Auf den Philippinen gibt es goldenen Reis. Die kleinen gelben Körner unterscheiden sich nicht nur äußerlich von weißem herkömmlichen Reis. Der goldene Reis ist reich an Vitamin A. Das ist das Ergebnis einer gentechnischen Veränderung. Die Hoffnung: Der gefährliche Vitamin-A-Mangel könnte in der Region beendet werden. Das Risiko: unabsehbaren Folgen der Genmanipulation. Denn dem Reis ist ein Mais-Gen zugeführt worden, nach der Methode der "alten" grünen Gentechnik.
Doch mittlerweile gibt es eine neue Methode, die so präzise ist, dass es kein artfremdes Genmaterial mehr bräuchte, um etwa den Vitamin-A-Gehalt zu erhöhen. Ein Quantensprung in der Gentechnikforschung?
Wissenschaftler hoffen, Kritiker warnen
Die neue präzise Gentechnik bei der Pflanzenzucht lässt Wissenschaftler hoffen, macht Kritiker nervös und bringt Politiker unter Entscheidungsdruck. Doch der Reihe nach. Die klassische Gentechnik bringt fremde DNA ein. Neue Genomische Verfahren (NGT) wiederum können mittels der sogenannten Gen-Schere (CRISPR/Cas) bestehende DNA gezielt und minimal verändern oder etwa Gene einer anderen Reissorte einsetzen. Der Vorteil: Es geht viel schneller und präziser als konventionelle Züchtung.
Neue Genomische Verfahren in der Pflanzenzucht
Prof. Dr. Matin Qaim ist Direktor des Zentrums für Entwicklungsforschung (ZEF) der Universität Bonn. Er sieht große Chancen in den Neuen Genomischen Verfahren: Größere Ernten und weniger Missernte, der Pestizideinsatz könnte zurückgefahren werden. Neue Gentechnikverfahren könnten auch helfen, die Landwirtschaft widerstandsfähiger gegen Klimaveränderungen zu machen. Pflanzen könnten weniger Wasser benötigen oder resistenter gegen Schädlinge sein.
Doch dafür braucht es Regeln. Erst legte die Europäische Kommission einen Vorschlag auf den Tisch zur Lockerung der Regeln für die Neuen Genomischen Verfahren. Zum Beispiel soll eine Kennzeichnungspflicht entfallen. Begründung: Die neue grüne Gentechnik sei im Kern nicht von der konventionellen Züchtung zu unterscheiden. Doch das Europäische Parlament pocht auf strenge Kennzeichnungspflichten. Die Mitgliedsstaaten der EU haben sich im Ministerrat jedoch mit knapper Mehrheit für den Kommissionsvorschlag für lockerere Regeln ausgesprochen.
Jahrzehntelanger Streit um die Gentechnik
Das ruft eine breite Phalanx von Gentechnik-Gegnern auf den Plan. Natur- und Umweltschützer und die Biobranche. Martin Geilhufe vom Bund Naturschutz in Bayern sagt: Der Europäische Rat habe einen "Freifahrtschein für die Gentechnik" in der gesamten Natur ausgestellt. "Damit ist von Naturschutzgebieten bis zu Hausgärten keine Risikovorsorge vor Gentechnik mehr gegeben."
Kritiker warnen auch, dass Lockerungen vor allem große Agrarkonzerne begünstigen könnten. Patente auf gentechnisch veränderte Pflanzen könnten die Abhängigkeit der Landwirte von wenigen Saatgutherstellern verstärken und kleine Betriebe unter Druck setzen.
Es ist ein alter Streit auf politischer Ebene zwischen Wissenschaft und Naturschutz. Während in den 1970er-Jahren nur grundlegende genetische Veränderungen erforscht wurden, begann in den 1980ern die gezielte Veränderung von Pflanzen, indem fremde Gene eingeschleust wurden. In den 1990ern kamen die ersten gentechnisch veränderten (GV) Pflanzen wie Soja, Mais oder Baumwolle auf den Markt, vor allem in den USA.
Während dort und in Südamerika der Anbau boomte, reagierte Europa skeptisch und führte strenge Zulassungsverfahren ein. Die 2000er-Jahre waren geprägt von Diskussionen über Umwelt- und Gesundheitsrisiken. Die Einführung der Gen-Schere CRISPR-Cas in den 2010ern macht punktgenaue, schnelle und oft genfreie Veränderungen möglich.
Große Skepsis gegenüber Gentechnik
Damit einher geht eine historisch gewachsene Skepsis der Deutschen gegenüber gentechnisch veränderten Produkten. So sind Bio- und Regionalprodukte sehr beliebt – "Genfood" gilt als unnatürlich. Und viele fürchten, dass Gentechnik die Macht großer Agrarkonzerne stärkt.
Agrarökonom Prof. Matin Qaim ist sich dieser Skepsis bewusst. "In deutschen Supermärkten werden Sie keine Lebensmittel finden, die als 'gentechnisch verändert' gekennzeichnet sind." Einerseits seien die Regularien dafür sehr streng. Andererseits sei der Markt dafür einfach nicht da, sagt der Agrarwissenschaftler. Deshalb betont er: Der technologische Fortschritt zwischen alter und neuer Gentechnik in der Pflanzenzucht müsse beachtet werden.
Wie geht es weiter?
Die Entscheidung über eine Deregulierung der Neuen Genomischen Verfahren hängt nun an den Verhandlungen zwischen Europäischem Parlament und den Mitgliedsstaaten der EU. Die kommenden Monate werden zeigen, ob und in welcher Form die Reform umgesetzt wird.
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