nur für staatliche Schulen. Im entsprechenden Schreiben des Kultusministeriums an alle bayerischen Schulen steht: "Kommunalen und privaten Schulen wird empfohlen, entsprechend zu verfahren."
Genau diese Lücke der kommunalen Selbstverwaltung nutzt die Landeshauptstadt München für ihre städtischen Schulen. Der dortige Stadtschulrat Florian Kraus (Grüne) hatte bereits nach dem Beschluss der Staatsregierung erklärt: "Sprache formt Denken und soziale Wirklichkeit. Gendersensible Sprache ist daher wichtiger Ausdruck geschlechtlicher Identität und gesellschaftlicher Vielfalt." Anders als beim Freistaat gebe es daher in der Allgemeinen Geschäftsanweisung der Landeshauptstadt München kein Genderverbot, sondern ein "Gebot gendersensibler Sprache".
Bildungsreferat: "Weit überwiegend positive Rückmeldungen"
Laut einer Pressesprecherin des Münchner Bildungsreferats gibt es für diesen Münchner Extra-Weg große Unterstützung. "Die Schulleitungen der städtischen Gymnasien und der städtischen Realschulen haben einhellig rückgemeldet, dass sie voll und ganz hinter der vom Stadtschulrat Florian Kraus kommunizierten städtischen Haltung stehen", teilt sie auf BR24-Anfrage mit. Ob die Münchner Schulen und Lehrkräfte in Schulbriefen oder auf ihrer Webseite Gendersternchen benutzen, überprüfe man nicht, gehe aber davon aus.
Auch vonseiten der städtischen Lehrkräfte in München gebe es "weit überwiegend positive Rückmeldungen", betont die Sprecherin. Ganz vereinzelt gebe es "kritische Stimmen seitens der Eltern" zur Regelung der Stadt, "vor allem wegen der so entstandenen Uneinheitlichkeit".
Nürnberg unterstützt Empfehlung des Ministeriums
Anders als München geht die Stadt Nürnberg vor. Das dortige Schulreferat betont auf BR24-Anfrage, man schließe sich der Empfehlung des Kultusministeriums an, dass die kommunalen Schulen auf Wortbinnenzeichen verzichten sollen.
Seit Inkrafttreten des Genderverbots habe man keine Rückmeldungen aus den städtischen Schulen erhalten, Konfliktfälle seien nicht bekannt. Sollten Abweichungen von den allgemeinen Rechtschreibregeln auffallen, werde man "die jeweilige Schulleitung darauf hinweisen".
BLLV: Für viele eine Frage der Haltung
Beim Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) sind bisher offiziell ebenfalls keine Streitfälle bekannt. "Wir haben an den Schulen echte Probleme, viel drängender als Gendersternchen", sagt BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann auf BR24-Anfrage. Ihrer Einschätzung nach halten sich die Lehrkräfte an die sprachlichen Vorgaben für Schulbriefe und andere schriftliche Kommunikation – auch wenn manche dafür "in den sauren Apfel beißen" müssten.
Aus den Rückmeldungen beim BLLV wird laut Fleischmann klar: "Viele junge Kolleginnen und Kollegen sehen ein Gendersternchen nicht als Frage der Rechtschreibung. Sondern als Frage der eigenen Haltung gegenüber einer diversen Gesellschaft."
Philologenverband: "Probleme liegen woanders"
Auch laut dem Vorsitzenden des Bayerischen Philologenverbands, Michael Schwägerl, ist das Genderverbot kein Thema, das zu echten Konflikten geführt hat. Die Rückmeldungen aus der Lehrerschaft seien ein Spiegelbild der Gesellschaft – das Spektrum reiche von Zustimmung bis Ablehnung. "Tatsache ist: Die eigentlichen Probleme liegen woanders", sagt Schwägerl auf BR24-Anfrage und verweist auf die Belastungen und Herausforderungen des Lehreralltags.
Schüler wollen "sich nicht verbieten lassen, wie sie schreiben"
Bayerns Landesschulsprecher Gimo Zaradacht teilt auf BR24-Anfrage mit: "Die Schüler:innen, die sich gemeldet haben, berichten, dass das 'Genderverbot' sie bisher in ihrem Schulalltag bedingt tangiert. Ich habe ausschließlich gehört, dass sie sich nicht verbieten lassen wollen, wie sie schreiben." Diskussionen oder Streitfälle aus den vergangenen Wochen seien ihm nicht bekannt.
Generell findet der Landesschülerrat laut Zaradacht, dass Verbote wie diese schnell an ihre Grenzen stoßen: "Sprache und Schrift können im Wandel der Zeit Veränderungen durchmachen, die auch durch so eine Symbolpolitik nicht aufgehalten werden können."
Ministerium: Im Unterricht hat sich nichts geändert
Das Kultusministerium hebt unterdessen hervor, dass sich durch das vom Kabinett beschlossene Genderverbot im Unterricht nichts geändert habe: "Im Bereich des Unterrichts ist es bei den bisherigen Regelungen geblieben. Das amtliche Regelwerk, das vom Rat für deutsche Rechtschreibung herausgegeben wird, ist auch weiterhin die verbindliche Grundlage des Unterrichts an allen Schulen."
Bei Schülerarbeiten gelte, dass "entsprechende Normabweichungen" zwar markiert, jedoch nicht in die Bewertung einbezogen werden. Das hebt auch die Sprecherin des Münchner Bildungsreferats als "wichtig" hervor: "Falls Schüler*innen Wortbinnenzeichen in schriftlichen Leistungsnachweisen verwenden, ist dies bei der Korrektur als Normabweichung zu markieren, nicht aber in die Bewertung einzubeziehen."
"Toleranz und Gleichberechtigung sind essenzielle Werte"
Wichtig ist: Die Staatsregierung hat sich nur gegen "Wortbinnenzeichen" positioniert, aber nicht generell gegen geschlechtergerechte Sprache. Formulierungen wie "Lehrerinnen und Lehrer" oder "Lehrkräfte" sind weiter auch in Schulbriefen erlaubt. Das Kultusministerium betont: "Um es ganz deutlich zu sagen: Toleranz und Gleichberechtigung sind essenzielle Werte, die an unseren Schulen tagtäglich im Schulbetrieb und in zahlreichen Projekten mit Leben gefüllt werden."
Im Audio: Pro und Contra – Was bringt das bayerische Genderverbot?
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