Symbolbild: Rentner in Not wegen der steigenden Lebenshaltungskosten
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Gestiegene Preise: Besonders Rentner trifft es hart

Gestiegene Preise: Besonders Rentner trifft es hart

Steigende Preise bei Lebensmitteln, Heiz- und Wohnkosten sind für viele Rentner ein großes Problem. Besonders hart trifft es ältere Menschen, die knapp über der Grundsicherung leben. Kontrovers über Betroffene, die trotz Rente in Armut leben.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Rentnerin Lieselotte Pawlowsky war schon vieles in ihrem Leben: Kellnerin ist sie gewesen, und auch Telefonistin. Sogar Hausmeisterin war sie. 40 Jahre lang hat die Frau aus München in die Rentenkasse eingezahlt. Ihre Rente ist nicht schlecht – besonders im Vergleich zum Durchschnitt dessen, was Frauen ihres Alters sonst beziehen. 23,8 Prozent der Rentnerinnen über 65 gelten in Bayern als arm – fast ein Viertel. So die aktuellen Zahlen des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Bayern. Die durchschnittliche Bruttorente liegt bei Frauen in Bayern bei gerade mal 1.190 Euro pro Monat. Rentnerin Lieselotte Pawlowsky liegt deutlich darüber: Netto kommt sie auf über 1.200 Euro.

Ihre Rente oberhalb des Durchschnitts bedeutet für Lieselotte Pawlowsky: Sie bekommt keine Grundsicherung im Alter – also die staatliche Unterstützung beim Lebensunterhalt für Rentnerinnen und Rentner. Trotzdem hat sie derzeit am Ende des Monats kaum noch etwas übrig. Die Preisanstiege bei Lebensmitteln, Energie- und Wohnungskosten treffen sie hart. Dem BR-Politikmagazin Kontrovers beschreibt sie ihre finanzielle Lage mit Galgenhumor: "'Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel', sagt der Bayer. Es ist so. Die Münchner Rentner - die lässt man schon sehr viel im Stich“, sagt die 73 Jahre alte Rentnerin.

Es wird gespart, wo es nur geht

Auch Anna Schröder (Name von der Redaktion geändert) leidet unter den Preissteigerungen. Die Rentnerin heißt eigentlich anders, möchte aber nicht wiedererkannt werden: Altersarmut ist schambehaftet – gerade bei Frauen. Sie hat einige Jahre im Ausland gearbeitet und war lange freiberuflich tätig. Hat darum wenig in die Rentenkasse eingezahlt. Jetzt bekommt sie nicht mal 700 Euro Rente im Monat. Damit hat sie – anders als Lieselotte Pawlowsky – Anspruch auf Grundsicherung im Alter.

Supermarkt zu teuer für Rentnerin

Trotzdem muss auch die 79-Jährige an allem sparen – auch beim Essen. "Da kann man Pesto von machen und Suppe. Da kann man das Immunsystem mit stärken", sagt sie, als sie sich bückt und den Bärlauch von der Wiese abpflückt." So mache ich das immer. Wenn ich eine Hand voll habe, mache ich mir ein Pesto für den Winter. Das kommt auf Spaghetti. Das ist dann wieder eine billige Soße, ne?"

Vergleicht man die Einnahmen und die fixen Ausgaben der beiden Rentnerinnen, sieht es auf den ersten Blick für Lieselotte finanziell wesentlich besser aus. Abzüglich der jeweiligen Fixkosten wie Miete, Kosten für Strom, Telefon und Versicherungen, bleibt bei Anna Schröder ein Minus von 175 Euro, während Lieselotte rechnerisch noch ein Plus von 478 Euro übrig behält.

In der Armutsspirale wegen eines Schicksalsschlags

Doch tatsächlich ist die Rechnung nicht so simpel, wie sie scheint. Denn während Anna Schröder aufgrund der Grundsicherung Zuschüsse erhält, muss Lieselotte Pawlowsky für alle Kosten selbst aufkommen.

So etwa für den Umzug in ihre kleinere Wohnung, als ihr langjähriger Lebensgefährte unerwartet starb. Für die Rentnerin brach eine Welt zusammen: emotional und finanziell. "Er hat immer gesagt, er wird 90, er überlebt mich. Aber leider ist es anders gelaufen", sagt sie während sie am Grab ihres Lebensgefährten Blumen ablegt. Anspruch auf Witwenrente hat Lieselotte Pawlowsky nicht, denn das Paar war nicht verheiratet. Für den Umzug nimmt die Rentnerin einen Kredit in Höhe von 5.000 Euro auf. Noch heute zahlt sie ihn ab: knapp 150 Euro monatlich, zusätzlich rund 50 Euro monatlich für eine Kreditabsicherung, weil sie über 70 ist.

Knapp 35 Euro zu viel Rente für die Grundsicherung

Würde Pawlowsky Grundsicherung beziehen, hätte das Sozialreferat den Umzug bezahlt. Den Kredit hätte sie dann nie genommen. Doch als sie beim Sozialreferat einen Antrag auf Unterstützung stellte, bekam sie eine Ablehnung: Ihr Einkommen sei knapp 35 Euro zu hoch, um Leistungen aus der Grundsicherung beziehen zu können.

Anna Schröder hingegen erhält monatlich einen Zuschuss in Höhe von 533 Euro. Außerdem darf sie einmal in der Woche Lebensmittel bei der Münchner Tafel beziehen, spart eigenen Einschätzungen zufolge dabei etwa 50 Euro die Woche.

Viele scheinen durch das System zu fallen

Lieselotte Pawlowsky würde zwar auch gerne Lebensmittel über die Tafel erhalten – doch auch hier wurde sie abgelehnt, weil ihre Rente angeblich zu hoch sei. Dabei bräuchten weit mehr Menschen in München die Hilfe der Tafel, schätzt Axel Schweiger, Vorstand beim Münchner Tafel e.V.

"Es gibt nach dem Armutsbericht der Stadt München von 2017 129.000 Menschen, die im Bereich des Existenzminimums leben. Wir versorgen jede Woche 22.000 Menschen." Axel Schweiger, Münchner Tafel e.V.

Armut trotz besserer Rente

Auch in anderen Bereichen erhält Anna Schröder im Vergleich zur Rentnerin Lieselotte Pawlowsky Unterstützungen – gerade weil sie Anspruch auf die Grundsicherung hat. So fällt etwa die Zuzahlung bei Medikamenten für sie geringer aus. Sorgt sich die Empfängerin der Grundsicherung denn wegen der gestiegenen Energiepreise? "Da bin ich sehr privilegiert. Das lässt mich auch besser schlafen: Heizkosten zahlt die Stadt", sagt die Rentnerin.

Bei Rentnerin Lieselotte sieht das anders aus. Auch den Heizkostenzuschuss von der Bundesregierung erhält sie nicht: Denn auch der ist an ein Wohngeld gekoppelt, welches sie nicht erhält. Verrechnet man all diese Unterstützungen, die mit der Grundsicherung einhergehen, steht Rentnerin Lieselotte trotz ihrer überdurchschnittlichen Rente am Ende schlechter da als Rentnerin Anna Schröder: Im Vergleich zu Anna Schröder muss Rentnerin Lieselotte Pawlowsky mit 339 Euro weniger auskommen. Und das, obwohl sie eigentlich 618 Euro mehr Rente bekommt!

  • Zum Artikel: Heizkostenzuschuss klammert viele Bedürftige in Bayern aus

Private Hilfseinrichtungen statt staatlicher Unterstützung

Das Sozialreferat der Stadt München hat sie an eine spendenfinanzierte private Einrichtung verwiesen: den LichtBlick Seniorenhilfe e.V. Dort erhält Rentnerin Lieselotte Pawlowsky regelmäßig Geld für eine Jahreskarte im öffentlichen Nahverkehr, kann umsonst Tram- und U-Bahn fahren.

Das Bild, das Patricia Kokot von der Seniorenhilfe LichtBlick e.V. gegenüber dem BR-Politikmagazin Kontrovers zeichnet, zeigt, wie dramatisch die Lage tatsächlich ist.

"Wir haben Tag für Tag viele Anrufe oder Rentner, die zu uns in Büro kommen, mit den offenen Rechnungen. Die sind verzweifelt: 'Entweder bezahle ich die Rechnung – oder ich kaufe mir Lebensmittel oder Medikamente.' Die Sorge wird immer größer. Und gerade wenn man keine Unterstützung vom Staat bekommen kann, weil man 2,50 Euro drüber ist, ist es noch viel, viel schwieriger." Patricia Kokot, LichtBlick e.V.

Hilfsorganisationen fürchten: Die angekündigte Rentenerhöhung wird schon bald wieder von der Inflation verschlungen werden.

Ein Leben lang gearbeitet – und trotzdem in Existenznot

Dass sie einmal so knapp bei Kasse sein würde, hätte Rentnerin Lieselotte Pawlowsky nie für möglich gehalten. Schließlich hat sie ihr ganzes Leben lang gearbeitet – sogar ihre Kinder hat sie zeitweise mit zur Arbeit genommen, statt sie zuhause zu betreuen.

Rund 60 Euro wird sie bald mehr bekommen – aufgrund der angekündigten Rentenerhöhung. Für sie heißt das aber auch: 60 Euro weiter weg von der Grundsicherung. Zigtausende andere werden deshalb sogar wieder rausfallen und Ansprüche verlieren, befürchten Fachleute. Und Anna Schröder bringt die angekündigte Rentenerhöhung gar nichts – sie bekommt dann nur entsprechend weniger Grundsicherung.

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