- Direkt zum aktuellen Artikel: Pfarrer freigestellt: Wut und Tränen bei Gottesdienst
Wie weit darf persönliches Engagement eines Pfarrers in der Jugendarbeit gehen? Und wann sind Grenzen überschritten? Diese Fragen werden gerade in der 12.000-Einwohner-Stadt Hauzenberg heftig diskutiert. Das Bistum Passau wirft dem Pfarrer schwerwiegendes Fehlverhalten in der Jugendarbeit vor. Konkret geht es um den Umgang mit Alkohol. Er soll Jugendliche zum Trinken verleitet haben, heißt es in einem Gutachten, das dem Recherchenetzwerk "Correctiv" vorliegt. Kritiker soll der Pfarrer gemobbt haben.
Der Rücktritt, das Dementi und der Rücktritt
Nachdem Bischof Stefan Oster und der Pfarrer mehrmals telefoniert hatten, verkündete das Bistum am Donnerstag den Rücktritt des Pfarrers. Wenige Stunden später die Wende: Der Geistliche dementierte den Rücktritt über seinen Anwalt und sprach von einem Missverständnis.
Das Bistum Passau schafft nun Klarheit. Schriftlich teilt es mit: "Das Bistum hält an seinem Vorgehen fest." Der Pfarrer wird ab Montag nicht mehr Dekan und Pfarrer im Pfarrverband Hauzenberg sein. Bischof Oster spricht ab Montag ein vorläufiges Zelebrationsverbot aus. Außerdem dürfe der Geistliche dann auch nicht mehr öffentlich als Priester auftreten.
Zahl der Ministranten rasant gewachsen
Der Pfarrer gilt in der Region als charismatischer Mann, ist aktiver Feuerwehrler und Volksfest-Gänger. Er ist auch außerhalb Hauzenbergs bekannt und beispielsweise damit aufgefallen, dass er auf dem Karpfhamer Fest, einem der größten Volksfeste Niederbayerns, gekellnert hat. "Er ist bekannt dafür, mit Ministranten ein Bier zu trinken", schildern Hauzenberger. "Er ist kein 08/15-Pfarrer", sagen Leute, die ihn kennen und schätzen.
Junge Menschen konnte er mit seiner Art definitiv gewinnen – die Zahl der Ministranten ist in seiner Pfarrgemeinde in den vergangenen zwei Jahren aufs Doppelte, nämlich auf 100 Ministranten, gewachsen.
Alkohol im Spiel, "aber im Rahmen"
Groß ist der Rückhalt in Hauzenberg. Menschen, die sich kirchlich engagieren und deren Kinder ministrieren, sprechen von einer "Hetzkampagne". Sie sagen, die Mehrheit im Ort stehe hinter dem Pfarrer. In einem Brief an das Bistum hätten sie bekräftigt, dass alle Anschuldigungen haltlos seien. Sie räumen ein: Auf Ausflügen, an Hüttentagen, während einer Mallorca-Reise und im Ministranten-Raum sei Alkohol getrunken worden. "Aber nichts ist außer Kontrolle geraten. Meine Kinder haben mir gesagt, dass alles im Rahmen war", schildert ein Vater. Mehrere Pfarrgemeinderäte haben vor, sich mit dem Pfarrer solidarisch zu zeigen, und wollen zurücktreten.
Gutachten: problematische Nähe
Seit den Missbrauchsfällen innerhalb der Katholischen Kirche gibt es einen Verhaltenskodex sowie Richtlinien zur Prävention. Priester dürften keine grenzüberschreitende Nähe mehr herstellen. Die Frage ist also: Hat Hauzenbergs Pfarrer über den gemeinsamen Alkohol-Konsum ein Umfeld geschaffen, in dem es für Jugendliche schwer ist, Situationen richtig einzuschätzen?
Ein Gutachten beantwortet die Frage mit Ja. Es wurde vom unabhängigen Ansprechpartner bei geistlichem Missbrauch im Bistum Passau verfasst und dem Recherchenetzwerk "Correctiv" zugespielt. Der Experte schätzt das Verhalten des Pfarrers laut "Correctiv" als besorgniserregend ein, Hinweise für sexuellen Missbrauch gebe es aber nicht. Das Bistum sieht das Gutachten kritisch. "Aus Sicht des Bistums werden Sachverhalte unrichtig dargestellt und widerlegbare Behauptungen aufgestellt sowie Persönlichkeitsrechte Dritter verletzt", heißt es.
Das Bistum habe deswegen eine Anwaltskanzlei hinzugezogen. Die Ansprechpartnerin für Verdachtsfälle im Bistum empfiehlt nun dringend, "die Angelegenheit in die Hände der Staatsanwaltschaft zu geben." Denn es bestünde der Vorwurf, das Verhalten des Pfarrers gehe über ein Anbahnungsverhältnis hinaus. Konkrete Nachfragen zu den Vorwürfen ließ die Pressestelle des Bistums unbeantwortet.
Anwalt spricht von "falschen Vorwürfen"
Vertreten wird der Pfarrer durch Anwalt Holm Putzke. Er schreibt in den sozialen Medien: "In diesem Fall sieht alles danach aus, dass ein kleiner Kreis bösartiger Menschen einen richtig guten Pfarrer unter dem feigen Deckmantel der Anonymität mit falschen Vorwürfen überzieht. Christen sind das wahrlich nicht!"
Fest steht: Am Sonntag wird es wieder einen Gottesdienst in Hauzenberg geben. Wer ihn hält, ist laut Holm Putzke im Moment noch unklar.
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